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Gesetzesentwurf Frankreichs Regierung trotzt den Protesten und beschließt Rentenreform

Die Regierung von Emmanuel Macron ist hart geblieben: Am Freitag hat sie die Rentenreform beschlossen. Die Gegner wollen ihre Niederlage noch nicht einsehen.
24.01.2020 - 18:21 Uhr Kommentieren
Die Proteste dauern seit mehr als sieben Wochen an. Quelle: dpa
Streiks in Frankreich

Die Proteste dauern seit mehr als sieben Wochen an.

(Foto: dpa)

Paris Trotz wochenlanger Streiks und anhaltender Proteste hat die französische Regierung am Freitag zwei Gesetze zur Rentenreform ins Kabinett eingebracht. Die Gegner auf Seiten der Gewerkschaften, vor allem CGT, FO und SUD, hatten am Freitag erneut zu Demonstrationen aufgerufen und die Erwartung geweckt, so könne die Verabschiedung der Reform im Kabinett noch verhindert werden. Diese Illusion hat sich nun zerschlagen.

Nach der Kabinettssitzung sagte die zuständige Ministerin für Solidarität und Gesundheit Agnès Buzyn: „Wir setzen ein einheitliches Rentensystem für alle Franzosen an die Stelle von 42 unterschiedlichen, die unübersichtlich, ungerecht und kaum noch zu rechtfertigen sind.“ Die neue Rente für alle bringe zahlreiche soziale Verbesserungen. Die beiden Gesetzentwürfe werden begleitet von einer über 1000-seitigen Folgenabschätzung.

Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ zitierte einige Zahlen daraus. Demnach wird künftig rund ein Drittel der Rentner besser gestellt sein als im bisherigen System, ein Fünftel schlechter. Das geht darauf zurück, dass die Regierung in ihrem Entwurf für ein finanziell ausgeglichenes System davon ausgeht, dass künftig bis zum Alter von 65 Jahren gearbeitet wird. Die gesetzliche Altersgrenze bleibt aber bei 62 Jahren.

Im heutigen System gilt ebenfalls ein Renteneintrittsalter von 62 Jahren, viele Franzosen müssen aber bis 67 arbeiten, wenn sie auf eine volle Rente kommen wollen. In diesen Fällen könnte in Zukunft also zwei Jahre früher die Altersruhe beginnen. 

Die Reformgegner hatten mit der Behauptung mobilisiert, die geplante, auf Rentenpunkten statt Beitrags-Quartalen basierende Altersvorsorge öffne Tür und Tor für willkürliche Manipulationen des Punktwertes durch die Regierung. Wie der zuständige Rentenbeauftragte Laurent Pietraszewski jedoch sagte, ist im Gesetzentwurf festgeschrieben, dass der Punktwert nicht verringert werden darf. Er soll aber je nach der Entwicklung der Gehälter dynamisch nach oben angepasst werden.

Teil der Reform, so Pietraszewski weiter, sei auch die Verbesserung der Hinterbliebenenrente. In Zukunft werde dem hinterbliebenen Ehepartner ein Niveau von 70 Prozent der Rente garantiert, auf die beide zusammen kamen.

Großzügiges System

Frankreich verfügt über eines der großzügigsten Systeme für die Altersruhe weltweit. Derzeit gibt Deutschlands Nachbarland 13,8 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die staatliche Rente aus. Aufgrund der demografischen Entwicklung – die Generation der Babyboomer wird wegsterben – würde dieser Wert im bisherigen System auf 13,5 Prozent sinken. Für das neue Modell setzt die Regierung einen Aufwand von 13,3 Prozent an, also keine wirklich wesentliche Veränderung.

Die neue Rente gilt nur für die Generationen, die ab 1975 geboren sind. Die Regierung hat sich in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften auf zahlreiche Zugeständnisse eingelassen. Die Vorteile der bisher bestehenden 42 Sondersysteme werden für manche Berufsgruppen und Altersjahrgänge zeitlich befristet weitergeführt. Was diese Zugeständnisse insgesamt kosten, ist derzeit noch nicht absehbar.

Auch wenn Staatspräsident Emmanuel Macron seine Reform mit vielen Kompromissen erkaufen musste: Ihm ist gelungen, was viele Kritiker vor einigen Wochen noch für unmöglich hielten, nämlich eine fundamentale Veränderung des französischen Rentensystems anzuschieben. Daran sind in den vergangenen 30 Jahren alle Regierungen gescheitert.

Noch allerdings sind die Gegner nicht bereit, sich geschlagen zu geben. Am Freitag hatten sie erneut zu Demonstrationen in ganz Frankreich aufgerufen. Die weit links stehende Gewerkschaft CGT erweckte die Erwartung, auf diese Weise könne der Kabinettsbeschluss verhindert werden. „Noch ist nichts entschieden, natürlich können wir die Rentenreform noch aufhalten“, sagte CGT-Chef Philippe Martinez zu Beginn der Kundgebung in Paris. Martinez kommt arg in die Bredouille: Er muss seine Mitglieder, die er mit unrealistischen Versprechungen auf die Bäume gejagt hat, nun wieder einfangen – und weiß nicht, wie.

Verschiedene Oppositionspolitiker hatten gehofft, sich mithilfe der Proteste in eine vorteilhafte Position für die nächste Präsidentschaftswahl hieven zu können. Zu ihnen gehören Jean-Luc Mélenchon von den weit links stehenden „Insoumis“ und die frühere sozialistische Präsidentschaftskandidaten Ségolène Royal, die 2022 wieder antreten will.

Wunsch nach Protestende

Je mehr der mittlerweile beendete Streik an Schwung verlor, desto maßloser wurden die Äußerungen der politischen Opposition. „Wir leben in Frankreich in einem autoritären System“, behauptete Royal am Freitag. Mélenchon sprach von einem „sozialen Aufstand“,  bei dem es hier und da zu Gewalt komme, „doch daran ist allein Macron Schuld, der die Franzosen verachtet.“

Mit ihren Äußerungen stehen die beiden Politiker auf ziemlich verlorenem Posten. Einer repräsentativen Umfrage zufolge will die große Mehrheit der Franzosen, dass die Proteste enden und hat keinerlei Verständnis dafür, dass es in den vergangenen Tagen zu gewaltsamen Aktionen gekommen ist. So drangen Aktivisten in die Zentrale der gemäßigten Gewerkschaft CFDT ein, unterbrachen die Stromversorgung in verschiedenen Städten oder versuchten Macron daran zu hindern, eine Theateraufführung zu besuchen.

Mehr: Präsident Macron im Theater belagert, Angriff auf die Zentrale einer Reform-Gewerkschaft: Der Streik gegen Macrons Rentenreform endet mit Verbitterung und Gewalt.

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