Global Gateway Europa will Chinas Seidenstraßen-Initiative die Stirn bieten – mit mageren 40 Milliarden Euro

China hat erkannt, dass es weltweit einen gewaltigen Bedarf an Infrastrukturfinanzierung gibt, der von westlichen Entwicklungsagenturen nicht gedeckt wird.
Brüssel Mit einem Programm zur Förderung strategisch wichtiger Infrastrukturprojekte will die EU-Kommission das außenpolitische Gewicht Europas stärken. Der Plan sieht vor, Garantien im Umfang von 40 Milliarden Euro für den Bau neuer Straßen, Schienen und Datenverbindungen bereitzustellen und damit eine europäische Antwort auf die Seidenstraßen-Initiative des chinesischen Machthabers Xi Jinping zu geben.
Die Finanzierungszusagen bilden den Kern der „Global Gateway“-Strategie, die die Kommission kommende Woche vorstellen will. Ein Entwurf liegt dem Handelsblatt vor. Für Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist das Vorhaben von großer Bedeutung. Sie hat bei ihrem Amtsantritt eine „geopolitische Kommission“ versprochen und die „Global Gateway“-Strategie bei ihrer jüngsten Rede zur Lage Europas angekündigt.
Wie wichtig ihr das Thema ist, unterstrich von der Leyen erst am Mittwoch in einem kurzen Statement nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus. Sie habe mit Biden auch über Infrastruktur gesprochen, sagte sie. „Wir sind dabei, die vielversprechendsten Projekte zu ermitteln, in die wir im Rahmen unserer gemeinsamen Initiativen investieren können.“
Das Strategiepapier der Kommission bleibt allerdings weit hinter den Erwartungen zurück, die die Kommissionschefin mit ihrer Ankündigung geweckt hat. Es führt keine konkrete Projekte auf, formuliert keine klaren geopolitischen Prioritäten, auch den Systemkonflikt mit China spricht es nicht offen an.
Stattdessen heißt es verdruckst: „Die EU strebt an, steigende Investitionen aus anderen Weltregionen auszubalancieren, welche Konnektivität nutzen, um ihr Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zu verbreiten und ihre politische Agenda voranzutreiben.“ Konnektivität ist der Brüsseler Fachbegriff für Infrastrukturprojekte.
Dabei ist völlig klar, dass die Initiative gegen China gerichtet ist. Von der Leyen hatte das Kalkül in ihrer Rede zur Lage Europas selbst hervorgehoben: „Wir sind gut im Finanzieren von Straßen“, sagte sie. „Aber es macht für Europa keinen Sinn, eine perfekte Straße zwischen einem Kupferbergwerk in chinesischem Besitz und einem ebenfalls in chinesischem Eigentum stehenden Hafen zu bauen.“
Chinesen haben Machtsphäre geschaffen
China hat erkannt, dass es weltweit einen gewaltigen Bedarf an Infrastrukturfinanzierung gibt, der von westlichen Entwicklungsagenturen nicht gedeckt wird. Schätzungen zufolge fehlen jährlich 1300 Milliarden Dollar, um die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen.
In diese Lücke sind die Chinesen mit gezielten Angeboten vorgedrungen und haben eine Machtsphäre geschaffen, die bis nach Europa reicht. Auch in Deutschland breitet China seinen Einfluss mit Wirtschaftskooperationen aus. Erst im September hat sich die chinesische Staatsrederei Cosco in Hamburg für 100 Millionen Euro in ein Containerterminal eingekauft.
Die anfängliche Aufgeschlossenheit für chinesische Investitionen ist inzwischen einer tiefen Beunruhigung gewichen. In einem internen Bericht warnte das Auswärtige Amt vor ein paar Monaten vor „sinozentrischen Strukturen, die nicht in unserem Interesse liegen“. China nutze die Seidenstraßen-Initiative, „um politischen Einfluss global auszudehnen, globale Standards und Normen nach eigener Vorstellung zu prägen und Industriepolitik, insbesondere durch Förderung von Staatsunternehmen, voranzutreiben“.
Teile der Wirtschaft haben ganz ähnliche Sorgen. Europäische Unternehmen können sich an den Ausschreibungen an Belt-and-Road-Projekten zwar beteiligen, gehen aber in der Regel leer aus. Dagegen ist es keine Seltenheit, dass chinesische Firmen von europäischen Entwicklungsprojekten profitieren.
Der Bund der deutschen Industrie (BDI) weist seit Jahren auf diesen Wettbewerbsnachteil hin. Zudem fürchten europäische Firmen, Zugang zu den Märkten von Ländern zu verlieren, die in den chinesischen Orbit geraten und die technischen Normen der Volksrepublik übernehmen. Daher hat sich der BDI stark für eine europäische Infrastrukturpolitik eingesetzt.
Papier bleibt hinter Erwartungen zurück
Doch das Strategiepapier der Kommission schweigt sich aus über die aus Wirtschaftssicht entscheidende Frage: Wie werden europäische Unternehmen in die Infrastrukturpolitik der EU eingebunden? Eigentlich ist es in Europa verpönt, Entwicklungshilfe an Aufträge für eigene Unternehmen zu koppeln. Hier wäre ein Paradigmenwechsel erforderlich.
„Der BDI erwartet, dass deutsche Firmen durch Global Gateway in hohem Maße von Aufträgen in Entwicklungs- und Schwellenländern profitieren“, stellt der Verband auf Anfrage des Handelsblatts klar. Grundsätzlich lobt der BDI Global Gateway als „wichtigen Schritt, um im internationalen Wettlauf um geopolitische Einflussnahme mitzuhalten“. Die Mittel für den Ausbau von nachhaltiger Infrastruktur sollten über den European Fund for Sustainable Development Plus (EFSD+) fließen, rät die Industrielobby. Und so sieht es die Strategie auch vor.
Das Problem: Die Finanzierungszusagen sind bisher viel zu gering, um es mit Chinas Seidenstraßen-Initiative aufzunehmen. Zwar kommen zu den europäischen Garantien in Höhe von 40 Milliarden noch mehrere Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem EU-Haushalt. Auch weist die EU darauf hin, dass in den kommenden Jahren zusätzliche Investitionsmittel aus einem Entwicklungshilfeprogramm zur Verfügung stünden.
Doch präzise Angaben dazu, wie die öffentlichen Hilfen durch privates Kapital ergänzt werden können, sucht man vergebens. Dabei ist klar: Eine solche Hebelwirkung wäre dringend notwendig, um China finanziell Paroli zu bieten.
Offizielle Zahlen über die Ausgaben der Chinesen gibt es nicht, Schätzungen zufolge summiert sich der Gesamtwert der Belt-and-Road-Projekte aber auf mehr als eine Billion Dollar. Es sei wichtig, „ein hohes Volumen an zusätzlicher Projektfinanzierung aufzubauen“, mahnt der BDI daher.
Bis zur Vorstellung der Strategie bleiben noch ein paar Tage Zeit, der Entwurf könnte an entscheidenden Stellen noch verbessert werden. Doch ein europäischer Diplomat bringt die Enttäuschung deutlich zum Ausdruck: „Das Papier ist eine verpasste Chance und ein schwerer Rückschlag für von der Leyens geopolitische Ambitionen.“
Experten sehen ein strukturelles Problem der EU-Bürokratie: „Der Kommission scheint jemand zu fehlen, der die Brüsseler Grabenkämpfe durchbricht und ein strategisches Dokument erstellt, das nicht nur eine Zusammenstellung müder EU-Schlagworte ist“, sagt Noah Barkin vom German Marshall Fund. Das dürftige Strategiepapier zeige, „dass es immer noch einen tief sitzenden institutionellen Widerwillen gibt, die von China gestellten Herausforderungen direkt anzugehen“.
Mehr: Trotz Kritik an der Seidenstraße: EU treibt Infrastrukturpartnerschaft mit China voran
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Naja, gerade Deutschland sollte sich nicht vor Waren und Dienstleistungen aus China beschweren: stolze 30-40% unserer Luxuskarossen Mercedes, BMW und VW werden nach Fernost exportiert; ohne die Chinesen wären allein in dieser Branche die Lichter ausgegangen. Handelsstraßen funktionieren nur in beide Richtungen.
Die Seidenstrasse funktioniert in beide Richtungen. Wenn wir aehnliches machen, wird
das auch in beiden Richtungen funktionieren d. h. die Chinesen werden auch von unseren
Infraktstrukturen profitieren. Das ganze ist positiv, denn damit foerdern wir die Arbeits-
teilung, die ein wichtiger Pfeiler unseres Wohlstands ist.