Frankreich Auf Mainstream getrimmte Rechtsextreme: Le Pen wird für Präsident Macron gefährlich

Ihre Rhetorik ist von der Macrons kaum noch zu unterscheiden.
Paris Die nächste Präsidentschaftswahl in Frankreich scheint noch weit entfernt: mehr als ein Jahr. Doch die Vorentscheidung wird jetzt getroffen. Wie gut oder schlecht Frankreich aus der Corona-Pandemie kommt, wie hart die Wirtschaftskrise noch wird, ob Enttäuschung oder Zufriedenheit über das Regierungshandeln vorherrschen, die Bürger sich noch in der Demokratie wiederfinden und auch, wie die Regionalwahlen im Juni ausgehen: All das ebnet schon jetzt den Kandidaten den Weg – oder wirft sie aus der Bahn.
Zwischen Deutschland und Frankreich hat die Covid-Krise einen Graben aufgerissen, was die Haltung zum Staat angeht: „67 Prozent der Bundesbürger denken, dass die Demokratie gut funktioniert“, hat das Institut Cevipof in einer repräsentativen Befragung in vier Ländern festgestellt. In Frankreich glaubt das nur eine Minderheit von 42 Prozent der Befragten.
Und während Kanzlerin Angela Merkel und der Großen Koalition heute 56 Prozent der Deutschen bescheinigen, gut auf die Pandemie zu reagieren, denkt das nur ein gutes Drittel der Franzosen von Präsident Emmanuel Macron. Im vergangenen Jahr hatte er die Vision einer „Welt danach, ein völlig neues Sozialmodell“ in Aussicht gestellt.
Konkretisiert hat er das nicht. Heute zerstreitet sich sein Lager über die richtige Art, auf die Zweifel der Franzosen an der Demokratie zu reagieren. Sein wichtigster Verbündeter François Bayrou, Chef der Mitte-Partei Modem will das Verhältniswahlrecht einführen.
Er sieht im Mehrheitswahlrecht die Ursache für die Abkehr der Franzosen von der Politik: „Millionen von Stimmen haben in den vergangenen Jahren lediglich zu einem Prozent der Sitze geführt, wie sollen die Franzosen einem Parlament trauen, in dem die Mehrheit von ihnen nicht vertreten ist?“, fragte er vor wenigen Tagen.
Macrons unerfülltes Wahl-Versprechen
Macron hatte in seinem Wahlprogramm versprochen, zumindest in den bevölkerungsreichsten Départements das Verhältniswahlrecht einzuführen. 15 bis 20 Prozent der Sitze würden dann nicht mehr über das geltende System vergeben, bei dem der Sieger alles einstreicht, die knapp unterlegenen Bewerber völlig leer ausgehen.
Macron sitzt in einer Falle. Seinen Unterstützer Bayrou, ohne dessen Abgeordnete er keine Mehrheit mehr hat, will er nicht vor den Kopf stoßen. Doch im Moment hält er die Änderung des Wahlrechts für zweitrangig. Seiner Fraktion von La République en Marche hat er noch nicht gesagt, wie sie sich zu Bayrous Gesetzentwurf verhalten soll.
Der Modem-Chef hat unterdessen schon die links stehende Fraktion von „La France Insoumise“, einige Zentristen und – ausgerechnet – das rechte Rassemblement National (RN) als Unterstützer gewonnen.
„Ich glaube sehr stark an das Verhältniswahlrecht, das schafft Stabilität. Wenn Macron sich nicht traut, sein Versprechen einzulösen, müssen wir eben ein Referendum organisieren“, trumpft RN-Chefin Marine Le Pen auf. Kein Wunder: Das Rassemblement, früher Front National, hat am meisten zu gewinnen und würde wohl mehrere Dutzend zusätzliche Abgeordnete in die Nationalversammlung entsenden.
Macrons Fokus liegt auf der Pandemie, deren Folgen für die Franzosen und der Wirtschaft. Der geht es besser als lange angenommen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zwar 2020 um acht Prozent gesunken. Im vierten Quartal lag der Wert aber nur noch fünf Prozent unter dem des Vorjahres. Bei der Industrieproduktion betrug der Rückstand im Dezember nur noch 3,6 Prozent im Jahresvergleich.
Der Chefvolkswirt von Oddo-BHF erwartet, dass Frankreichs Wirtschaft Ende dieses Jahres wieder das Niveau von 2019 erreicht, das wäre nur drei Monate nach der Bundesrepublik und deutlich schneller als Italien, früher auch, als noch Ende 2020 erwartet wurde.
Frankreichs Wirtschaft erholt sich
Wenn nichts Schlimmes passiert, dann könnte Frankreich die härteste Krise der Nachkriegszeit also in diesem Jahr abschütteln. Die Arbeitslosenquote ist im letzten Quartal 2020 um gut einen Punkt auf acht Prozent gesunken, die Kapazitätsauslastung auf fast 80 Prozent gestiegen.
Der Wohnungsbau brummt: Das Geschäftsklima liegt hier elf Punkte über dem langjährigen Durchschnitt von 100. Die Kredite an die Privathaushalte haben in einem Jahr um 2,4 Prozent zugelegt. Bau- und Immobilienmarkt sind so in Fahrt, dass die Banque de France nun stark auf die Bremse tritt, was Immobilienkredite angeht. Die zulässige monatliche Belastung wurde auf 35 Prozent des Nettoeinkommens gesenkt. Ein Paradox: Die EZB treibt die Banken mit Strafzinsen zur Kreditvergabe, eine Notenbank erschwert sie.
Die Wirtschaft läuft besser als befürchtet, weil Macron gegen den Rat aller Experten auf einen neuen, dritten Lockdown verzichtet hat. Der Präsident hütet das Wachstum wie seinen Augapfel. Der Kampf gegen die Pandemie tritt nicht zurück hinter den Schutz der wirtschaftlichen Aktivität.
Aber an die Stelle einer Therapie mit dem Vorschlaghammer ist eine mit dem Skalpell getreten. Die Regierung macht sich nicht zur Gefangenen eines Kriteriums, sie überwacht mehrere Indikatoren, nicht nur die Sieben-Tage-Inzidenz. Der Anteil der mutierten Viren an den Infektionen, die Belastung der Krankenhäuser mit intensiv zu betreuenden Covid-Patienten und die Fortschritte bei den Impfungen gehen in die Analyse mit ein.
Macron hat die Bekämpfung der Pandemie maßgeschneidert
Statt einer Politik des „one size fits all“ wird die Reaktion maßgeschneidert. So wurde Anfang der Woche für Nizza und die angrenzenden Badeorte, wo das Virus besonders heftig grassiert, ein Lockdown während des Wochenendes beschlossen.
Macron will als Präsident, der die Franzosen vor der Pandemie geschützt, dabei aber nicht ihren Wohlstand geopfert hat, im nächsten Jahr zur Wiederwahl antreten. Allen Umfragen nach hat er beste Chancen, in den zweiten Wahlgang zu kommen.
Damit würde sich im Mai 2020 das Match gegen Marine Le Pen, Chefin des Rassemblement National, wiederholen. 2017 hat Macron es mit 66 zu 34 Prozent gewonnen. Im kommenden Jahr ist ungewiss, wer gewinnen würde: In einer Umfrage liegt Le Pen nur vier Punkte hinter ihm, das entspricht ungefähr der Irrtumswahrscheinlichkeit.
Für Le Pen ist es die letzte Chance. 2017 hatte sie sich in der Debatte mit Macron lächerlich gemacht. Frühere Getreue wie der wiedergewählte Bürgermeister von Bézier, Robert Menard, prophezeien jetzt: „Sie wird wieder verlieren.“
Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen, erst 31 Jahre alt, hält sich bereit, um ihre Tante abzulösen: Sie steht für einen weniger sozialen, wirtschaftlich liberaleren, aber schärfer nationalistischen Kurs und will die extreme Rechte mit Teilen der Bürgerlichen zusammenführen. Ein rechtskonservativer Publizist, Eric Zemmour, tritt 2022 als Alternative zu Le Pen an.
Positionskämpfe am rechten Rand
Obwohl umstritten, ist Le Pen so gefährlich wie nie. Ein Drittel der Jungwähler zwischen 18 und 34 Jahren will seine Stimme für sie abgeben. Sie redet nicht mehr vom Austritt aus der Euro-Zone, will die Sparer nicht erschrecken. Die Frau, die sich bei Ex-US-Präsident Donald Trump gar nicht genug einschmeicheln konnte, hat aus dessen Machtverlust gelernt: Ein aggressives Auftreten mobilisiert den harten Kern der Anhänger, führt aber in die Niederlage.
Le Pen gibt sich heute seriös. Ihre Aussagen zum Abbau der Verschuldung, den sie vor Jahren wie die Linke heute durch einen Schuldenschnitt erreichen wollte, klingen nun äußerst verantwortungsbewusst: „Ja, eine Schuld muss man tilgen. Da gibt es einen essenziellen, moralischen Aspekt“, schrieb sie in einem Gastkommentar.
Die auf Mainstream getrimmte rechtsextreme Frontfrau klingt so betulich wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann oder Merkels schwäbische Hausfrau: „Von dem Moment an, in dem ein Staat sich über externe Quellen finanziert, muss sein Wort ehern sein.“ Gegen „Wind und Wetter tut er alles, um seine Schulden zu tilgen“.
Die „neue“ Le Pen ist von Macron kaum noch zu unterscheiden
Ihre Rhetorik ist von der Macrons kaum noch zu unterscheiden: Die Verschuldung müsse durch Wachstum abgebaut werden. Investitionen seien notwendig, in Schlüsseltechnologien, die industrielle Souveränität, die Energie- und Umweltwende. Sie wolle keine Austerität, aber eine nachhaltige Mäßigung der Budgetpolitik. „Mit mir wird Frankreich kreditwürdig bleiben“, beschließt sie ihre Wandlung.
Die Le Pen von 2021 eifert nicht mehr gegen die EU. Sie schildert den Gegensatz zwischen ihr und Macron so: „Ich stehe für eine nationale Politik, Macron für eine der schrankenlosen Globalisierung.“ Der Präsident wird es schwer haben gegen die „neue“ Le Pen.

Der Präsident von Frankreich sitzt in einer Falle. Seinen Unterstützer Bayrou, ohne dessen Abgeordnete er keine Mehrheit mehr hat, will er nicht vor den Kopf stoßen.
Auch weil er und seine Partei einige Themen der Rechten aufgegriffen haben: Macron warnt vor der Zerstörung der „Werte der Republik“ durch Islamisten, seine Hochschulministerin sieht die Universitäten des Landes im Griff von „Islamo-Linksradikalen“. 2017 begeisterte Macron die Wähler mit seinem Versprechen eines modernen Frankreichs, das sich nicht im sterilen Links-rechts-Gegensatz lähmt.
Aber womit kann er, dem Gelbwesten, Streiks und Pandemie so zugesetzt haben, heute noch die Menschen mobilisieren? Keine einzige Region, so die Prognosen, wird Macrons LaREM im Juni allein gewinnen. Ein schlechter Start für 2022.
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Le Pen ist für Macron noch nicht gefährlich genug.
Ein Präsident wie Macron, der Frankreich auf Kosten der deutschen Steuerzahler sanieren will/muß, hat fertig, hat seinen Sitz zu räumen und den Arbeitsplatz freizumachen für geeignetere Kandidaten.
Ob Le Pen die Voraussetzungen erfüllt, sei dahingestellt, jedenfalls haben die Sozialisten, Bürgerlichen, Liberalen etc. etc. nichts, aber auch gar nichts brauchbares an Personal vorzuweisen.