Friedensnobelpreisträger: Liu Xiaobo nach kurzer Zeremonie eingeäschert
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FriedensnobelpreisträgerLiu Xiaobo nach kurzer Zeremonie eingeäschert
In einer „simplen Zeremonie“ verabschieden sich seine Witwe und Freunde von Liu Xiaobo. Sein Leben lang hatte er sich für Menschenrechte und Toleranz in China eingesetzt. Die Regierung zeigte sich bis zum Schluss unerbittlich.
Kritik an Menschenrechten wird von der chinesischen Regierung generell als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ abgetan.
(Foto: AP)
Peking/Shenyang Der verstorbene Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist chinesischen Staatsmedien zufolge nach einer „simplen Zeremonie“ im Beisein seiner Witwe und Freunde eingeäschert worden. Die Feuerbestattung fand demnach am Samstag in der nordchinesischen Stadt Shenyang statt. Sie liegt im Nordosten Chinas, wo er zuletzt behandelt worden war.
Liu galt als der bekannteste politische Gefangene des Landes. Der 61 Jahre alte Bürgerrechtler war 2009 wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Ein Jahr später erhielt er den Friedensnobelpreis, sehr zum Ärger der chinesischen Regierung. Am Donnerstag starb er nach einem schweren Krebsleiden in einem Krankenhaus.
Sein Leben lang hatte sich der Bürgerrechtler friedlich für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz in China eingesetzt. Während der Autor die vergangenen Jahre im Gefängnis verbrachte, stand seine Frau Liu Xia in Peking unter Hausarrest. Die Bundesregierung und andere westliche Staaten sowie Menschenrechtsaktivisten fordern von Peking, Lius Witwe nach dessen Tod nun ohne Auflagen ausreisen zu lassen.
Liu Xiaobo ist tot
Die Härte, mit der die Behörden gegen Liu und seine Familie vorgegangen sind, ist für Beobachter der jüngste Beweis, dass Chinas Regierung immer kompromissloser mit ihren Gegnern umgeht. „Im Bereich der zivilen und bürgerlichen Menschenrechte hat sich die Lage in China seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping kontinuierlich und drastisch verschlechtert“, sagte Kristin Shi-Kupfer vom China-Institut Merics in Berlin.
„Insbesondere Anwälte und Bürgerrechtsaktivisten, die sich für politische Interessen anderer Bürger einsetzen, werden systematisch unterdrückt“. Auch auf Journalisten, Blogger und Professoren habe der Druck enorm zugenommen.
Wo sich Deutschland und China einig sind – und wo nicht
Beim Besuch von Chinas Ministerpräsidenten Li Keqiang in Deutschland dürfte es um die wirtschaftlichen Beziehungen, Außenpolitik und auch das Weltklima gehen. Bei manchen Themen herrscht Einigkeit – anderswo gibt es Gesprächsbedarf.
Als Reaktion auf die Abschottung der USA unter Präsident Donald Trump hat China zuletzt betont, Freihandel und Globalisierung fördern zu wollen. Europäische Unternehmen klagen jedoch noch immer über unfairen Wettbewerb in China.
Nach bisherigen Plänen will China kommendes Jahr eine Produktionsquote für Elektroautos einführen, die deutsche Autobauer treffen würde. Laut Berlin ist eine Einigung über eine Verschiebung der Quote zwar in Sicht, über Details wird aber noch gesprochen.
Nach einer Verfolgungswelle sitzen in China zahlreiche Anwälte in Haft. Zwar sprechen deutsche Politiker bei ihren China-Besuchen die Menschenrechtsprobleme immer wieder an. Die chinesische Seite geht in der Regel auf diese Kritik aber kaum ein.
Deutschland und China wollen beide den internationalen Klimaschutz vorantreiben. Gemeinsam haben sie die USA davor gewarnt, das 2015 beschlossene Klimaabkommen von Paris aufzukündigen. China, derzeit noch der weltweit größte Klimasünder, will die CO2-Emissionen im eigenen Land schnell reduzieren.
Die Arbeitsbedingungen parteinaher, deutscher Stiftungen haben sich in China zuletzt deutlich verschlechtert. Ursache ist ein neues Gesetz, mit dem unliebsame Aktivitäten ausländischer NGOs unterbunden werden sollen. Dank einer Ausnahmeregelung dürfen die deutschen Stiftungen zwar weitermachen – ihre Arbeitsbedingungen haben sich jedoch verschlechtert.
Erst vergangene Woche berichtete die Menschenrechtsgruppe Amnesty International, dass der Aktivist Liu Shaoming zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Sein „Verbrechen“: Er hatte im Internet über seine Erinnerungen an das Massaker am Pekinger Tian'anmen-Platz geschrieben, was laut Gericht „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht“ sei.
Wenige Stunden nach Lius Beisetzung wurde bekannt, dass einer der bekanntesten chinesischen Menschenrechtler nach Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe das Gefängnis verlassen hat. Xu Zhiyong gründete die Neue Bürgerbewegung setzte sich für die Rechte Benachteiligter wie Wanderarbeiter ohne Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem ein. Er hoffe, dass sein Mandant nun als freier Mann leben könne und nicht unter Hausarrest gestellt werde, erklärte Xus Anwalt. Der Aktivist sei nach der Freilassung in guter körperlicher Verfassung. Auch seine Verurteilung war auf internationale Kritik gestoßen.
Pressestimmen zum Umgang mit China
Es ist eine moralische Unwürdigkeit, und es ist ein politischer Fehler. Der (chinesische) Präsident Xi mag eine aufsteigende Wirtschaftsmacht repräsentieren, er mag an der Klimafront an Seite der Europäer stehen, er mag in den Handelsverhandlungen großes Gewicht haben - er kann all das tun und dabei das Leben seiner Mitbürger respektieren, die es wagen für die Freiheit zu kämpfen. Es sollte die Pflicht des Westens sein, ihn daran zu erinnern.
Wer gut zugehört hat, muss bemerkt haben, wie zurückhaltend westliche Länder mit ihrer Kritik am Umgang mit Liu Xiaobo und anderen chinesischen Dissidenten waren, die wegen ihrer Meinungen im Gefängnis sitzen. Die Menschenrechte scheinen seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump aus der Außenpolitik der Vereinigten Staaten komplett verschwunden zu sein. Aber aus Angst, den Handelsbeziehungen mit dem mächtigen China zu schaden, greifen auch die europäischen Länder dieses sensible Thema nur zögerlich auf. Diese ängstliche Haltung steht im krassen Gegensatz zu dem Mut von Liu Xiaobo, der sich dem chinesischen Regime allein mit seinen Ideen entgegenstellte.
Die Lehre aus dem Fall Liu Xiaobo für Deutschland und andere ist, dass nichts gegen intensive Beziehungen zu China spricht. Nichts spricht auch dagegen, politische und/oder wirtschaftliche Gemeinsamkeiten mit Peking zu suchen. Etwas erreichen im Umgang mit dieser chinesischen Regierung kann aber nur derjenige, der sich nicht in vorauseilendem Gehorsam übt. Wenn Kritik freundlich, aber bestimmt vorgebracht wird, sollte man nicht ausschließen, dass sogar eine chinesische Regierung irgendwann zu der Überzeugung kommt, dass sie mit ihrer Konfrontationspolitik letztlich den eigenen Interessen mehr schadet als nützt. Solange das nicht so ist, sollte der Westen die amtliche Empörung aus Peking souverän ignorieren.
Der Fall des auf so unwürdige Weise verstorbenen Friedensnobelpreisträgers und Menschenrechtlers Liu Xiaobo wird nun zu einem echten Prüfstein für die deutsch-chinesischen Beziehungen. Noch so gute Worte haben Peking nicht dazu bewegen können, Erbarmen zu zeigen gegenüber den Leiden eines schwer krebskranken Mannes - keine Ausreise, keine Behandlung durch deutsche Mediziner. Das ist erbärmlich. ... Das einsame Sterben des Liu Xiaobo zeigt sehr deutlich, dass das China zwar ein Partner sein kann, aber niemals ein Verbündeter. Die Bundesregierung sollte alle Hebel in Bewegung setzen, zumindest Freiheit für Lius Frau durchzusetzen. Das wäre ein letzter Dienst an einen vorbildlichen Mann.
Gerade Deutschland kommt in der Auseinandersetzung mit China um die Freiheit von Liu Xia eine entscheidende Rolle zu. Angela Merkel ist die einflussreichste Politikerin der westlichen Welt. Sie weiß Dank ihrer DDR-Biografie wie kaum ein anderer aus eigener Erfahrung um die Bedeutung der Meinungs- und Reisefreiheit. Ein weiterer Grund sind die beklemmenden Parallelen seines Schicksals zu dem von Carl von Ossietzky. Der deutsche Pazifist und Literat erhielt 1936 ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis. Die Nazis ließen ihn wie die Pekings Führung Liu Xiaobo nicht zur Preisverleihung nach Oslo reisen. Und wie sein chinesischer Schicksalsgenosse wurde Carl von Ossietzky nur zum Sterben aus der Haft entlassen.
„Kräfte im Ausland“ hätten Liu Xiaobos Krankheit dafür missbraucht, „ihr Image zu stärken und China zu dämonisieren“, hieß es in einem Leitartikel.
Beobachter klagen über eine lange Liste von Menschensrechts-Verstößen in China: Gerade jährt sich zum zweiten Mal die Festnahme von rund 300 Rechtsanwälten und Menschenrechtsverteidigern, von denen sich immer noch einige in Haft befinden. Minderheiten wie Tibeter und Uiguren fühlen sich in Teilen von Peking unterdrückt. Auch die massive Zahl an Todesurteilen sorgt für Empörung. Die Zahl der Hinrichtungen ist zwar stark zurückgegangen. Trotzdem werden in China mehr Menschen exekutiert als im Rest der Welt zusammen.
Pekings Linie aber bleibt deutlich. Kritik an Menschenrechten wird generell als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ abgetan. „Wir sprechen diese Themen bei Besuchen zwar immer wieder an. Es gibt aber praktisch keine Reaktion mehr darauf. Das wird einfach vom Tisch gewischt“, erzählt ein europäischer Diplomat.
Wie es für Liu Xia weiter geht, hänge laut Kristin Shi-Kupfer vom Merics-Institut davon ab, mit welcher Geschlossenheit und auch Entschlossenheit sich die internationale Gemeinschaft für die Witwe einsetzt. Offenbar sei der Druck ausländischer Regierungen bislang nicht hochrangig oder nachhaltig genug gewesen, als dass es Peking dazu bewegen konnte, auf die Forderungen einzugehen.
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