Folgen der Pandemie Der Armutsbekämpfung in Indien droht ein herber Rückschlag
Schwere Zeiten für Wanderarbeiter in Indien
Bangkok Sie können nicht mehr zur Arbeit gehen, sie dürfen aber auch nicht nach Hause zurückkehren: In dem wichtigsten indischen Industriebundesstaat Maharashtra, in dem auch die Finanzmetropole Mumbai liegt, sitzen mindestens 314.000 Arbeiter fest, wie die lokalen Behörden Ende vergangener Woche bekanntgaben. In Indien gelten wegen der Coronakrise strenge Ausgangssperren.
Es handelt sich bei den Betroffenen um Wanderarbeiter, die ihre Heimatorte in der Hoffnung auf bessere Jobs verlassen haben. Doch nachdem Indiens Premierminister Narendra Modi im Kampf gegen die Pandemie am 24. März einen totalen Lockdown angeordnet hatte, fehlte plötzlich nicht nur die Arbeit – auch die Möglichkeit, nach Hause zu reisen blieb den Arbeitern verwehrt.
Einer der Wanderarbeiter ist Matadin Dhankar. Er arbeitet in der Nähe von Mumbai als Steinmetz und verdiente damit zuletzt neun bis zwölf Euro am Tag. Mit der Ausgangssperre versiegte seine Einnahmequelle jedoch vollständig.
Sein 1200 Kilometer entfernter Heimatdistrikt im Bundesstaat Madhya Pradesh ist für ihn nicht zuletzt wegen fehlender öffentlicher Verkehrsmittel unerreichbar. Indische Behörden halten ihn nun zusammen mit anderen Wanderarbeitern für die Dauer der Ausgangssperre in einem Schulgebäude fest, erzählte er der Zeitung „The Indian Express“.
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Er fühle sich wie ein Häftling und sei verzweifelt: „Was bringt es, vor dieser Krankheit beschützt zu werden, wenn währenddessen meine Kinder zu Hause vor Hunger sterben?“, sagte er im Gespräch mit der Zeitung.
Armutsbekämpfung droht Rückschlag
Die sozialen Probleme, die die Anti-Corona-Maßnahmen mit sich bringen, sind in kaum einem anderen Land so ausgeprägt wie in Indien. Denn der Regierung des 1,4-Milliarden-Einwohner-Staates ist bewusst, dass das ressourcenarme Gesundheitssystem des Schwellenlandes einem Virusausbruch nicht gewachsen ist.
Auch deshalb erwägt sie eine Verlängerung der dreiwöchigen Ausgangssperre, die eigentlich am Dienstag enden soll. Gleichzeitig ist der Versuch zur Eindämmung des Virus für Hunderte Millionen Inder eine kaum erträgliche Belastung. Der Armutsbekämpfung in Asiens drittgrößter Volkswirtschaft droht ein massiver Rückschlag.
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO (International Labour Organization) warnte in der vergangenen Woche davor, dass angesichts des lahmgelegten öffentlichen Lebens 400 Millionen Arbeiter in Indien tiefer in die Armut rutschen könnten.
Indien sei von einer Zunahme der Armut besonders bedroht, weil rund 90 Prozent der Beschäftigten im informellen Sektor tätig seien. Bei den Tagelöhnern schlägt sich die wirtschaftliche Krise unmittelbar in einem kompletten Einkommensverlust nieder.
Indien litt bereits vor der Coronakrise unter einer Abkühlung der Konjunktur. Wegen der Krise bricht das Wachstum nun aber ein. Analysten der Investmentbank Goldman Sachs rechnen im aktuellen Finanzjahr mit Zuwächsen von lediglich 1,6 Prozent – für das Schwellenland ist das viel zu wenig. Ökonomen gehen davon aus, dass das Land rund acht Prozent Wirtschaftswachstum benötigt, um genügend Jobs für die wachsende Bevölkerung zu schaffen.
Modis Corona-Politik
Schon jetzt zeichnet sich eine Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt ab. Nach Zahlen des Marktforschers Centre for Monitoring Indian Economy stieg die Arbeitslosenrate Anfang April auf 23 Prozent – von rund acht Prozent, die noch Mitte März gemessen wurden.
„Man kann davon ausgehen, dass mit der Arbeitslosigkeit auch die Armut massiv ansteigt“, kommentierte Arup Mitra, Wirtschaftsprofessor an dem Institute of Economic Growth in Neu Delhi.
Dass die untersten Einkommensschichten unter Modis Corona-Politik am stärksten leiden würden, wurde bereits in den ersten Tagen der Ausgangssperre deutlich. Während sich die Mittelschicht in Metropolen wie Delhi und Mumbai in ihren Stadtwohnungen zurückziehen konnte, war an den Autobahnen zu sehen, wie sich Tausende Arbeiter zu Fuß auf den Rückweg in ihre teils Hunderte Kilometer entfernten Heimatorte machten, weil sie sich ohne Arbeit das Leben in den Großstädten schlichtweg nicht leisten konnten.
Modi – ein Politiker, dem Selbstkritik in der Regel fremd ist – sah sich zu einer öffentlichen Entschuldigung veranlasst: „Es tut mir leid, dass diese harten Maßnahmen zu Problemen geführt haben, besonders bei den armen Menschen“, sagte er in einer Ansprache. „Ich weiß, dass einige jetzt wütend auf mich sein werden. Aber die Maßnahmen sind nötig, um diese Schlacht zu gewinnen.“
Um Härtefälle abzumildern, rief Modi einen Hilfsfonds mit dem Namen „PM Cares“ – zu Deutsch: der Premierminister kümmert sich – ins Leben. Gelder daraus sollen den Ärmsten der Armen zugutekommen, hieß es. Der Regierungschef rief auch Unternehmen und Privatleute auf, sich daran zu beteiligen.
Er trieb so innerhalb von zwei Wochen rund 300 Millionen Dollar ein, unter anderem von dem Konglomerat Reliance Industries des reichsten Inders, Mukesh Ambani. Die Opposition kritisierte das Vorgehen aber: Sie bemängelte, dass ein Notfallhilfsfonds mit einer halben Milliarde Dollar längst existiere, die Mittel aber nicht ausgezahlt würden.
Hilfsgelder nicht verfügbar
Auch Gelder, die aus dem Staatshaushalt freigegeben wurden, um die wirtschaftlichen Probleme der Arbeiter zu lindern, drohen bei den Betroffenen nicht anzukommen. Aktivisten der Nichtregierungsorganisation Jan Sahas gehen davon aus, dass ein großer Teil nicht auf die Hilfsmittel zugreifen kann, weil ihnen die bürokratischen Voraussetzungen fehlen.
Ein Fonds, der das Einkommen von Bauarbeitern sichern soll, setzt bei der Auszahlung etwa einen bestimmten Branchenausweis voraus. Den besitzt laut einer Umfrage von Jan Sahas aber nur ein Bruchteil der Arbeiter.
Die Organisation warnt vor einem sozialpolitischen Desaster: „Wenn unsere Daten repräsentativ sind, dann werden von den 55 Millionen Bauarbeiter 51 Millionen keinen Zugang zu dem Wohlfahrtsprogramm haben.“
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In Indien zeigt sich beispielhaft ( wie zuerst auch in China), dass nicht ein Virus der größte Feind der Menschen ist, sondern der Staat respektive die Staatsmacht.
Nicht durch das Virus, sondern durch vollkommen unüberlegten Aktionismus der indischen Regierung finden in Indien nun in der Realität (und nicht in einem Hollywood-Film) die ersten HUNGERSPIELE statt, wobei die Hungernden von den Staatsschergen (die sich, durch neue "Macht" ausgestattet, besonders überheblich fühlen), auch noch drangsaliert werden. Seit Gandhi und den Schergen des British Empire haben die Menschen also auch in Indien nichts, aber auch gar nichts gelernt:
"Hungry and homeless, the migrant workers and those stuck at wrong places, despite getting beaten up by the police, decided not to care, got into a full fatalistic mode, and started their long march to their rural places, in many cases walking a thousand kilometers. Scores of people died. (...)
What interests Modi and the Indian Middle Class is not starvation deaths, but as low a count of corona-virus deaths as possible. He wants to be seen as a world leader. "
https://www.zerohedge.com/health/welcome-indias-hunger-games
Nicht (ver-)hungernde Menschen (noch dazu aus "niederen" Kasten) interessieren die indischen Machthaber (aus "höherer" Kaste), sondern dass sie in der Welt mit "guten Zahlen" Anerkennung finden.