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Geopolitik Neue Arktispolitik der EU: Kampf um den Nordpol

Russlands und Chinas Aktivitäten in der Nordpolarregion alarmieren die EU. Es geht um Energie, Umwelt und Machtansprüche.
13.10.2021 - 13:39 Uhr Kommentieren
Für die Klimapolitik setzt die EU auf energiepolitische Konfrontation mit Russland und China. Quelle: dpa
Gebrochenes Meereis in der Nordwestpassage der Arktis

Für die Klimapolitik setzt die EU auf energiepolitische Konfrontation mit Russland und China.

(Foto: dpa)

Brüssel Eigentlich sollte die Arktis eine „Zone des Friedens“ sein: War die Polarregion während des Kalten Kriegs ein Ort von Machtdemonstrationen und Abschreckungsszenarien, wurde sie anschließend vom geopolitischen Schachspiel ausgenommen.

Doch der Klimawandel ändert das: Jedes Jahr gehen in der Arktis 290 Milliarden Tonnen Eis verloren – eine Menge, mit der man ein kleines Meer füllen könnte. In den nächsten 20 Jahren verschwindet so Permafrost von der Größe Indiens; in 30 Jahren soll der Nordpol im Sommer eisfrei sei, nach manchen Berechnungen sogar noch wesentlich früher.

Das macht die Region zum Gegenstand von Machtinteressen: Für die Schifffahrt ergeben sich neue Routen, der Zugang zu Rohstoffen – wie Öl, Gas und seltene Erden – ist leichter, umfangreichere Forschungsstationen sind möglich, die Fischerei kann ihre Fanggebiete ausweiten, auch für die Tourismusbranche ergibt sich ein neues Geschäft.

Und so ist die Arktis mittlerweile wieder zu einem Ort von geoökonomischen Strategien und militärischen Aktivitäten geworden, angeheizt vor allem durch Russland und China.

Durch das schmelzende Eis verschieben sich Russlands Außengrenzen, worauf das Land, das sich selbst als „führende arktische Macht“ bezeichnet, verteidigungspolitisch reagieren muss.

Fast ein Drittel seines Staatsgebiets liegt im Polargebiet. Russland hat dementsprechend in eine Reihe neuer Militärstützpunkte auf seinen arktischen Inseln investiert. Das zeigt: Russland bereitet sich darauf vor, im Konfliktfall schnell reagieren zu können.

Auch China bezeichnet sich als „polare Großmacht“, obwohl es nicht an die Polarregion grenzt. Im Rahmen der chinesischen Seidenstraßen-Initiative gilt das Nordpolarmeer als dritter wichtiger Korridor für die Versorgungssicherheit Chinas – neben dem Landweg durch Zentralasien und dem langen Seeweg durch das Südchinesische Meer, den Golf von Bengalen, das Arabische Meer, den Suezkanal und das Mittelmeer. Der arktische Seeweg wäre eine Ausweichroute zum Suezkanal und damit im Fall von Konflikten nicht nur von wirtschaftlicher, sondern auch von militärischer Bedeutung. Dementsprechend fördert auch Russland diese Route aggressiv.

Die neue europäische Arktispolitik enthält zwei Kampfansagen

Für die EU sind die russischen und chinesischen Aktivitäten ein Sicherheitsproblem, zumal drei ihrer Mitgliedstaaten sowie zwei Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums Polar-Anrainerstaaten sind.

Zur Polarregion zählen alle Länder, deren Territorium in den nördlichen Polarkreis hineinragt. Konkret sind das die USA, Kanada, Russland, außerdem Dänemark (für Grönland), Island, Norwegen, Schweden und Finnland.

Schon in den Jahren 2008, 2012 und 2016 hatte die EU Arktis-Strategien vorgelegt: Darin ging es vor allem um Klima- und Umweltschutz, Entwicklungspolitik und internationale Zusammenarbeit.

Das Eis der arktischen Region schmilzt. In Russland und China weckt das ehrgeizige geostrategische Ambitionen. Quelle: imago/imagebroker
Spitzbergen

Das Eis der arktischen Region schmilzt. In Russland und China weckt das ehrgeizige geostrategische Ambitionen.

(Foto: imago/imagebroker)

Prinzipiell will die EU auch daran festhalten, aber vor allem China stellt ihren versöhnlichen, auf Kooperation bedachten Ansatz auf die Probe. Peking versucht insbesondere in den kleineren, in der internationalen Politik weniger beachteten Ländern Einfluss zu nehmen. So betreibt China die größte Botschaft in Island, in Grönland wurde die Volksrepublik zum größten Investor.

„Als großer politischer und wirtschaftlicher Player muss die EU darauf reagieren“, sagt ein EU-Beamter in Brüssel. Es sei notwendig, dass sich die EU aktiv einmische. Deswegen legt die EU-Kommission nun erneut eine Arktis-Strategie vor.

Da die EU jedoch keine Militärmacht ist, muss sie weiterhin den klassischen diplomatischen Weg gehen: an regionale und internationale Kooperationen appellieren.

Dennoch enthält die neue europäische Arktispolitik Kampfansagen an Russland und China. So wolle man zum Beispiel enger mit Verbündeten zusammenarbeiten. Konkret will die EU ihre diplomatischen Aktivitäten in Grönland ausbauen.

Obwohl Grönland als autonomes Gebiet von Dänemark selbst nicht der EU angehört, hat Brüssel dort einen gewissen Einfluss. Von Grönland aus kann die EU die weltweite Arktispolitik am besten mitgestalten. Eine ständige Präsenz vor Ort könnte helfen, den starken Einfluss der Chinesen einzudämmen.

EU will das Fördern fossiler Brennstoffe in der Arktis beenden

Zuletzt geht es aber auch um Klimapolitik: An den Polkappen erhöht sich die durchschnittliche Temperatur dreimal so schnell wie auf der restlichen Welt – ein konsequentes Handeln ist also erforderlich. Das heißt aus Sicht der Europäer: Es dürften keine fossilen Energieträger mehr verfeuert werden. Allerdings: In den Polarregionen wird der Großteil der noch nicht entdeckten Öl- und Gasvorkommen vermutet.

Und gerade da setzt die EU auf Konfrontation mit Russland. Denn das Riesenreich hat hier ein zukünftiges Geschäftsfeld entdeckt. Moskau setzt auf Wirtschaftswachstum durch arktische Ressourcen und nutzt Steuergelder, um Investitionen in die Besiedlung der russischen Arktis umzusetzen.

Auch China hofft mit seinem Energiehunger auf arktische Brennstoffe, zum Beispiel auf mit Erdgas hergestellten Wasserstoff.

Die EU will dagegen die Förderung fossiler Brennstoffe in der Arktis beenden. „Die EU wird darauf drängen, dass Öl, Kohle und Gas im Boden bleiben“, schreibt die Kommission in ihrer neuen Strategie. So soll den Mitgliedstaaten der Energiekauf aus arktischen Quellen untersagt werden. Die USA und Kanada verbieten bereits Offshore-Öl- und -Gasbohrungen am Nordpol.

Ob es vor diesem Hintergrund gelingen wird, die Arktis konfliktfrei zu halten, wie es das Ziel der EU ist, wird sich zeigen. Das geopolitische Spiel um den Nordpol hat jedenfalls gerade erst begonnen.

Mehr: Immer mehr Wetterextreme, eisfreie Arktis: Die sechs wichtigsten Erkenntnisse des Weltklimarats.

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