Frankreich Populärer Schlag gegen die Elite: Macron schafft ENA-Hochschule ab

Macron hält sein Versprechen, die ENA zu schließen.
Paris Emmanuel Macron hat sein Versprechen gehalten: Der französische Regierungschef hat bekanntgegeben, dass er die Eliteschule „École nationale d'administration“ (ENA) schließen wird. Vor zwei Jahren hatte Frankreichs Präsident versprochen, er werde die 1945 gegründete Schule für die Ausbildung der Spitzenverwaltung abschaffen.
Er reagierte damit vor allem auf die Krise mit den Gelbwesten: Die ENA ist in den Augen vieler Franzosen das Symbol einer lebensfremden, arroganten Verwaltung, die keinerlei Regelung zustande bekommt, hinterher aber immer weiß, woran es gelegen hat und vor allem in einem glänzt: der eigenen Seilschaft die besten Jobs zuzuschanzen.
Macrons Ankündigung hatte von Anfang an den Beigeschmack einer Aktion, die auf populäre Stimmungsmache zielt oder gar Augenwischerei ist. Der Präsident ließ einen Bericht über mögliche Alternativen erstellen. Dann wurde es jedoch sehr still um das Thema.
Die ENA und ihre Verteidiger organisierten den Widerstand: geschmeidig zurückweichen, auf Zeit spielen. Sie schienen fast schon gewonnen zu haben: Vor Macrons Rede am Donnerstagabend wurde angenommen, er habe sein Versprechen stillschweigend kassiert.
Doch dem ist nicht so. Möglicherweise liegt es am nahenden Wahlkampf zu den Regionalwahlen und der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, dass Macron sich nun seines Versprechens erinnert. Das bietet ihm die Möglichkeit, sich erneut als Reformer zu inszenieren. Jedenfalls wird die Eliteschule schon bald der Vergangenheit angehören.
„Die ENA ist am Ende zu einer Institution geworden, die Individuen in Klassen einteilt“, kritisierte Macron in einer Rede hinter verschlossenen Türen, zu der nur Vertreter der hohen Verwaltung des Staates eingeladen waren. Sie werde beseitigt, an ihrer Stelle entstehe ein „Institut für den öffentlichen Dienst (ISP).“
Das solle sich in wesentlichen Punkten von der ENA unterscheiden: „Das ISP wird jedem Studenten die Möglichkeit einer Ausbildung geben, bei der er lernt zu handeln, zu leiten, zu entscheiden, innovativ zu sein und es wird eine exzellente Lehre bieten, die international anerkannt ist.“
Vor allem die letzte Bemerkung enthält bittere, weil zutreffende Kritik an der ENA: Sie hält sich für ein Institut der Exzellenz. Doch international spielt sie in Forschung und Lehre praktisch keine Rolle, im Gegensatz zu anderen französischen Eliteschulen wie denen für Ingenieurwissenschaften.
Reform genau ausarbeiten
Macron beeilte sich dennoch, ein Minimum an Streicheleinheiten zu verteilen: „Es geht keinesfalls darum, die ENA zu verunglimpfen, ich vergesse nicht, wo ich herkomme.“ Macron hat selbst die in Straßburg ansässige Eliteschule absolviert und schloss als Fünfter seines Jahrgangs ab. Das hat ihm die Möglichkeit eröffnet, in das begehrteste Korps der Verwaltung einzutreten, das der Finanzinspektoren.
An zweiter und dritter Stelle rangieren Rechnungshof und Staatsrat. Die Mitgliedschaft in einem Korps gilt ein Leben lang: Man kann ein paar Jahre anderswo arbeiten, bewahrt aber immer den Anspruch, in seine ursprüngliche Einheit zurückzukehren. Als einer von ganz wenigen hat Macron auf dieses Privileg verzichtet, noch bevor er Präsident wurde.
Die Aufgabe der Regierung ist es nun, die Reform genau auszuarbeiten. Der Präsident gab die groben Linien vor : „Das ISP wird eine starke Partnerschaft mit den Universitäten aufbauen müssen und sich auf einen hervorragenden Lehrkörper mit vielfältigeren Profilen stützen.“ Die ENA-Absolventen rekrutieren sich weit überwiegend aus der Oberschicht, nur ganz wenige kommen aus den „classes populaires“ oder sind Kinder von Migranten.
Das soll sich nun ändern. „Ich hoffe, dass wir bei den Auswahlkriterien die Dinge etwas öffnen können, nicht um Exzellenz zu verlieren, sondern um im Lichte aller Studien, die durchgeführt wurden, eine offenere Auswahl zu haben, die es uns erlaubt, weniger sozial determinierte Profile auszuwählen “ wurde Macron deutlich.
Es gehe aber keinesfalls darum, an Exzellenz zu verlieren, im Gegenteil, die soll jetzt erst recht gewonnen werden: „Das ISP wird eine Ausbildung nach den besten internationalen Standards anbieten, mit Abschlüssen, die auch auf europäischer und internationaler Ebene anerkannt sind.“
Die Nachfolgerin der ENA solle „nicht nur Methoden und wesentliche Fächer ausbilden, sondern auch eine allgemeine Kultur und Disziplinen, die Aufgeschlossenheit, die Fähigkeit, sich in akademischen Kreisen weiterzuentwickeln und die großen Entwicklungen in der Welt zu verstehen und deshalb viel ehrgeiziger sein, als wir es bisher waren.“
Neu ordnen will der Präsident auch die Zusammenarbeit zwischen dem ISP und anderen Spitzeninstituten. „Ich beauftrage den Premierminister mit einer tief greifenden Revolution“, fasste Macron zusammen. Das Wort Revolution, das kommt in Frankreich immer gut an.
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