G7-Gipfel Biden drängt führende Industrienationen zu Anti-China-Allianz

Der US-Präsident will die G7-Staaten auf einen gemeinsamen Kurs gegenüber China einschwören.
Carbis Bay Joe Biden bringe „frischen Wind“, lobte Boris Johnson dieser Tage auf dem G7-Gipfel. In einer Hinsicht jedoch macht der US-Präsident da weiter, wo sein Vorgänger Donald Trump aufgehört hatte. Am Samstag schwor Biden die G7-Partner im englischen Küstenort Carbis Bay auf einen schärferen Kurs gegenüber China ein.
Laut der entsprechenden Passage in der Gipfelerklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, wollen die G7 unfaire Handelspraktiken und Menschenrechtsverletzungen anprangern. Es ist das erste Mal, dass die Kritik an China in einem Abschlusskommuniqué so deutlich formuliert wird.
Laut Textentwurf wollen sich die G7 im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft „über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben“.
Auch wolle man „unsere gemeinsamen Werte fördern“. Dazu gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten zu achten, „besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in den gemeinsamen Erklärungen zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist“.
G7 beschließen Alternative zur Neuen Seidenstraße
Auch wollen die sieben führenden Industriestaaten eine globale Infrastrukturpartnerschaft mit Schwellen- und Entwicklungsländern vereinbaren – als Gegenentwurf zu Chinas Neuer Seidenstraße. Das Handelsblatt hatte vor dem Gipfel über eine entsprechende Vorlage berichtet.
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Der Plan „Build back better for the world“ soll Entwicklungsländern den Zugang zur Finanzierung für große Bauvorhaben erleichtern. Man wolle „alternative Optionen“ bieten, nachhaltiges Wachstum zu schaffen, sagte ein britischer Regierungssprecher am Samstag.
Es gehe nicht darum, gegen jemanden zu sein, erklärte Kanzlerin Angela Merkel. Es sei vielmehr der Versuch der G7, eine positive Agenda für einen großen Teil der Welt zu setzen. Der Infrastrukturbedarf in Afrika sei groß. Man werde eine gemeinsame Taskforce gründen.
China hat seit der Ankündigung der Neuen Seidenstraße im Jahr 2013 Kooperationsverträge mit hundert Ländern in Asien, Europa und Afrika unterzeichnet. Dabei sollen Billionen Dollar in Infrastrukturprojekte wie Bahnlinien, Straßen und Häfen fließen. Die G7 wollen nun mit grünen Projekten wie Windparks und Bahnstrecken kontern.
G7-Gipfel: Keine konkreten Zahlen in Abschlusserklärung
Im Gipfel-Kommuniqué werden jedoch keine konkreten Zahlen oder Ziele stehen. Stattdessen wird es nur eine allgemeine Absichtserklärung geben. „So weit, dass wir schon Finanzzusagen geben könnten, sind wir noch nicht“, sagte Merkel. „Wir haben jetzt erst mal den Arbeitsauftrag gegeben.“
Der britische Regierungssprecher bemerkte, die G7-Staaten hätten bereits „substanzielle Summen“ in nachhaltige Projekte investiert. Es gehe darum, diese Arbeit sichtbarer zu machen und besser aufeinander abzustimmen. Die EU etwa verfolgt bereits die Konnektivitätsstrategie als Reaktion auf die Neue Seidenstraße.
In einem Vorbereitungspapier für den Gipfel war der zusätzliche Finanzierungsbedarf auf 1,5 bis 2,7 Billionen Dollar geschätzt worden, damit die Schwellen- und Entwicklungsländer die Uno-Nachhaltigkeitsziele erreichen können. „Es gibt einen enormen Bedarf an Infrastruktur in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, der durch die Covid-19-Pandemie noch verschärft wurde“, hatten die Autoren geschrieben.
„Vereint in der Vision für eine sauberere, grünere Welt“
Johnson sagte zum Gipfelauftakt, die Pandemie habe die Ungleichheit zwischen den Ländern verschärft. Nun wolle man sicherstellen, dass der Aufschwung alle erreiche. Man sei „vereint in der Vision für eine sauberere, grünere Welt“.
Der Premier hatte allerdings vor wenigen Monaten erst verkündet, die britische Entwicklungshilfe von 0,7 auf 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu kürzen. Aus London sind also künftig eher weniger Hilfsgelder zu erwarten. Hilfsorganisationen kritisierten die Initiative daher als leeres Versprechen.
Der Umgang mit China dominierte die außenpolitischen Diskussionen des zweiten Gipfeltages. Als zusätzliche Gäste hatte Johnson die Regierungschefs von Indien, Australien, Südkorea und Südafrika eingeladen. Mit der Versammlung der Demokratien, darunter drei Länder aus Chinas Nachbarschaft, sollte ein Signal an das autoritäre Regime in Peking gesendet werden.

Bei den Beratungen der Staats- und Regierungschefs der G7-Länder stand an diesem Nachmittag die Haltung gegenüber China im Fokus.
Merkel hatte zu Gipfelbeginn ihre Unterstützung zugesagt, auch wenn die Europäer es sich mit der Wirtschaftsmacht nicht verscherzen wollen. Man werde „ein starkes Wort für den Multilateralismus sagen, und auch für den wertebasierten Multilateralismus“, sagte Merkel. Dies werde „natürlich auch zu einer Auseinandersetzung mit Russland, aber auch in einigen Aspekten mit China führen“.
Zugleich betonte die Kanzlerin, man brauche „alle in der Welt“. Man wolle zusammenarbeiten, gerade in dem Bereich des Klimaschutzes und der Biodiversität. „Da werden wir niemals Lösungen ohne China erreichen.“
Brexit überschattet Botschaft der Geschlossenheit
Die Botschaft der Geschlossenheit, die von dem Gipfel ausgehen soll, wurde am Samstag allerdings erneut durch den Brexit überschattet. Am Morgen traf Johnson sich jeweils zu Einzelgesprächen mit Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie mit dem EU-Duo Ursula von der Leyen und Charles Michel. In allen drei Gesprächen ging es darum, wie der Streit um das Nordirlandprotokoll beigelegt werden kann. Fortschritte gab es nicht, beide Seiten beharrten auf ihren Positionen.
Am schärfsten formulierte es Macron. Er wolle die Beziehung zu Großbritannien vertiefen, sagte der französische Präsident. Voraussetzung sei aber, dass Großbritannien das Nordirlandprotokoll im EU-Ausstiegsvertrag respektiere. Die britische Regierung will die Übergangsperiode für Lebensmittel, die Ende Juni ausläuft, einseitig verlängern. Die EU hingegen pocht darauf, wie vereinbart ab Juli zusätzliche Kontrollen einzuführen.

Charles Michel und Ursula von der Leyen wollen Boris Johnson (Mitte) zur Einhaltung des Brexit-Deals drängen.
Am Donnerstag hatte auch schon US-Präsident Joe Biden den Druck auf Johnson erhöht, doch zeigt sich der Premier unbeeindruckt. Er fordert, dass die EU an der neuen Zollgrenze zwischen Großbritannien und Nordirland weniger strikt kontrollieren sollte. Die Menschen und Unternehmen in Nordirland litten unter den Einschränkungen des Nordirlandprotokolls, sagte sein Sprecher. Deshalb müsse man eine pragmatische Lösung finden.
Merkel schien kompromissbereit. Am Prinzip der Grenzkontrollen werde man festhalten, sagte sie. Wenn es aber um „praktische Realisierungsfragen“ gehe, „sollte man sehen, was man besser machen kann“.
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