G20-Gipfel Zwischen den USA und China herrscht Waffenstillstand im Handelskrieg – aber kein Frieden

Zumindest für den Fotografen machten die G20-Teilnehmer gute Miene.
Osaka, Peking, Washington, Düsseldorf Die Gäste des G20-Gipfels waren schon abgereist, da hatte der Gastgeber, Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, endlich seinen Auftritt. Im blauen Anzug trat er ans Podium, in den Händen den Lohn monatelanger Vorarbeit: die Abschlusserklärung der G20, der Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer der Welt. Er habe auf eine Win-win-Lösung für alle abgezielt, so Abe. „Und viele Länder haben den Ansatz gutgeheißen, hartnäckig gemeinsame Punkte aufzugreifen“, sagte er.
Man sollte Abe nicht verübeln, dass er die Geschichte schönredet, die hinter dem Kommuniqué steht. Lange sah es so aus, dass die G20-Regierungschefs womöglich erstmals ohne gemeinsames Dokument nach Hause reisen würden. Bundeskanzlerin Angela Merkel war denn auch sichtlich erleichtert, als sie Samstagmittag vor die Presse im Konferenzzentrum im japanischen Osaka trat. „Bis zur letzten Minute“ habe man die Themen Klima, Handel, Migration und Stahl verhandelt. Doch auch dann blieben die Ergebnisse meist hinter den Erwartungen zurück.
Beim Klima konnte man sich gerade noch darauf verständigen, die Formulierungen aus der Abschlusserklärung von Buenos Aires aus dem Jahr 2018 zu wiederholen. Bis zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump versucht, jede Erklärung zum Klima zu verhindern. Am Ende einigte man sich auf eine 19:1-Lösung: 19 Regierungschefs bekannten sich zum Pariser Klimaschutzabkommen. Trump unterzeichnete den Klimateil der Erklärung nicht und formulierte eigene Sätze zu dem Thema.
Zwei große Randereignisse zumindest verschafftem dem Gipfel ein wenig Glanz: der Abschluss eines Handelsabkommens der EU mit den Mercosur-Staaten in Südamerika; und vor allem der Waffenstillstand im Handelskonflikt zwischen den USA und China, auf den sich Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping bei einem Zweiertreffen in Osaka verständigten. In Osaka hatte Trump extra einen großen Saal im Imperial Hotel angemietet, um die Einigung mit Xi gebührend zu würdigen. Dabei ist das Risiko groß, dass die beiden nicht mehr als eine kurze Verschnaufpause im Handelskrieg ausgehandelt haben.
Eine gesamte Wand hatte Trumps Team mit blauen und weißen Tüchern drapiert, die von unten mit rotem Scheinwerferlicht in eine abstrakte Form der amerikanischen Flagge verwandelt wurde. Am Podium wurde der Wappenadler des Präsidenten angebracht, dahinter die Fahnen zurechtgezupft. Dann trat Trump auf, bestens gelaunt.
Wiederaufnahme der Handelsgespräche
Erst erwähnt er seine Twitter-Einladung an Nordkoreas Führer Kim Jong Un für den nächsten Tag. Dann kommt er zum Thema, das die Welt interessiert, den Handelskrieg mit China. „Wir hatten ein großartiges Treffen“, sagt Trump über sein Gespräch mit Xi. „Wir werden weiterhin Verhandlungen führen.“ Doch wie so oft bei Trumps Auftritten bleiben die Details vage. Nach bisherigen Informationen vereinbarten beide, ihre Handelsgespräche wieder aufzunehmen und so lange angedrohte Zollerhöhungen auszusetzen.
Allerdings verlangte der US-Präsident Konzessionen von China. „Sie werden selbst während der Verhandlungen Geld für unsere Bauern ausgeben“, sagte er. Die USA würden China eine Liste mit Agrarprodukten geben, die China kaufen könne. „Ich denke, dass unsere Bauern die großen Nutznießer sein werden“, sagte Trump. Zig Milliarden Dollar würden ins Land strömen.
Im Gegenzug werde er die Blockade des chinesischen Telekommunikationskonzerns Huawei lockern. Im Mai hatte Trump Huawei mit der Begründung der nationalen Sicherheit auf eine schwarze Liste gesetzt. Chinas globaler Vorzeigekonzern wäre so von amerikanischen Kunden und vor allem Technikzulieferern und Googles Handybetriebssystem Android abgeschnitten worden. Denn US-Unternehmen sind seither ohne spezielle Genehmigung amerikanischer Behörden Geschäfte mit Huawei untersagt.
Trump blieb zwar vage, was mit der Einstufung geschehen solle. Endgültig will der dies erst am Ende der Handelsgespräche diskutierten, sagte er. Aber er kündigte zumindest an: „Wir werden weiter Produkte an Huawei verkaufen.“ Offenbar hat der Druck vieler US-Firmen gewirkt: Die Entscheidung sei ihm „sehr leicht“ gefallen, sagte Trump. US-Unternehmen drohten herbe Verluste durch die Huawei-Blockade. 2018 gab Huawei 70 Milliarden Dollar für den Erwerb von Komponenten und Geräten aus. Elf Milliarden davon strichen US-Unternehmen wie Qualcomm, Intel und Micron ein.
Allein der Beginn neuer Gespräche löste am Wochenende große Erleichterung aus. US-Branchenvertreter begrüßten die Wiederbelebung der Verhandlungen. Der Verband der Einzelhändler sprach von einem „guten Zeichen“ für Anbieter und Kunden. „Wir kommen dem Ziel eines Handelsabkommens näher“, teilte der Verband des produzierenden Gewerbes mit. Trumps Zugeständnisse an Huawei stießen im Silicon Valley auf Zustimmung. Der Verband der Halbleiterindustrie erklärte, man sei von den Gesprächen „ermutigt“.
Auch der Vizepräsident des US-China Business Councils, Jacob Parker, begrüßte die Wiederaufnahme der Gespräche. „Eine Vereinbarung wird nicht nur ausländischen Unternehmen, die in China Geschäfte machen, zugutekommen, sondern auch Chinas Wirtschaft“, schrieb er in einer Mitteilung. Die Finanzmärkte, so die Erwartung, dürften die Entspannung im Handelskrieg auf ihre Weise belohnen – mit steigenden Kursen.
Denn zumindest die befürchtete Eskalation im Handelskrieg bleibt somit vorerst aus. Seit mehr als einem Jahr beharken sich die USA und China mit Strafzöllen. Zuletzt hatte Trump angedroht, neue Einfuhrzölle für weitere Warengruppen aus China im Wert von mehr als 300 Milliarden Dollar zu erheben, wenn es keine Fortschritte in den Verhandlungen gäbe. Auch Smartphones und Kleidung wären dann vom 25-prozentigen Zoll getroffen worden. China hatte Gegenmaßnahmen angedroht.
Zu früh für Optimismus
Experten hatten daher befürchtet, dass eine solche Eskalation des Handelskriegs die schwächelnde Weltwirtschaft zusätzlich bremsen könnte. Nicht einmal erste Signale der Entspannung hatten diese Sorgen vertreiben können. Trump und Xi haben nun Hoffnung auf ein glimpfliches Ende des Konflikts geweckt.
Für eine Entwarnung ist es zu früh
Jedoch: Mehr als eine Hoffnung ist die Wiederannäherung bisher nicht. Chinas Staatsratsmitglied und Top-Diplomat Wang Yi nannte das Treffen zwischen Trump und Xi ein „positives Signal“. Peking sei zuversichtlich, dass sich die Probleme lösen lassen, solange man „auf der Basis von gegenseitigem Respekt“ agiere, teilte er am Samstag in einem offiziellen Statement mit. Jubel sieht anders aus.
Die staatliche Zeitung „China Daily“ warnte sogar vor Optimismus. „Vieles ist noch ungewiss“, hieß es in einem Kommentar. „Eine 90-prozentige Einigung bei den Themen hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Und bei den verbleibenden zehn Prozent, bei denen grundlegende Unterschiede bestehen, wird es nicht einfach sein, einen 100-prozentigen Konsens zu erzielen.“
Die US-Handelskammer, die größte Lobbyorganisation der Industrie, sah es ähnlich und warnte Trump vor einem Schnellschuss. China müsse zu fairen Wettbewerbsbedingungen, Marktöffnung und dem Schutz geistigen Eigentums verpflichtet werden. Erst dann „sollte die US-Regierung die Zölle aufheben, die unseren Herstellern, Landwirten und Verbrauchern schaden.“
Die größte Gefahr droht Trump allerdings aus den eigenen Reihen. Denn seine Kehrtwende sorgt nun unter China-Falken im US-Kongress für Empörung. Der republikanische Senator Marco Rubio drohte Trump mit einer Gesetzesinitiative, um den Huawei-Bann zu reinstallieren. „Und sie wird mit einer großen, Veto-sicheren Mehrheit angenommen werden“, sagte er über Twitter voraus. Die Unterstützung von Teilen der Demokraten gilt als sicher. Zugeständnisse für Huawei „beschneiden dramatisch unsere Fähigkeit, Chinas unfaire Handelspraktiken zu ändern“, sagte Charles Schumer, Demokraten-Chef im US-Senat.
Auch der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, glaubt nicht an eine Wende im amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt. „Die Wiederaufnahme der Handelsgespräche zwischen China und den USA ist ein Waffenstillstand, aber noch kein Frieden“, sagte Fuest dem Handelsblatt. „Es spricht viel dafür, dass die USA in China eine Konkurrenz für ihre geopolitische Vormachtstellung sehen und deshalb den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas hemmen wollen“, so Fuest. Er rechne deshalb „mit einer Fortsetzung des Handelskonflikts“.
Mehr: Xi Jinping geht einen großen Schritt auf ausländische Investoren zu. Der chinesische Staatschef will die Marktöffnung in seinem Land spürbar vorantreiben.
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Sehr geehrte Damen und Herren Redakteure,
für mein Empfinden tun sie sich schwer, die Geschehnisse zutreffend zu beschreiben. Das liegt an den verwendeten Vokabeln, an "Handelskrieg", "Waffenstillstand" und "Frieden". Vielleicht sollten wir nach anderen Begriffen suchen.
In die Geschichtsbücher eingegangen ist der Begriff "Kalter Krieg" Er beschreibt die Zeit vom Ende des zweiten Weltkrieges bis zum Zerfall der UDSSR 1990. Damals rangen die USA und ihre Verbündeten und die Sowjetuion mit ihren Bruderstaaten des Warschauer Paktes um die Vorherrschaft auf unserem Planeten.
D ieses Ringen um die Macht erfolgte auf allen nur vorstellbaren Ebenen. Zunächst einmal politisch/ideologisch ("Freiheit statt Sozialismus"). Natürlich auch militärisch (Wettrüsten und Einkreisung des Gegners durch Stützpunkte). Und natürlich auch durch einen wirtschaftlichen Wettlauf.
Heute heißt der Gegner im Kampf um die geopolitische Vorherrschaft China. Aber dieser Kampf wird wiederum nicht allein mit Zöllen, sondern auf allen Ebenen geführt. Und auch nicht alleine von Herrn Trump. In einem demokratischen Staatswesen wollen stets alle mitreden und mitbestimmen.
Ein letztes Wort. Dass ein "Kalter Krieg" durch ein Friedensabkommen beendet werden könnte, halte ich für eine abwegige Vorstellung. Denn es ist ja nicht so, als würde der Feind einfach von der Landkarte verschwinden. Er bleibt erhalten und er bleibt auch Rivale.
Aber schaffbar ist vielleicht, dass wir ihm künftig ohne Haß und ohne Vernichtungswille begegnen. Dass wir zukünftig bereit, unseren üblichen Willen zur guten Nachbarschaft, zur Verständigung und zu Kompromissen aufzubringen.