Geschäftsklimaumfrage Deutsche Unternehmen in Russland sind optimistischer – fürchten aber neue Sanktionen gegen Moskau

Die russische Wirtschaft wächst wieder – doch nun drohen dem Land neue Sanktionen.
Berlin Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock lässt keinen Zweifel an der westlichen Entschlossenheit, im Falle eines neuerlichen russischen Angriffs auf die Ukraine mit harten Sanktionen gegen Moskau vorzugehen. „Russland würde einen hohen politischen und vor allem wirtschaftlichen Preis für eine erneute Verletzung der ukrainischen Staatlichkeit zahlen“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag nach einem Treffen mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian.
Strafmaßnahmen hätten nach Ansicht von Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (OA), auch „dramatische Auswirkungen“ auf die deutsche Wirtschaft. Sie befürchte im Fall neuer Sanktionen eine „Eskalationsspirale“ und habe Angst vor der „wachsenden Gefahr neuer, harter Sanktionen und dann erwartbarer Gegensanktionen“. Starke Konsequenzen erwartet Hermes vor allem, wenn Russland aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen würde.
In Moskau stellte Hermes am Donnerstag die Geschäftsklimaumfrage Russland des OA und der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK) vor. Die Angst vor neuen Sanktionen treffe die deutsche Wirtschaft zu einer Zeit, wo „sich die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gerade wieder merklich beleben“. Der Optimismus sei zuletzt zurückgekehrt.
35 Prozent der befragten, im Russlandgeschäft aktiven deutschen Firmen bewerten die Lage als gut, 13 Prozent als sehr gut. Das seien elf Prozentpunkte mehr als 2020 und zwei Punkte mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. 60 Prozent der Unternehmen rechnen 2022 mit einer positiven oder zumindest leicht positiven Wirtschaftsentwicklung, nachdem vor einem Jahr nur 36 Prozent optimistisch gestimmt waren.
Die größten Hindernisse im Russland-Geschäft sind der Rubel-Kurs und die gegenseitigen Wirtschaftssanktionen. Das geben fast vier von zehn Unternehmen (39,5 Prozent) an. Probleme bereiten könnte aber auch zunehmend ein Gesetz, demzufolge ausländische Arbeitskräfte in Russland sich künftig einmal pro Quartal intensiv untersuchen lassen müssen – inklusive Bluttests, Röntgenuntersuchung und Befragungen durch Psychiater.
Sollte dies auch Manager und ausländische Ingenieure betreffen, rechnet Moskaus AHK-Chef Matthias Schepp damit, dass westliche Manager und Ingenieure Russland massenhaft den Rücken kehren werden und es schwer wird, Ersatz anzuwerben. Das Gesetz habe „starke negative Auswirkungen auf das Geschäftsklima in Russland“, meint Schepp. Kein anderes Gesetz habe bisher für so viel Ärger gesorgt.
Putin hat große finanzielle Reserven aufgebaut
Neue Sanktionen würden zwar die russischen Staatsfinanzen und das Geschäft von Unternehmen in Russland belasten. Russland-Experte Ben Aris weiß jedoch, dass sich der Kreml seit Jahren für stärkere Strafmaßnahmen rüstet, gar eine „finanzielle Festung“ vorbereitet habe. Staatliche Mega-Investitionen in den notwendigen Infrastrukturausbau seien zugunsten großer Finanzreserven zurückgestellt worden.
Diese erlaubten es Präsident Wladimir Putin, „der Macht der USA mehr oder weniger ungestraft entgegenzutreten“, weiß Aris. „Und das trotz der Tatsache, dass Russland in fast jeder Hinsicht schwächer ist als die USA, mit Ausnahme von Atomwaffen.“
Tatsächlich sind die russischen Gold- und Devisenreserven binnen fünf Jahren von 377,7 auf zuletzt 622,5 Milliarden Dollar gestiegen. Hinzu kommt der Ausbau des staatlichen Reservefonds „Nationaler Wohlfahrtsfonds“, in den überschüssige Exporteinnahmen aus Öl- und Gasverkäufen fließen, auf 185,2 Milliarden Dollar Anfang Dezember.
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