Gewalt in Spanien Ausschreitungen in Barcelona: Unternehmer sorgen sich um den Standort

Unternehmer werfen der Regionalregierung in Katalonien vor, die Gewalt nach Demonstrationen gegen die Verhaftung eines Rappers nur zögernd verurteilt zu haben.
Madrid Es ist selten, dass Unternehmen politisch Stellung beziehen. Sie müssen sich mit jeder Regierung arrangieren und halten deshalb meist mit ihrer Überzeugung hinter dem Berg. Doch die Lage in Katalonien ist erneut so angespannt, dass die Unternehmer sich genötigt sehen einzuschreiten.
Ihre Kritik entzündet sich an der Untätigkeit der separatistischen Regionalregierung angesichts der anhaltenden Ausschreitungen in Katalonien. Seit gut zwei Wochen setzen Randalierer vor allem in Barcelona jeden Tag Müllcontainer in Brand, plündern Boutiquen oder dringen in Bankfilialen ein.
Die Randale folgt regelmäßig auf friedliche Demonstrationen für die freie Meinungsäußerung. Die sehen einige Spanier gefährdet, nachdem der Rapper Pablo Hasél wegen Verherrlichung des Terrorismus zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist.
Der katalanische Unternehmerverband Cercle d’Economia kritisiert die Regierung in dem Konflikt mit ungewöhnlich scharfen Worten: „Der Cercle d’Economia verurteilt jede Form von Gewalt auf das Schärfste. Wir dehnen diese Verurteilung auf die politischen Parteien aus, die durch ihr Handeln oder Unterlassen den Vandalismus legitimiert haben.“
Nicht weniger deutlich wird auch der Chef des führenden katalanischen Arbeitgeberverbands Foment de Treball, Josep Sánchez Llibre, in einem Interview in El País: „Wir halten es für sehr unverantwortlich, dass die Regierung den Vandalismus fünf Tage lang nicht verurteilt hat, das ist inakzeptabel.“
Proteste gegen die Verhaftung des Rappers gab es zunächst zwar überall in Spanien. Inzwischen konzentrieren sie sich auf Katalonien, vor allem auf Barcelona. Hasél stammt aus der Region, die 2017 mit einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum weltweit für Aufmerksamkeit sorgte.
„Die Proteste gehen nicht allein von Unabhängigkeitsbefürwortern aus, aber der Separatismus legitimiert sie, weil sie ihm nutzen“, sagt der Politologe Oriol Bartomeus von der Autonomen Universität Barcelona. „Die Separatisten haben ein Interesse daran, Spanien als undemokratischen Staat darzustellen.“
Unternehmer protestieren auf eigener Veranstaltung
Den Firmen reicht es nun. Für diesen Donnerstag haben mehrere Unternehmerverbände unter der Organisation des katalanischen Arbeitgeberpräsidenten Llibre ihrerseits zu einer Protestveranstaltung aufgerufen. Llibre erwartet 500 Teilnehmer, die rund 90 Prozent der katalanischen Wirtschaftsleistung repräsentieren. Die Firmen wollen ihre Geschlossenheit demonstrieren und ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Sie haben Angst, dass die anhaltend negativen Schlagzeilen dem Ansehen des Standorts schaden. Barcelona dürfe nicht „zur Welthauptstadt des Feuers werden“, warnt Llibre.
Die aktuellen Proteste folgen auf eine Reihe von Aufständen. 2017 hatte das Unabhängigkeitsreferendum Spanien in eine tiefe institutionelle Krise gestürzt. Tausende Unternehmen verlegten ihre Zentralen in eine andere Region des Landes. Als die politischen Anführer des Referendums 2019 zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, brannten in Barcelona erstmals tagelang Container.
Ausländische Investoren sind beunruhigt. „Uns rufen Unternehmer mit Standorten in Katalonien an“, sagt Albert Peters, Präsident des Kreises deutschsprachiger Führungskräfte in Barcelona und Rechtsberater bei der Kanzlei Rödl&Partner. „Sie fragen uns, ob ihre Lieferkette gefährdet ist oder ihr Personal oder ihre Kunden. Und Spanien-Liebhaber wollen wissen, wann sie überhaupt wieder nach Barcelona kommen können.“ Er hält die Lage derzeit für noch brisanter als 2017. „Damals waren die Proteste friedlich. In der Zeit danach haben viele gehofft, dass sich die Lage bessert. Aber jetzt sieht man, dass das nicht so ist.“
Die Unternehmer fordern deshalb eine neue Regierung. Die formiert sich in Katalonien nach den Regionalwahlen von Mitte Februar derzeit. „Die separatistische Regierung ist gescheitert und sollte aus der Erfahrung lernen. Wenn diese Allianz nicht funktioniert hat, sollten sie andere Möglichkeiten ausloten“, fordert Llibre.
Die Wahl haben zwar die Sozialisten gewonnen. Die Unabhängigkeitsparteien lehnen aber jede Koalition mit ihnen kategorisch ab. Experten halten es deshalb für ausgemacht, dass sich erneut eine separatistische Regierung bilden wird.
Darin sehen die Unternehmer per se zwar kein Problem. Sorgen bereitet ihnen jedoch, dass sie die regulären Regierungsgeschäfte vernachlässigt und vor allem um ihr Ziel der Loslösung von Spanien kreist. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Regierung erlebt, die intern gestritten hat, die keine gemeinsamen Entscheidungen getroffen hat (…), das war wirklich wahnwitzig“, sagt Llibre.
„Viele Unternehmen denken sich: Wenn demnächst die Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds kommen und die Regierung sich wieder auf die Unabhängigkeit konzentriert, verspielen wir eine große Chance“, sagt Politologe Bartomeus. Spanien ist stark von der Coronakrise betroffen und erhält 140 Milliarden Euro aus dem EU-Fonds.
Der Rapper wurde auch wegen physischer Angriffe verurteilt
Inhaltlich lässt sich über den Auslöser der Proteste – die Verhaftung des Rappers – trefflich streiten. Die einen argumentieren, sie verstoße gegen das Recht auf die freie Meinungsäußerung. Die anderen sind überzeugt, dass er auch in anderen Ländern im Gefängnis gelandet wäre.
So preist Hasél in seinen Texten Terrororganisationen wie die ETA oder die GRAPO und fordert mit Blick auf einen baskischen Politiker: „Das Auto von Patxi López hat eine Bombe verdient.“ In einem Reim über den ehemaligen spanischen Verteidigungsminister heißt es: „Jemand soll José Bono einen Eispickel in den Kopf schlagen.“
Der 33-Jährige wurde wegen Terrorverherrlichung, aber auch wegen physischer Angriffe zu einer Haftstrafe verurteilt. Hasél besprühte einen TV-Journalisten mit Reinigungsmittel und drohte einem Zeugen in einem Gerichtsprozess: „Ich bring dich um du Wichser, ich kriege dich.“ Beleidigungen der spanischen Krone oder anderer Institutionen dagegen brachten ihm Geldstrafen ein.
Sein Fall hat erneut die Debatte um die Reform des Strafrechts in Spanien angestoßen. Das spanische Justizministerium will es so ändern, dass man nicht mehr wegen Terrorverherrlichung, Beleidigung von religiösen Gefühlen oder der Krone ins Gefängnis kommt.
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