Großbritannien David Camerons Greensill-Engagement wächst sich zum Politskandal aus

Der britische Ex-Premier steht wegen seiner Lobbyarbeit für das insolvente Fintech Greensill unter Druck.
London Wie vernichtend ein Foto sein kann, bekam diese Woche David Cameron zu spüren. Das „Wall Street Journal“ veröffentlichte exklusiv ein Bild aus dem Jahr 2020, das den früheren britischen Premierminister beim Teetrinken mit dem Fintech-Unternehmer Lex Greensill zeigt.
Die beiden sitzen sehr vertraut am Lagerfeuer vor einem Wüstenzelt. Sie waren mit Greensills Privatjet nach Riad geflogen und wurden dort vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bewirtet. Die Szene in der Wüste wurde umgehend zum Symbolbild des neuesten Lobby-Skandals in London.
Der konservative Premier Boris Johnson hat diese Woche eine unabhängige Untersuchung gegen seinen Vorgänger und Parteifreund Cameron eingeleitet. Der Anwalt Nigel Boardman soll bis Juni Bericht erstatten. Aus Sicht der Labour-Opposition ist dies nur eine Verzögerungstaktik. Sie fordert einen Untersuchungsausschuss. Man müsse „den Filz und die Vetternwirtschaft im Herzen dieser Regierung“ stoppen, sagte Oppositionsführer Keir Starmer am Mittwoch. Als Kronzeugen zitierte er Cameron mit den Worten: „Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel.“
Cameron hatte den Australier Greensill zunächst 2012 als Berater in die Regierung geholt. Nach seinem Rücktritt als Premierminister wurde er selbst dann Berater bei dem Lieferkettenfinanzierer. Seit der Insolvenz von Greensill Capital im März werden immer neue Details bekannt, wie Cameron sich für seinen Arbeitgeber einsetzte.
Unter anderem hat er Finanzminister Rishi Sunak mit privaten Textnachrichten bedrängt, Greensill als Kreditgeber in die Corona-Programme aufzunehmen. Auch hat er Drinks mit Gesundheitsminister Matt Hancock arrangiert, um Greensill Aufträge des nationalen Gesundheitssystems NHS zu verschaffen.
Am Wochenende äußerte sich Cameron nach wochenlangem Schweigen erstmals zu seiner Rolle in dem Skandal. Er hätte „formale Kanäle“ statt der privaten Textnachrichten wählen sollen, räumte er ein. Ein Fehlverhalten wollte er jedoch nicht zugeben.
Ein Schlaglicht auf ein altes Problem
Offenbar hat er sich tatsächlich weitgehend im Rahmen der Vorschriften bewegt. Dass die Lobbyregeln eine solche Nähe zwischen Politik und Wirtschaft erlauben, ist für die Opposition der eigentliche Skandal. Wie die „Financial Times“ enthüllte, hat ein Spitzenbeamter der Cameron-Regierung, der Chef des öffentlichen Beschaffungswesens, zeitweise sogar gleichzeitig für die Regierung und Greensill gearbeitet.
Die Affäre wirft ein Schlaglicht auf ein altes Problem. Junge Regierungschefs wie Cameron – und vor ihm Tony Blair und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder – wollen nach ihrem Ausscheiden aus der Politik weiterarbeiten. Die Meinungen darüber, was politisch vertretbar ist, gehen jedoch auseinander.
Camerons Vize Nick Clegg etwa wechselte als Lobbyist zum Techkonzern Facebook. Cameron selbst ging zu Greensill – und hat nun das Pech, dass die Firma wegen Bilanzfälschung und hoher Anlegerverluste am Pranger steht. In Deutschland etwa werden zahlreiche Kommunen auf Millionenverlusten sitzen bleiben, weil sie ihr Geld der Bremer Greensill Bank anvertraut hatten.
Camerons Ruf ist ohnehin nicht der beste, seit er 2016 das Brexit-Referendum verloren hat. Nun wirft die Lobbyaffäre einen weiteren Schatten auf seine Amtszeit. Ob Johnsons Regierung aber die Lobbyregeln verschärft, ist fraglich. Er teile die Sorge, dass Grenzen „nicht richtig verstanden“ wurden, sagte der Premier am Mittwoch. Den von Labour geforderten Untersuchungsausschuss wollten die Tories aber am Mittwochnachmittag blockieren.
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