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Gasversorgung Deutsche Gasspeicher voller als befürchtet – Putins Lieferzusage entspannt die Energiekrise dennoch nicht

Russland will bald mehr Erdgas nach Europa liefern. Damit hat Putin ein Zeichen der Entspannung ausgesandt – doch sein Erpressungspotenzial bleibt groß.
28.10.2021 - 15:29 Uhr 6 Kommentare
Wie viel Gas soll durch die Pipelines strömen? Eine der brisantesten Fragen derzeit in Europa- Quelle: dpa
Erdgasleitungen

Wie viel Gas soll durch die Pipelines strömen? Eine der brisantesten Fragen derzeit in Europa-

(Foto: dpa)

Berlin, Brüssel Es ist ein erstes Zeichen der Entspannung, doch die europäische Energiekrise ist noch nicht gelöst: Man könne Russlands Ankündigung, mehr Erdgas nach Europa zu liefern, „noch nicht als fundamentale Trendwende oder Besserung der Lage sehen, die Volatilität bleibt hoch“, sagte Jörg Selbach-Röntgen, Chef des Gashändlers MET Germany, dem Handelsblatt.

Es bleibe abzuwarten, wie massiv die zusätzlichen Kapazitätsbuchungen ausfielen. „Eine schnelle Inbetriebnahme von Nord Stream 2 hätte ein gänzlich anderes Gewicht“, sagte Selbach-Röntgen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch die Befüllung europäischer Gasspeicher angeordnet. Voraussetzung sei, dass zunächst Russlands eigene Speicher aufgefüllt würden, sagte Putin. Danach sollten die Level in den Gasspeichern in Österreich und Deutschland erhöht werden.

Dies dürfte die Lage auf den europäischen Energiemärkten entspannen, prophezeite der russische Präsident. Bei einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung erklärte Gazprom-Chef Alexej Miller, die heimischen Speicher dürften bis zum 8. November vollständig gefüllt sein.

Gregor Pett, Leiter Marktanalyse bei Uniper, dem größten Erdgasimporteur Deutschlands, verweist darauf, dass die russische Seite bereits mehrfach signalisiert habe, sie werde das Problem der niedrigen Speicherstände in Russland ab Anfang November gelöst haben.

„Das könnte bis zu einem gewissen Grad zur Entspannung der Lage beitragen“, sagte Pett dem Handelsblatt. „Allerdings muss man berücksichtigen, dass Gazprom großen Wert darauf legen dürfte, eigene Kunden in Russland zu versorgen, ehe man zusätzliches Gas auf den europäischen Markt wirft“, ergänzte er.

Nach Petts Überzeugung bleibt die Lage wegen der hohen Nachfrage schwierig. „Gazprom liefert in diesem Jahr mehr Erdgas an die Türkei als in den Vorjahren“, sagte er. Zudem versorge Russland auch China über die relativ neue Leitung „Power of Siberia“. „Die Chinesen zahlen hohe Preise, weil sie alles daransetzen, die Versorgung ihrer Wirtschaft sicherzustellen“, sagte er.

Deutsche Gasspeicher voller als befürchtet

Für Entspannung sorge, dass einige asiatische Länder vorsichtiger geworden seien. Sie kauften nicht mehr um jeden Preis. „Das nimmt Druck aus dem Markt“, sagte Pett. Hinzu komme, dass die Norweger Wartungsarbeiten abgeschlossen haben, dadurch erhöhe sich die Liefermenge aus Norwegen.

Zudem sei der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland „mittlerweile etwas höher als noch vor wenigen Wochen befürchtet“, sagte Pett. Nach Angaben des Gasspeicher-Verbandes INES beträgt der Füllstand der Speicher in Deutschland im Moment 71 Prozent. Drei dieser Speicher befinden sich ganz oder teilweise in russischem Eigentum.

Die Gaspreise waren zuletzt wegen niedriger Lagerbestände und einer wachsenden Nachfrage nach der Pandemie-Krise stark gestiegen. Kritiker warfen Russland vor, sein Gasangebot künstlich knapp zu halten, um den Druck für eine vorzeitige Inbetriebnahme der fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 2 zu erhöhen.

Der Ruf Russlands als verlässlicher Gaslieferant drohte angesichts der Energiekrise in Europa schweren Schaden zu nehmen – selbst in Deutschland, das die Energiepartnerschaft mit Moskau in den vergangenen Jahren vehement verteidigt hat.

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Die russische Führung ist für diese Entwicklung zum Teil selbst verantwortlich. Denn Kreml-Vertreter und Gazprom-Manager hatten in den vergangenen Monaten immer wieder angedeutet, dass eine Ausweitung der Lieferungen erst nach der Inbetriebnahme der neuen Ostseepipeline Nord Stream 2 möglich sei.

Auch Putin selbst hatte sich so geäußert: „Die erste Pipeline von Nord Stream 2 ist gefüllt, und wenn die deutsche Behörde morgen die Freigabe erteilt, werden übermorgen Lieferungen von 17,5 Milliarden Kubikmetern beginnen“, hatte der Kreml-Chef vor einer Woche gesagt.

Die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG hatte die Zertifizierung als „unabhängiger Transportnetzbetreiber“ Anfang September bei der Bundesnetzagentur beantragt. Die Regulierungsbehörde hat nun bis zum 8. Januar Zeit für eine Entscheidung.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte am Dienstag erklärt, es sei in einer Analyse für das Zertifizierungsverfahren der Bundesnetzagentur zu dem Ergebnis gekommen, „dass die Erteilung einer Zertifizierung die Sicherheit der Gasversorgung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union nicht gefährdet“. Gegner der Leitung wie die USA und die Ukraine argumentieren, dass Europa sich damit in eine große Abhängigkeit von Russland begebe.

Altmaier verspricht Versorgungssicherheit

Der scheidende Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht unterdessen kein Problem bei der Versorgung Deutschlands mit Erdgas. „Wir werden in diesem Winter Versorgungssicherheit haben“, sagte der CDU-Politiker. „Die Gasspeicher sind inzwischen wieder ordentlich gefüllt.“

Russlands Präsident will mehr Gas nach Deutschland und Österreich schicken – auch erstmal ohne Nord Stream 2. Quelle: via REUTERS
Wladimir Putin

Russlands Präsident will mehr Gas nach Deutschland und Österreich schicken – auch erstmal ohne Nord Stream 2.

(Foto: via REUTERS)

Der Rückgang der Gaslieferungen nach Europa sei nicht darauf zurückzuführen, dass Russland seinen Verpflichtungen nicht nachkomme. Vielmehr seien viele Gashändler bei den Bestellungen zögerlich gewesen, da sie auf bessere Preise gewartet hätten.

Nord-Stream-2-Kritiker bleiben trotz der jüngsten Zusage des russischen Präsidenten skeptisch. „Dass der Erpresser sagt, er wolle jetzt mal etwas zuvorkommender agieren, ändert nichts an der Gesamtkonstellation“, sagte Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer. „Wenn Putin es schafft, die Zertifizierung von Nord Stream 2 zu erzwingen, wird sein Hebel uns gegenüber noch mächtiger“, warnte er.

Ähnlich hatte sich zu Wochenbeginn Amos Hochstein, der Sonderbeauftragte für Energiesicherheit der US-Regierung, geäußert. Wenn Russland Gas für Lieferungen via Nord Stream 2 habe, könne es auch über die bestehenden Pipelines mehr exportieren, betonte Hochstein. Dies müsse Moskau nun veranlassen. Andernfalls falle es „schwer zu argumentieren“, dass Russland die Energieversorgung nicht als Waffe einsetze.

Diese Einschätzung hat direkte politische Folgen: Denn die Bundesregierung hatte den USA im Sommer zugesagt, neue Sanktionen zu verhängen, falls Russland die „Energie als Waffe“ verwende. Damit belastet der Streit um Nord Stream 2 auch die Koalitionsgespräche in Berlin. Die SPD hält nichts von Sanktionen und bleibt bei ihrer Unterstützung der Ostseepipeline.

Sollte Russland nun tatsächlich mehr Gas liefern, ohne die abschließende Zertifizierung der Nord Stream 2 AG als „unabhängiger Transportnetzbetreiber“ zur Bedingung zu machen, würde der Konflikt vorerst entschärft. Doch für eine Entwarnung ist es zu früh: „Die politische Situation ist besorgniserregend. Putin spielt mit dem Feuer, weil er immer stärker in eine asymmetrische Konfrontation hineingeht und Energiepreise als außenpolitisches Instrument betrachtet“, sagte Christian Ehler, Europaabgeordneter der CDU.

Damit setze der Kreml-Chef den Ruf als verlässlicher Lieferant aufs Spiel, den sich Russland im Kalten Krieg erworben habe. „Allerdings ist Putin ökonomisch nicht stark genug, um eine aggressive Energieaußenpolitik durchzuhalten“, gab Ehler zu bedenken. „Der russische Staatshaushalt ist in einem fragilen Zustand und auf die Erlöse aus dem Gasexport angewiesen.“

Mehr: Nord Stream 2 belastet die Ampelverhandlungen

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6 Kommentare zu "Gasversorgung: Deutsche Gasspeicher voller als befürchtet – Putins Lieferzusage entspannt die Energiekrise dennoch nicht"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Es ist einfach Schwachsinn, aus ideologischen Gründen aus der Atomtechnologie auszusteigen.
    Die beiden bekannten "Unfälle" in Fukushima und Tschernobyl waren kein Problem der Technologie an sich, sondern hatte menschliches Versagen (Tschernobyl) und falsche Standortwahl (zu nahe ans offene Meer gebaut) als wesentliche Begründung.
    Die Endlagerfrage ist ein politisches Problem und von Unfähigkeit geprägt.

    Selbst Greta und Bill Gates sind dafür. Wie unsere Kanzlerin aus Ängstlichkeit diesen einsamen Ausstiegs-beschluss hat treffen können und dieser von ihren Mitläufern auch noch mitgetragen wurde, ist mir schleierhaft.
    Von den Folgen haben noch Generationen was - super Angela, super Deutschland ...

  • @Herr Hans Schönenberg
    "Diese Abhängigkeit ist eindeutig hausgemacht!"
    Würde man pragmatisch die Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke weiter laufen lassen, bis die Erneuerbaren Energien hinreichend aufgebaut wären, dann wäre die Abhängigkeit deutlich geringer.
    Ja die Abhängigkeit ist hausgemacht - aus rein ideologischen Gründen!

  • Diese Abhängigkeit ist eindeutig hausgemacht! Wir haben uns von allen anderen Energiequellen abgeklemmt. Außer dem: Nordstream 2 wurde vor langer Zeit vereinbart/geplant und anschließend gebaut. Diese nicht zu zertifizieren, wäre eine Investitionsruine, nur weil die USA und verschiedene europäische "Partner" aus Eigeninteresse das wollen. Polen z.B. verwendet Kohle für 3/4 seines Energiebedarfs. Dort will man zwar irgendwann raus aus der Kohle - aber andere (Deutschland) sollen das bezahlen. Die Ukraine sollte/wird von uns (und anderen) unterstützt. Die paar Milliarden aus dem Gas - Transit können die Finanzprobleme der Ukraine nicht lösen; im Gegenteil: so lange wie man darauf angewiesen ist, ist man auf Wohlwollen von Gazprom und Putin angewiesen.

  • @Herr Arnd Stricker
    ABSOLUT FALSCH!
    Putin und Russland haben IMMER ihre Verpflichtungen erfüllt. Nur hat Europa sich entschieden KEINE LANGFRISTIGEN VERTRÄGE zu schließen, sondern am Spot Markt einzukaufen - und wegen der hohen Preise nicht gekauft und nicht die Lager gefüllt.
    Wir müssen uns an die eigene Nase packen.
    Putin handelt korrekt, vernünftig, pragmatisch.

  • Man stelle sich vor wir wären Abhängig von Flüssiggaslieferungena aus den USA. Dann könnten wir jetzt im Wald Holz sammeln gehen, den die USA liefern ihr Gas lieber nach Asien, weil sie dort höhere Preise bekommen. Europa hat das Nachsehen. Russland lieft seit vielen vielen Jahrzehnten zuverlässig Gas. Auf die USA ist nicht mal ein Winter verlass!

  • Das ist eine zweischneidiges Schwert. Putin hat damit gezeigt, dass er das Gas zu politischen Zwecken einsetzt. Das hat so offen nicht einmal die Sowjetunion gewagt, weil sie wusste, dass sie von den Exporten abgängig ist. Langfristig har Putin damit allen Konkurrenten in die Karten gespielt, weil er sich als unsicherer Kantonist erwiesen hat. Und da es aufgrund der ESG-Welle demnächst sehr viele geben wird, die noch ihren fossilen Reichtum los werden wollen, ist Russland beileibe kein Monopolist mehr, der mittelfristig nicht umgangen werden kann,

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