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Flüchtlingskrise Erdogan telefoniert mit Merkel und fordert faire Lastenteilung in der Flüchtlingsfrage

Der türkische Präsident hat sich bei Angela Merkel über die Flüchtlingssituation in seinem Land beschwert. Die Botschaft der Bundesregierung an die Fliehenden ist eindeutig.
03.03.2020 Update: 03.03.2020 - 07:23 Uhr 3 Kommentare
Der türkische Präsident stellt in der Flüchtlingspolitik Forderungen an die EU. Quelle: AFP
Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident stellt in der Flüchtlingspolitik Forderungen an die EU.

(Foto: AFP)

Ankara, Berlin Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine faire Lastenteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. Erdogan habe darauf hingewiesen, dass die Last der Flüchtlinge und die Verantwortung für sie fair geteilt und dass internationale Verpflichtungen eingehalten werden müssten, hieß es in der Nacht zum Dienstag in einer Mitteilung der türkischen Seite.

Erdogan hatte der EU zuvor offen mit einem neuen Andrang von Flüchtlingen gedroht. Seitdem Erdogan am Samstag verkündet hatte, dass die Türkei die Grenzen zur EU geöffnet habe, haben sich Tausende Migranten auf den Weg zur griechischen Grenze gemacht, wo sie jetzt bei Kälte auf türkischer Seite ausharren.

Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen. Erdogan warf den Sicherheitskräften vor, zwei Migranten getötet und einen verletzt zu haben.

Spitzenvertreter der EU wollen sich an diesem Dienstag ein Bild von der Lage an der türkisch-griechischen Grenze machen, wo nach Schätzungen der UN rund 13.000 Menschen auf der türkischen Seite ausharren. Erwartet werden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel und der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli.

Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. In der Vereinbarung mit der EU hatte die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land. Erdogan wirft der EU aber vor, die Vorgaben aus dem Flüchtlingspakt von 2016 nicht vollständig erfüllt zu haben.

Von Merkel kam deutliche Kritik an Erdogans Vorgehen: Bei allem Verständnis für die Lage der Türkei sei es „völlig inakzeptabel, dass man das jetzt auf dem Rücken von Flüchtlingen austrägt“, sagte die CDU-Politikerin am Montag. „Denn die Flüchtlinge sind jetzt in eine Situation gebracht worden, dort an die Grenze zu gehen und im Grunde in einer Sackgasse zu landen“.

Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb am Montagabend auf Twitter: „Wir sehen die Last, die die Türkei stemmt, aber sie muss ihren Verpflichtungen aus dem EU-Abkommen weiter nachkommen. Die EU leistet ihren Beitrag für eine würdige Versorgung von Geflüchteten.“

Sein türkischer Kollege Mevlüt Cavusoglu erwiderte: „Welche Versprechen gegenüber der Türkei hat die EU gehalten, lieber Heiko Maas?“ Er warf der EU vor, nicht einmal die Hälfte der vereinbarten sechs Milliarden Euro sei bei den Geflüchteten angekommen, die freiwillige Aufnahme bleibe aus.

Bundesregierung warnt Flüchtlinge

Ausdrücklich warnte die Bundesregierung Flüchtlinge und Migranten in der Türkei vor einem Aufbruch Richtung Europa. „Wir erleben zurzeit an den Außengrenzen der EU zur Türkei, auf Land und zur See, eine sehr beunruhigende Situation. Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er natürlich nicht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.

Auf die Frage, ob der Satz der Kanzlerin weiter gelte, dass sich 2015 nicht wiederholen werde, sagte er: „Der hat seine Gültigkeit.“ Ausdrücklich sprach er von „Flüchtlingen und Migranten“ – nicht jeder werde nach der gültigen Definition Flüchtling sein.

Drastischer formulierte es Friedrich Merz: „Es hat keinen Sinn, nach Deutschland zu kommen. Wir können Euch hier nicht aufnehmen“, sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz.

Dagegen forderte Grünen-Chefin Annalena Baerbock, dass Deutschland zunächst 5000 besonders schutzbedürftige Menschen aus Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln aufnimmt. Sie erinnerte daran, dass Deutschland 2016 die Aufnahme von 27.000 Schutzsuchenden aus Italien und Griechenland zugesagt hatte. Es seien aber im Rahmen der EU-Vereinbarung nur gut 10.000 aufgenommen worden.

Die EU-Staaten müssten an der griechisch-türkischen Grenze über Frontex und die europäische Asylagentur „für Humanität und Ordnung“ sorgen, sagte Baerbock. „Das ist eine Frage von Recht und Ordnung.“ Die EU-Außengrenze dürfe nicht unkontrolliert geöffnet werden, es müsse aber die Möglichkeit zum geordneten Grenzübertritt geben.

„Tausende Menschen campieren hier bei Kälte unter freiem Himmel“

Der Deutsche Städtetag forderte schnelle Gespräche zwischen der Türkei und der Europäischen Union. „Der Druck auf die EU-Außengrenze in Griechenland ist groß. Es müssen rasch Lösungen gefunden werden, die menschenwürdig sind“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der „Welt“.

Auch wenn das Vorgehen der Türkei problematisch sei, müsse das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufrechterhalten werden, betonte Dedy. „EU und Türkei müssen schnellstmöglich an einen Tisch, und klären, wie das geschehen kann. Und die EU muss Handlungsfähigkeit an den Tag legen – die Verständigung auf eine faire Verteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten ist überfällig.“

Dedy betonte, die Städte in Deutschland wollten Flüchtlinge, die Schutz brauchten, weiterhin angemessen unterbringen und versorgen. „Deshalb sollten den Städten nur Flüchtlinge zugewiesen werden, die eine Bleibeperspektive haben“, verlangte er.

CDU-Politiker: Verstärkte Kontrollen an deutscher Grenze vorbereiten

Der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg hält verstärkte Kontrollen auch an der deutschen Grenze für notwendig. „National müssen wir uns auf verstärkte Kontrollen und auch auf Zurückweisungen an den eigenen Grenzen vorbereiten“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Das Vorgehen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nannte er „vertragsbrüchig und menschlich unverantwortlich“.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Vogt, fordert eine Umverteilung Geflüchteter aus Griechenland auf die übrigen EU-Staaten. „Aktuell ist das Wichtigste, sehr schnell dafür Sorge zu tragen, dass UNHCR vor Ort die Versorgung der Geflüchteten übernimmt“, sagte Vogt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Dem müssten insbesondere die Türkei, Bulgarien und Griechenland zustimmen. Um sich nicht auf Dauer vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abhängig zu machen, brauche Europa zudem ein gemeinsames Asyl- und Zuwanderungsrecht.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) forderte sofortige Unterstützung der EU für Griechenland. Notwendig sei dies für die Grenzsicherung, für den Bau von weiteren Aufnahmelagern und für die Versorgung der Flüchtlinge, sagte er der „Welt“. Die EU müsse auch erneut mit der Türkei verhandeln und dafür sorgen, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole. „Wir können nicht zulassen, dass wiederum Hunderttausende Menschen über die europäischen Außengrenzen zu uns kommen“, warnte Pistorius.

Der Grünen-Außenpolitiker Cem Özdemir forderte stärkeren Druck auf Erdogan. „Ich erwarte von der Bundesregierung, endlich Schluss mit der Besänftigungspolitik gegenüber Ankara zu machen, den Hebel unserer engen wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei einzusetzen und die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei von Europa zu nutzen, damit Erdogan seine zynischen Machtspiele nicht länger auf dem Rücken der Schwächsten austrägt“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Mehr: Tausende Menschen versuchen, aus der Türkei nach Griechenland zu gelangen. Was treibt sie an? Was erwartet sie? Ein Report aus dem Grenzort Doyran.

  • dpa
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3 Kommentare zu "Flüchtlingskrise: Erdogan telefoniert mit Merkel und fordert faire Lastenteilung in der Flüchtlingsfrage"

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  • Wenn dies doch nur ein "Treppenwitz" wäre,
    ausgerechnet der Kriegstreiber ERDOGAN fordert eine FAIRE Lastenteilung.
    Zunächst die Frage: Wo sind die 6 Milliarden EURO geblieben???

  • @ Michael Müller

    Denken Sie doch einfach einmal logisch, Herr Müller.
    Ich erinnere mich noch sehr gut an den Völkermord in Ruanda 1994. Auch damals gab es Millionen von Flüchtlingen.
    Wohin sind die geflüchtet? In die ANGRENZENDEN Staaten (Kongo, Uganda, Tansania). Sie sind jedoch nicht nach Europa geflüchtet!! Also muss es einen ANREIZ dafür geben, nicht im benachbarten Ausland zu warten, bis sich die Situation gebessert hat, sondern nach Europa weiterzuflüchten.
    Dieser Anreiz muss ausgeschaltet werden, und gleichzeitig muss der Anreiz erhöht werden, dass die Flüchtlinge im Grenzgebiet bleiben. Möglichkeit: Helikoptergeld (zusammen mit Lebensmitteln) ausschließlich über den Flüchtlingslagern abwerfen! Wenn es einen Sinn macht, Geld zu drucken, dann dafür!!
    Gleichzeitg sind die Kriegstreiber unter Druck zu setzen, also insbesondere Erdogan. Möglichkeit dazu: Klare Ansage von Seiten der USA: Angriffe sofort einstellen, oder die Kaufkraft der Türkischen Lira beträgt schon morgen exakt null.

  • 90% der Syrer sind Araber!

    Wie sieht die Hilfe der arabischen Glaubensbrüder aus den reichen Erdölstaaten für ihre syrischen Glaubensbrüder aus?

    Russland ist an der Situation in Syrien nicht unbeteiligt. Wie sieht die Hilfe des reichen Russlands aus?

    Mit welcher Begründung "fordert" Erdogan eine faire Lastenteilung mit Europa, Deutschland?

    Deutschland braucht einen wirksamen Schutz vor einer Plünderung des in Jahrzehnten aufgebauten deutschen Sozialsystems durch fremdländische Wirtschaftsflüchtlinge.

    Kein Gesetz ist in Stein gemeiselt. Veränderte Situationen erfordern Anpassungen der Gesetze zum Schutz der eigenen Bevölkerung und zur Unterbindung von Mißbrauch!

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