Frankreich versus Deutschland: Eine Geschichte über Liebe und Hass
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Frankreich versus DeutschlandEine Geschichte über Liebe und Hass
Die Franzosen zittern vor dem Angstgegner Deutschland – schließlich geht es ums das EM-Finale. Politisch sind beide Nationen befreundet, doch im bilateralen Match sind Hollande und Merkel trotzdem Rivalen.
Wer jubelt besser? Angela Merkel war bei der WM 2014 ganz aus dem Häuschen, Hollande beim EM-Spiel gegen Island.
(Foto: dpa [M])
Paris Die Franzosen zittern schon vor dem Halbfinale mit der deutschen Nationalelf in Marseille. Bei der WM in Brasilien vor zwei Jahren unterlagen die Brasilianer haushoch 7:1 gegen die Deutschen. So ein hoher Sieg wurde nicht für möglich gehalten. Frankreich hatte schon im Viertelfinale gegen Deutschland 0:1 verloren. Das sorgt für Panik im französischen Lager. Dass Bastian Schweinsteiger doch wieder fit ist, lässt sie noch mehr zittern. Deutschland ist ganz klar ein Angstgegner. Les Bleus, die französische Nationalelf, wollen nun endlich mal Deutschland in einem entscheidenden Spiel schlagen.
Sie wollen an die legendäre Zeit von Zinedine Zidane und den Sieg bei der WM 1998 in Frankreich anknüpfen. „Wir müssen jetzt über uns hinauswachsen. Ich fühle, dass das Team dazu bereit ist“, sagte der Kapitän der Bleus, Hugo Lloris. Trainer Didier Deschamps ist überzeugt: „Wie sind in der Lage, für Gefahr zu sorgen.“
Er hofft auf den Heimvorteil: „Die Zuschauer werden hinter uns stehen. Und das brauchen wir auch.“ Das erfolgreiche Viertelfinale gegen Island macht ihnen zudem noch mehr Mut. Doch Deutschland ist nicht Island, das wissen die Franzosen sehr gut. Dass einige deutsche Spieler, darunter Mario Gomez ausfallen, beruhigt sie ein wenig. „Jetzt kommt die beste Mannschaft der Welt, aber wir werden alles geben“, sagte Deschamps über die Deutschen.
Frankreich und Deutschland: Enge Partner in unterschiedlicher Lage
Bei der Wirtschaftslage liegen zwischen den beiden Seiten des Rheins Welten. In Frankreich ist der Konjunkturmotor nach der Finanzkrise nicht wieder so recht in Fahrt gekommen, in den vergangenen beiden Jahren lag das Wachstum mit 0,2 und 1,2 Prozent spürbar niedriger als in Deutschland (1,6 und 1,7 Prozent). Richtig dramatisch tief ist der Graben am Arbeitsmarkt: In Frankreich sind 10,2 Prozent der Erwerbsfähigen ohne Job; die Quote ist nach Eurostat-Zahlen mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland (4,3 Prozent).
Während Deutschland zum Zielland für Hunderttausende geworden ist, spürt Frankreich die Flüchtlingskrise deutlich weniger. Die Flüchtlingsbehörde registrierte 2015 knapp 73.500 Asyl-Erstanträge, 23,9 Prozent mehr als im Vorjahr. In Deutschland waren es fast 442.000, gut 150 Prozent mehr als 2014 – und viele Anträge waren da wegen des Andrangs noch gar nicht aufgenommen worden.
In Deutschland bringt jede Frau im Schnitt 1,47 Kinder zur Welt. In Frankreich liegt die Geburtenquote dagegen bei zwei Kindern pro Frau, der höchste Wert in der EU. Das hat langfristig Auswirkungen beispielsweise auf Arbeitsmarkt und Rentensysteme, Wohnungsbedarf und Bevölkerungsentwicklung.
Frankreich reißt seit Jahren die Brüsseler Drei-Prozent-Grenze für das Haushaltsdefizit – auch wenn das Minus dank der Niedrigzinsen zuletzt mit 3,5 Prozent etwas kleiner ausfiel als erwartet. Die Frist für das Erreichen der Zielmarke wurde mehrfach verschoben. Der deutsche Staat dagegen nimmt derzeit mehr Geld ein, als er ausgibt.
Frankreich steht unter dem Eindruck einer blutigen Terrorserie, die mit den Pariser Anschlägen vom November einen Höhepunkt fand. Die Debatte um Sicherheit ist deshalb zentral, das Land verunsichert. Auch in Deutschland ist Terrorismus nach den Anschlägen von Paris und Brüssel Thema; das Land blieb aber bislang von Anschlägen verschont.
Es ist das bisher heißeste Spiel der EM, fast wie ein vorgezogenes Finale. In Frankreich wird seit Tagen über nichts anderes geredet. Alle anderen Themen von Arbeitsrechtsreform bis zu Terrorismus sind in den Hintergrund gedrängt worden. Es ist die Revanche für das verlorene Spiel bei der WM in Brasilien vor zwei Jahren. Rachedurst lässt sich überall bei Gesprächen mit Franzosen heraushören. Auf die Deutschen sind sie nicht gut zu sprechen. Die seien nicht besonders toll, aber gewinnen trotzdem immer. Niemand kann sich richtig erklären, warum. Muss wohl die deutsche Mentalität sein, ist hier in Frankreich öfter zu hören.
Gruppe C: Deutschland
580 Millionen Euro.
Quelle: transfermarkt.de
Thomas Müller (26, Sturm FC Bayern München): 75 Millionen Euro.
Toni Kroos (26, Mittelfeld, Real Madrid): 50 Millionen Euro.
Mesut Özil (27, Mittelfeld, FC Arsenal): 50 Millionen Euro.
4. Platz
Weltmeister 1954, 1974, 1990, 2016
Europameister 1972, 1980, 1996
Auch die Sportzeitung „L´Equipe“ hat diesen „Rachedurst“ der französischen Fußballelf gegen die Deutschen ausgemacht und forderte auf der Titelseite endlich die Revanche. „Seit zwei Jahren spukt diese Niederlage, die alle Träume zerstörte, in den Köpfen der Spieler herum“, heißt es. Die Franzosen sind der Überzeugung, dass es diesmal klappen könnte. Denn die französische Mannschaft ist viel stärker geworden. Damals weinte Antoine Griezmann, heute ist der schmächtige Stürmer ein Weltstar. Seine Tränen von damals sind großes Thema in Frankreich. Die Franzosen hoffen darauf, dass es diesmal Freudentränen werden. Es bleibt aber die Angst vor Manuel Neuer, die viele der Franzosen haben. Er gilt hier in Frankreich als einer der besten Torwarte der Welt.
Gruppe A: Frankreich
487 Millionen Euro.
Quelle: transfermarkt.de
Antoine Griezmann (25, Sturm, Atlético Madrid): 70 Millionen Euro.
Paul Pogba (23, Mittelfeld, Juventus Turin): 70 Millionen Euro.
Anthony Martial (20, Sturm, Manchester United): 32 Millionen Euro.
Trotzdem ist in Frankreich Selbstbewusstsein angesagt. Die „Grande Nation“, wie Frankreich gern in Deutschland genannt wird, will sich beweisen. „Jetzt glauben wir daran. Wir haben keine Angst vor Deutschland“, titelte die Tageszeitung „Le Parisien“. Und L´Equipe hatte Antoine Griezmann auf der Titelseite und schrieb: „Sie haben Angst vor ihm.“ Das Nachrichtenmagazin „Le Point“ glaubt sogar, dass die Deutschen Angst vor den Franzosen allgemein haben. Von einem Fluch gegen Deutschland wollen die Franzosen nichts wissen, auch wenn die deutsche Bilanz überwältigend ist. Das sei Vergangenheit, meint Lloris. Die Motivation ist in Frankreich enorm hoch, merkt man überall. Seit 1998 hält sich Frankreich für eine große Fußballnation und will das mal wieder unter Beweis stellen.