Gesetzentwurf Fördern oder verbieten? Die EU ringt um die Regulierung Künstlicher Intelligenz

Die EU will Massenüberwachung per Gesichtserkennung verhindern.
Brüssel Wer bekommt einen Kredit, wer nicht? Wer wird zum Bewerbungsgespräch eingeladen, wer bekommt eine Absage? Immer mehr Entscheidungen werden nicht mehr nur allein von Menschen getroffen, sondern zumindest von Algorithmen unterstützt. Die Europäische Union (EU) steigt nun in die Regulierung der Künstlichen Intelligenz (KI) ein.
Bislang ging es vor allem darum, Unternehmen und Forschern dabei zu helfen, sinnvolle Anwendungen zu entwickeln. In der EU gibt es aber auch Bestrebungen, manche mache Anwendungen zu verbieten. Die Kommission will in der kommenden Woche einen Gesetzesentwurf dazu vorstellen.
Am kritischsten gesehen werden KI-Anwendungen im Bereich von „social scoring“, die das Verhalten der Bevölkerung und von Unternehmen möglichst umfassend auswerten. In China gibt es das. Auch bei Anwendungen, die dazu gedacht sind, Kinder zu manipulieren, soll höchste Vorsicht gelten. Insgesamt sollen aber nur wenige Anwendungen von vornherein als inakzeptabel eingestuft werden.
Entscheidend wird sein, wie die EU mit Anwendungen umgeht, deren Risiko zwar als hoch eingestuft wird, an denen es aber ein berechtigtes Interesse gibt. Darunter könnte die Einschätzung der Kreditwürdigkeit fallen, das Vorsortieren von Bewerbungsunterlagen und auch die Unterstützung von Polizeiarbeit. Die Polizei kann mit „Predictive Policing“ Vorhersagen darüber treffen, wo mit Einbrüchen zu rechnen ist.
Auch hier gibt es in der Volksrepublik Beispiele, wie KI missbraucht werden kann. Über Gesichtserkennung und Kameras im öffentlichen Raum fahndet der Staat dort nach der muslimischen Minderheit der Uiguren.
Ein weiteres Beispiel: Ein Algorithmus könnte auch analysieren, dass die Leistungsträger in einem Unternehmen in der Mehrheit weiß, männlich und älter als 40 Jahre sind und keine Erziehungszeiten in ihrem Lebenslauf angeben. Auf dieser Basis könnte er Bewerber aussortieren, die diesem Profil nicht entsprechen. Für den Einzelnen wäre das fatal und gesellschaftliche Ungleichheiten würden so verschärft.
Verhandlungen mit Parlament und Staaten folgen
Welche Formen von KI in welche Risikoklasse einsortiert werden, diskutiert die EU-Kommission derzeit intern. Damit daraus ein Gesetz werden kann, muss sie danach in Verhandlungen mit dem Parlament und mit den Mitgliedstaaten gehen. Wert legt sie darauf, dass die Einstufungen schnell angepasst werden können, wenn sich die Technik weiterentwickelt.
Grundsätzlich aufhalten will die EU die Entwicklung Künstlicher Intelligenz keinesfalls. KI gilt als Grundlagentechnologie, die den Alltag revolutionieren wird. Einige Experten vergleichen die Umwälzung sogar mit der Elektrifizierung.
Selbstfahrende Autos sollen künftig durch Europas Städte kurven, Drohnen eigenständig Pakete ausliefern, Fabriken miteinander kommunizieren. Gerade der für die deutsche Wirtschaft so wichtige Maschinenbau erhofft sich hohe Effizienzgewinne durch KI – etwa durch Maschinen, die sich selbst warten oder Nachschub bestellen. KI kann auch dabei helfen, Energie zu sparen – etwa wenn Stromverbraucher intelligent miteinander vernetzt werden.

Über Gesichtserkennung und Kameras im öffentlichen Raum fahndet China nach der muslimischen Minderheit der Uiguren.
In diesen Bereichen will sich die EU anstrengen, ein attraktives Umfeld für KI-Entwickler zu bieten. Die Regulierung risikobehafteter Produkte soll dabei sogar zum Vorteil werden: Die Zulassung in der EU soll dazu beitragen, dass die Bürger der Technik vertrauen. Und sie soll weltweit zum Ausweis werden, dass von einem Produkt keine unabschätzbare Gefahr ausgeht.
Um diesen Effekt zu verstärken, will sich die EU mit den USA abstimmen. Die Kommission hat der neuen US-Regierung die Gründung eines „transatlantischen Rats für Handel und Technologie“ angeboten, in dem auch andere Regulierungen für die Techbranche besprochen werden sollen.
Deutsche Wirtschaft ist besorgt
Washington ist an einer Technologie-Partnerschaft mit Europa interessiert. Die USA fürchten, ihre technologische Vormachtstellung an China zu verlieren. „Chinas Einsatz von KI im eigenen Land ist ein abschreckender Präzedenzfall“, heißt es im kürzlich veröffentlichten Bericht der National Security Commission on Artificial Intelligence. „Amerika muss seine ältesten Verbündeten und neue Partner einbinden, um eine sicherere und freiere Welt für das KI-Zeitalter zu schaffen.“
Die deutsche Wirtschaft betrachtet den Regulierungsdrang der EU trotz allem mit Sorge. Gerade eine Technologie, die sich noch im Entwicklungsstadium befindet, benötige Raum zur Entfaltung, keine erstickende Bürokratie, sagt ein Wirtschaftsvertreter. Es müsse zunächst geprüft werden, ob die bestehenden Regeln, etwa zum Datenschutz, als Rechtsrahmen unzureichend sind.
„Wenn die EU erfolgreich internationale Maßstäbe für KI setzen will, muss sich die Kommission vor Überregulierung hüten“, sagt die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn. „Sonst wird die EU dank Bürokratie technologisch abgehängt, statt an die Weltspitze der Innovation zu gelangen.“
Die Grünen-Abgeordnete Alexandra Geese sieht das anders: Man solle immer unterscheiden, ob eine KI Maschinen steuert oder mit Menschen zu tun habe, sagt sie. „Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge, auch wenn die Technik dahinter die gleiche sein kann.“ KI-Anwendungen, die den Energieverbrauch senken, Ressourcen schonen und die Industrie effizienter machen, möchte sie stark fördern.
Sie sagt aber auch: „Viele KI-Anwendungen machen systematische Fehler: Sie bevorzugen jene, die ohnehin in der Gesellschaft privilegiert sind – meistens weiße Männer. Wer von der Norm abweicht, wird extrem benachteiligt, und erfährt es nicht einmal.“
Wenn die EU sich auf ein Gesetz zur KI-Regulierung geeinigt hat, sollen die Vorgaben in andere Rechtsakte einfließen, in denen Produktsicherheit definiert wird. Dies mündet dann in Industriestandards, an denen sich die Unternehmen orientieren können. Die Einhaltung dieser Standards zu prüfen, soll Sache der Mitgliedsländer sein, wie es auch bei anderen Vorschriften zu Produktsicherheit der Fall ist.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.