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Globale Mindeststeuer Finanzminister Olaf Scholz gibt den Steuerhelden – Doch aus den USA droht Widerstand

Der Vizekanzler präsentiert die globale Reform der Unternehmenssteuern als seinen Erfolg. Doch ob der US-Kongress der Neuregelung zustimmt, ist noch lange nicht klar.
14.10.2021 - 18:20 Uhr 1 Kommentar
Auf dem Weg zum G20-Treffen: Finanzminister Olaf Scholz und seine kanadische Kollegin Chrystia Freeland. Quelle: imago images/photothek
Olaf Scholz und Chrystia Freeland

Auf dem Weg zum G20-Treffen: Finanzminister Olaf Scholz und seine kanadische Kollegin Chrystia Freeland.

(Foto: imago images/photothek)

Berlin, Brüssel Ideal sind die Bedingungen für den großen Auftritt von Olaf Scholz (SPD) nicht. Seine erste Auslandsreise nach der Bundestagswahl hat den vermutlich künftigen Kanzler nach Washington geführt, Scholz trifft sich am Rande der Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) mit den Kollegen und Kolleginnen der G20-Staaten.

Wie alle Minister auf US-Visite will auch er die Kulisse des Weißen Hauses für ein paar Fernsehaufnahmen nutzen. Umweltaktivisten demonstrieren im Hintergrund, Scharfschützen stehen breitbeinig auf den Giebeln der Regierungszentrale.

Touristen laufen durchs Bild, und der Presslufthammer einer Baustelle lenkt noch mehr ab von dem, wofür Scholz eigentlich hier ist: Der Finanzminister und Kanzler in spe will seinen größten Verhandlungserfolg, die globale Mindeststeuer, gebührend würdigen.

Scholz preist die „revolutionäre Reform“, der sich 136 Staaten angeschlossen haben. „Wir gehen davon aus, dass auch Deutschland sehr profitieren wird von dieser Neuregelung und dass es sich um mehrere Milliarden handelt“, so Scholz. Er sieht in der globalen Steuerreform einen seiner größten politischen Erfolge.

Deshalb ist es auch nicht das erste Mal, dass er sich damit rühmt. Im vergangenen halben Jahr hat Scholz von irgendwo auf der Welt schon so viele Durchbrüche verkündet, dass man beim Zählen kaum noch mitkam.

Konkret sieht die Vereinbarung so aus: Das eine Element ist eine globale Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 15 Prozent. Diese Mindeststeuer ist Scholz’ Baby, er hat sie auf die Agenda der G20 gesetzt und die Idee erfolgreich durchgesetzt, wenn auch mit großer Hilfe der neuen US-Regierung, deren Umdenken zu Beginn des Jahres den Kompromiss ermöglicht hat. Erwartet wird, dass das globale Steueraufkommen dadurch um 150 Milliarden Dollar steigt.

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Das zweite Element reformiert die Besteuerung von hochprofitablen Großkonzernen. Ursprünglich war eine Digitalsteuer geplant, die in erster Linie auf Apple, Google oder Facebook abzielte. Doch dagegen wehrten sich die USA, weshalb nun auch Unternehmen aus anderen Branchen unter die neuen Steuerregeln fallen.

Unternehmen, die mehr als 20 Milliarden Dollar pro Jahr umsetzen und dabei eine Gewinnmarge von mindestens zehn Prozent aufweisen, sind von der Neuregelung betroffen. Ausgenommen sind Rohstoff- und Finanzkonzerne.

Anders als bei der Mindeststeuer werden dabei nicht neue Steuereinnahmen generiert, sondern bestehende Einnahmen zwischen den Staaten anders aufgeteilt. Bislang zahlen Unternehmen vor allem in dem Land Steuern, wo sie ihren Konzernsitz haben.

Von 2023 an sollen Konzerne mehr Steuern dort zahlen, wo sie ihre Produkte verkaufen und ihre Gewinne erzielen. Schätzungen zufolge wird das zu einer Steuerumverteilung in Höhe von 125 Milliarden Dollar führen.

Knifflige Verhandlungen

Die Verhandlungen über die Neuzuteilung dieser „Besteuerungsrechte“ erwiesen sich zuletzt als noch kniffliger als die Verhandlungen über den Mindeststeuersatz. So war strittig, wie hoch der Teil des Gewinns sein sollte, der unter den Ländern neu verteilt wird.

Am Ende einigte man sich darauf, den Marktländern Besteuerungsrechte von 25 Prozent eines Unternehmensgewinns zu gewähren, der die Profitabilitätsschwelle von zehn Prozent überschreitet. Klingt kompliziert und ist es auch. Ein anderes Brett, das die Unterhändler bohren mussten, war die Beseitigung von nationalen Digitalsteuern, wie es sie etwa in Frankreich gibt.

Die Vereinbarung war immer: Wenn es eine Verständigung auf eine globale Digitalsteuer gibt, werden alle nationalen Digitalsteuern abgeschafft. Dagegen wehrten sich aber einige Regierungen, am Ende wurden sie überzeugt.

Auch von Scholz, wie es aus Verhandlungskreisen heißt. Er habe Wahlkampf und Sondierungen immer wieder unterbrochen, um Ministerkollegen aus anderen Ländern zu bearbeiten, in dem ein oder anderen Punkt nachzugeben.

Die globale Mindeststeuer ist ein Erfolg der Zusammenarbeit der Finanzminister aus Deutschland und Frankreich. Quelle: Bloomberg
Olaf Scholz und Bruno Le Maire

Die globale Mindeststeuer ist ein Erfolg der Zusammenarbeit der Finanzminister aus Deutschland und Frankreich.

(Foto: Bloomberg)

Zunächst fallen weltweit 100 bis 120 multinationale Konzerne unter die neuen Regeln. Es kursieren zwar Zahlen und Namen, allerdings widersprechen sich diese teils. Unterhändler weisen außerdem darauf hin, dass sich aufgrund von Anpassungen der Bemessungsgrundlagen noch Verschiebungen ergeben könnten und die Reform erst in zwei Jahren in Kraft trete.

Deutsche Wirtschaft fürchtet eine Hängepartei

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist das problematisch, sie fürchtet eine Hängepartie. Die Einigung über eine globale Mindeststeuer sei zwar „ein großer Meilenstein“ für gleiche Rahmenbedingungen in der Weltsteuerordnung, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Wirtschaft (BDI), Joachim Lang. Nun allerdings brauche es rasch Planungssicherheit, „etwa zur Bemessungsgrundlage und Definition des steuerpflichtigen Gewinns“.

Sicher ist, dass die Liste der betroffenen Firmen vor allem Pharmahersteller, große Markenanbieter und Tech-Konzerne umfassen wird. Deutschland ist damit nur geringfügig betroffen. „Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Unternehmen im einstelligen Bereich liegt“, hatte BDI-Steuerexpertin Monika Wünnemann dem Handelsblatt kürzlich gesagt. Eine Zahl, die auch in Verhandlungskreisen für realistisch gehalten wird.

Ein Blick in die Bilanzen von Europas Topunternehmen zeigt, auf wen die Kriterien zutreffen und auf wen nicht. Als gesetzt gelten der Softwareanbieter SAP und Adidas oder aus Frankreich der Luxuswarenanbieter LVMH. Die deutschen Autokonzerne dagegen sind zu margenschwach.

Die profitabelsten Unternehmen der Welt sind US-Konzerne, entsprechend stark werden sie auf der Liste repräsentiert sein. Auch wenn die Steuerregelung keine reine Digitalsteuer mehr ist, das Ergebnis ist ähnlich: Unternehmen wie Google, Apple und Facebook dürften künftig mehr Steuern in Ländern zahlen, in denen sie Umsatz erzielen, und weniger am US-Konzernsitz.

Die US-Finanzministerin zeigte sich zuversichtlich, dass es der Regierung gelingt, die Steuerreform durch den Kongress zu schleusen. Quelle: Reuters
Joe Biden und Janet Yellen

Die US-Finanzministerin zeigte sich zuversichtlich, dass es der Regierung gelingt, die Steuerreform durch den Kongress zu schleusen.

(Foto: Reuters)

Damit stellt sich die Frage, wie sich die Reform auf das US-Steueraufkommen auswirkt. Die Opposition in Washington hat schon Widerstand angekündigt, weil sie Einbußen befürchtet. Zwar zeigt sich US-Finanzministerin Janet Yellen zuversichtlich, dass es der Regierung gelingt, die Steuerreform durch den Kongress zu schleusen. Doch ausgemacht ist das noch nicht. Der globale Steuerpakt wäre nicht das erste internationale Abkommen, das im Kongress scheitert.

Die EU-Kommission hat mit weniger Widerstand zu kämpfen. Die Behörde will die Richtlinie für die Mindeststeuer schon im Februar 2022 präsentieren. Die Neuverteilung der Besteuerungsrechte soll in einer separaten Richtlinie geregelt werden, die sich die Kommission für das vierte Quartal 2022 vorgenommen hat.

Doch erst einmal soll auf dem G20-Gipfel Ende Oktober die Reform von den Staatschefs offiziell verabschiedet werden. Ein Anlass, bei dem es sich Scholz sicher nicht nehmen lassen wird, abermals einen „Durchbruch“ zu verkünden.

Mehr: Mehreinnahmen von 150 Milliarden Euro pro Jahr – Das bringt die globale Steuerreform

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1 Kommentar zu "Globale Mindeststeuer: Finanzminister Olaf Scholz gibt den Steuerhelden – Doch aus den USA droht Widerstand"

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  • In den USA hat der Kongress noch was zu sagen, in Deutschland kann ein Mann bzw. eine Frau alles möglich Diktieren. Hoffentlich lehnt der Kongress ab, da das Gesetz keinem einzigen großen die Steuer entlocken wird. Am Ende werden wie immer nur die Kleinen zahlen.
    Scholz weiß ja wie es funktioniert, siehe Cum Ex.

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