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Erdgasstreit

Die Einsätze türkischer Erkundungsschiffe im Mittelmeer sorgen für Unmut.

(Foto: dpa)

Geopolitik Die Türkei setzt auf Deutschland als letzten geopolitischen Partner

Die türkische Außenpolitik wird immer aggressiver. Jetzt schlägt Verteidigungsminister Akar versöhnliche Töne an und hofft auf Deutschland als Vermittler.
23.03.2021 - 14:10 Uhr 1 Kommentar

Istanbul Seit mehr als fünf Jahren bereitet das türkische Militär den Partnern in Europa Sorgen: Friktionen mit Griechenland im östlichen Mittelmeer, Drohungen, die Grenzen nach Europa für Flüchtlinge zu öffnen, Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit zu Hause.

Jüngst haben ein Antrag auf ein Verbot der oppositionellen Kurdenpartei HDP, der Austritt aus der Konvention gegen Gewalt an Frauen und die abrupte Demission des Notenbankchefs für neue Irritationen gesorgt. Die türkische Regierung jedoch stimmt versöhnliche Töne an. Im Interview des Handelsblatts setzt Verteidigungsminister Hulusi Akar dabei vor allem auf Berlin. „Deutschland ist einer unserer wichtigsten Alliierten in der europäischen Sicherheitsarchitektur“, sagt er.

Am Donnerstag werden die EU-Staats- und -Regierungschefs bei ihrem Treffen in Brüssel auch über die Türkei beraten. Die westlichen Partner suchen eine Linie gegenüber Ankara. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte den Verbotsantrag für die HDP und den Austritt aus der Frauenrechtskonvention scharf kritisiert. Andererseits zeichnet sich beim sicherheitspolitischen Konflikt im Mittelmeer eine leichte Entspannung ab – Athen und Ankara sprechen seit Januar dieses Jahres wieder miteinander. Und nicht zuletzt über die Migrationsfrage hat die Türkei ihren Einfluss auf Europa stark ausgebaut.

Deutschland habe die Rolle der Türkei als regionale Macht still akzeptiert, interpretiert Günter Seufert vom „Center for Applied Turkey Studies“ der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) seine Sicht der Dinge. Auch die USA hielten sich trotz des Kaufs eines russischen Waffensystems durch das türkische Militär mit Sanktionen zurück. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, auch die EU-Regierungschefs wollten am Donnerstag keine Sanktionen beschließen.

In der Türkei ist der vorsichtige Vermittlungskurs Berlins im Konflikt im östlichen Mittelmeer gut angekommen. Die Bundesregierung habe „sich positiv und konstruktiv“ in der Auseinandersetzung mit Griechenland und anderen Anrainern im östlichen Mittelmeer eingebracht, lobt Verteidigungsminister Akar im Interview ausdrücklich. Er freue sich über die Bemühungen Deutschlands, „insbesondere von Kanzlerin Merkel, eine Lösung für das östliche Mittelmeer zu finden“.

Druck aus den USA bringt Ankara näher an die EU

Frankreich hatte sich deutlich klarer auf die Seite Griechenlands gestellt, sogar eine Fregatte in das Konfliktgebiet geschickt. Griechenland und Zypern kritisieren, dass die Türkei ihre Seegrenzen zulasten der beiden EU-Mitglieder ausweiten will. Akar zeigt die Chancen einer Verständigung auf: „Es liegt im Interesse aller, das östliche Mittelmeer von einem Wettbewerbsfeld in ein Becken der Zusammenarbeit zu verwandeln.“

Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte im Februar angekündigt, die Beziehungen zur EU verbessern zu wollen. Türkei-Experte Seufert sieht einen strategischen Schwenk der Türkei gegenüber der EU hin zu einem Kurs der Annäherung. Er erklärt dies damit, dass Ankara mit dem Machtwechsel in Washington dort eine eher prinzipientreue Politik und damit Druck erwarte. Deutschland, aber auch Spanien und Italien stünden diesem strategischen Schwenk offen gegenüber. Das hat auch damit zu tun, dass alle drei EU-Staaten zu den wichtigsten Handelspartnern der Türkei zählen.

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Bei der künftigen europäischen Türkeipolitik könnte die Bundesregierung eine Schlüsselrolle einnehmen. Schon bei den Vorgesprächen für eine mögliche Aktualisierung des Flüchtlingsabkommens zwischen EU und Türkei verhandelt Ankara offenbar am liebsten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Geht es nach Akar, könnte die Bundesregierung auch bei anderen Themen entscheidend bei der Lösungsfindung helfen. Wie und wo genau konkretisierte er nicht.

Der 69-jährige Akar begann seine militärische Karriere als Absolvent der türkischen Heeres- und Infanterieschule. Immer wieder war er dabei auch in Nato-Verbänden aktiv und hatte häufig Kontakt mit deutschen Soldatinnen und Soldaten. Während eines Putschversuchs im Juli 2016 wurde Akar als Generalstabschef im Hauptquartier der Streitkräfte von seinen eigenen Soldaten als Geisel genommen.

Zwei Jahre später wurde der zweifache Familienvater zum Verteidigungsminister ernannt. Offiziellen Angaben zufolge ist Akar jedoch nicht der Regierungspartei AKP beigetreten und übt sein neues Amt als Parteiloser aus. Unter seiner Ägide hat die Türkei ihr militärisches Engagement nochmals ausgeweitet. Zwei weitere Kampfeinsätze in Nordsyrien sowie aktive militärische Unterstützung in den Kriegen in Libyen und zwischen Armenien und Aserbaidschan zeigen, dass Akar Konflikte nicht scheut.

Seerechtsstreit um Gasvorkommen

Im Interview mit dem Handelsblatt zeigt er sich lieber als Diplomat und betont, seine Regierung könne im Streit um Seerechte im östlichen Mittelmeer mit allen zusammenarbeiten. Allerdings bleibt Akar bei seinen Forderungen hart: In alle Absprachen der Mittelmeer-Anrainer müsse die Türkei involviert werden. Ankara hatte zum Beispiel im März in einer Verbalnote Griechenland, Israel und die EU davor gewarnt, eine Stromverbindung zwischen Israel und Griechenland auf dem Boden des Mittelmeers ohne Genehmigung oder Information der Türkei zu legen.

Das Land hat sich in seiner Außen- und Verteidigungspolitik zum Ziel gesetzt, seine Seegrenzen auszuweiten – vor allem auf Kosten Griechenlands sowie Zyperns. Die beiden EU-Mitglieder sind naturgemäß gegen diese Pläne. Es geht vor allem um lukrative Gasvorkommen unter dem Meer.

Im vergangenen Jahr entsandte der staatliche türkische Petrolkonzern TP wiederholt Bohrschiffe in umstrittene Gewässer, um dort Probebohrungen rund um Zypern durchzuführen. Begleitet worden waren diese Schiffe von der türkischen Marine. Akar nennt die Bohrungen legitim.

Der türkische Verteidigungsminister setzt vor allem auf Berlin. Quelle: Türkisches Verteidigungsministerium
Hulusi Akar

Der türkische Verteidigungsminister setzt vor allem auf Berlin.

Frankreich entsandte daraufhin ein Kriegsschiff in die Region und fädelte einen Deal über die Lieferung französischer Kampfjets an Athen ein. Akar kritisiert dies: „Es ist offensichtlich, dass sich die Situation mit drei oder fünf Flugzeugen nicht ändern wird, und dies wird dem griechischen Volk nur zusätzliche finanzielle Belastungen bringen.“ Die Rückkehr zu einem inoffiziellen Gesprächsformat zwischen Athen und Ankara bezeichnet er als „wichtigen Schritt, um den politischen Willen zu demonstrieren“. Die Stationierung von griechischen Soldaten auf entmilitarisierten Inseln sowie die Ausweitung der griechischen Flugzone auf zehn statt sechs Meilen kritisiert er jedoch weiterhin.

Außen- und Verteidigungspolitik gehen in der Türkei noch stärker als in anderen Ländern Hand in Hand. Wo die Interessen der Regierung auf Widerstand stoßen, ist das Militär des Landes nicht mehr weit. Deutschland, aber auch mehrere andere Länder haben Rüstungsembargos gegen die Türkei verhängt.

Türkische Rüstungsindustrie macht sich vom Westen unabhängig

Längst hat die türkische Rüstungsindustrie daher einen eigenen Produktionszyklus aufgebaut, der weitestgehend ohne westliche Unterstützung auskommt. Aus heimischer Produktion kommt bald ein neuer Kampfhelikopter namens Atak 2 – der Motor dafür soll aus der Ukraine stammen. Mit Pakistan hat sich Ankara im Februar auf eine Rüstungspartnerschaft verständigt.

Bei der Zypernfrage bezieht Akar Position für die ausschließlich von der Türkei anerkannte Republik Nordzypern: „Anstatt ständig die alten Vorschläge wie eine Konföderation zu verhandeln, sollten alle Seiten einsehen, dass es Zeit ist, eine Lösung mit zwei souveränen Staaten auszuhandeln.“ Die Insel Zypern ist seit einem Bürgerkrieg 1974 geteilt. Seit Jahrzehnten gibt es Bemühungen um eine Einigung, die Türkei bevorzugt inzwischen eine Zweistaatenlösung.

Akar fordert von Brüssel, die bilateralen Probleme zwischen der Türkei und Griechenland sowie Zypern nicht zu einem europäischen Problem hochzustilisieren: „Die EU sollte ebenso in der Lage sein, objektiv und ohne Vorurteile auf diese Verhandlungen zu schauen, ohne gleich die Karte ‚EU-Solidarität“ zu ziehen.“ Trotz der erhofften Annäherung der Türkei an die EU und insbesondere an Deutschland ist die Liste der möglichen Konflikte lang.

Mehr: Erdogan schadet der Türkei mit seinem Eingriff bei der Notenbank

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1 Kommentar zu "Geopolitik: Die Türkei setzt auf Deutschland als letzten geopolitischen Partner"

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  • Die muessen ganz schoen verzweifelt sein, wenn sie Hilfe ausgerechnet von D erwarten!

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