Großbritannien Boris Johnsons Terminplan nährt Neuwahl-Spekulationen

Der neue Premier hat keine Mehrheit im Unterhaus.
London Der neue britische Premierminister Boris Johnson hat keine Zeit zu verlieren. Weniger als 100 Tage bleiben ihm bis zum geplanten Brexit-Termin. Doch sein Antrittsbesuch in Brüssel steht noch aus, in seinem Terminkalender stehen keine Treffen mit EU-Vertretern.
Stattdessen war er am Freitag in Mittelengland und sprach über sein Versprechen, 20.000 zusätzliche Polizisten einzustellen. In den kommenden Tagen will er über andere Themen seiner innenpolitischen Agenda sprechen. Für viele klingt das sehr nach Wahlkampf.
Die nächste reguläre Parlamentswahl steht erst in drei Jahren an, doch manches deutet darauf hin, dass sich Johnson auf eine vorgezogene Neuwahl in den kommenden Wochen oder Monaten vorbereitet, um die Pattsituation im Parlament zu überwinden, an der seine Vorgängerin Theresa May gescheitert war. Die Abgeordneten hatten drei mal gegen das von May ausgehandelte Abkommen über einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.
Tim Durrant, ein Forscher der unabhängigen Denkfabrik Institute for Government, weist darauf hin, dass sich die parlamentarische Arithmetik seither nicht geändert hat. „Er positioniert sich eindeutig als die Person, die den Brexit hinbekommt, und der Weg zu einer Änderung der parlamentarischen Arithmetik ist, eine Wahl abzuhalten“, sagt er.
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Johnson hatte gesagt, eine vorgezogene Wahl sei nicht seine Priorität. Ausgeschlossen hat er sie damit nicht.
Der Politikprofessor Steven Fielding von der University of Nottingham sagt, der Premierminister bereite sich darauf vor, Brüssel die Verantwortung zuzuschieben, falls die Verhandlungen mit der EU ohne Ergebnis bleiben. „Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Boris nach Brüssel geht, Brüssel nein sagt, Boris sagt: „Brüssel kommandiert uns herum. Wir wollen ein Abkommen aber sie werden uns kein Abkommen machen lassen““, sagt Fielding. Johnson könnte so Stimmung für seine Brexit-Pläne machen und eine Wahl ansetzen, sagt Fielding.
Auch May hatte eine Wahl vorgezogen. Damit wollte sie 2017 ihre Position bei den Brexit-Verhandlungen stärken. Doch ihre Konservative Partei verlor die Mehrheit im Unterhaus. Die Vorzeichen sind diesmal aber andere. Die oppositionelle Labour-Partei ist geschwächt und der Populist Johnson gilt als begnadeter Wahlkämpfer, der eher teure Wahlversprechen machen würde als die vorsichtige May. Fielding sagt, eine Neuwahl sei auch für Johnson riskant, doch er wolle möglicherweise sein eigenes Mandat. Und: „er scheint ein bisschen ein Spieler zu sein“.
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