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Handelskonflikt „Es ist höchste Zeit“ – USA und EU bemühen sich um Einigung im Streit um Strafzölle

Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai ist in Brüssel zu Besuch. Beide Seiten wollen den Konflikt zeitnah abräumen. Doch die Stahl-Lobby macht mächtig Druck auf Präsident Biden.
20.10.2021 - 04:11 Uhr Kommentieren
Die Trump-Administration führte die Zölle auf Aluminium und Stahl ein. Quelle: Bloomberg
Aluminium

Die Trump-Administration führte die Zölle auf Aluminium und Stahl ein.

(Foto: Bloomberg)

Washington Nur kurz hält sich Katherine Tai, Handelsbeauftragte der US-Regierung, in dieser Woche in Brüssel auf. Am Dienstag ist sie gelandet, am Donnerstag geht es schon weiter nach London zu einem Ministertreffen der G7. Doch im Mittelpunkt ihres Besuchs steht ein heikles Thema, das die transatlantischen Beziehungen seit mehr als drei Jahren belastet: die Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU, eingeführt unter Donald Trump und fortgesetzt von Joe Biden

Jetzt kommt Bewegung in den Konflikt. Denn nach Monaten des Stillstands scheinen beide Seiten einer Einigung so nahe wie nie. Zuletzt häuften sich die Signale, dass die Biden-Regierung die Zölle aufheben könnte, wenn auch unter Bedingungen. Sie sei „optimistisch“, dass es eine Lösung geben werde, sagte Tai Mitte Oktober.

Und auch Wirtschaftsministerin Gina Raimondo, die die Strafzölle lange als „hilfreiches Instrument“ verteidigte, änderte zuletzt den Ton. Der Handelskrieg habe „für enorme Spannungen“ mit der EU gesorgt, sagte sie im Economic Club of Washington. Jetzt müsse es darum gehen, „wieder Vertrauen zu gewinnen“, eine Beilegung des Zollstreits sei deshalb „oberste Priorität“. 

Tai traf sich in den vergangenen Wochen mehrfach mit dem für Handel zuständigen EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis: einmal zum Auftakt des neuen transatlantischen Handels- und Technologierats (Trade and Technology Council, kurz: TTC) in Pittsburgh, danach beim Fachministertreffen der G20 in Italien. Am Mittwoch wollen sich die beiden in Brüssel erneut beraten, bei einem gemeinsamen Abendessen.

Klar ist: Die US-Seite hat den Europäern ein neues Verhandlungsangebot vorgelegt. Im Gespräch ist ein sogenanntes Tariff-Rate-Quota(TRQ)-Modell, unter dem ein bestimmtes Kontingent der Materialien wieder zollfrei in die USA verschifft werden dürfe. Erst von einer festgelegten Grenze an wären wieder Zölle fällig. Ein ähnliches Arrangement haben die USA mit ihren Nachbarn Mexiko und Kanada, etwa für Milchprodukte.

Allerdings betrifft das US-Angebot an die Europäer zunächst nur Stahl, nicht Aluminium. Angepeilt, so heißt es in Washington, sei eine Einigung bis zum Monatsende, allerdings gibt es noch viel Gesprächsbedarf. Die Zeit drängt: Im Dezember könnte die EU mit Gegenzöllen reagieren, schon im November müssen die administrativen Vorarbeiten dafür anlaufen.

In Brüssel ist man mit dem Angebot der Amerikaner noch nicht zufrieden, es sei noch ein gutes Stück des Weges zu gehen, heißt es auch dort. Während die EU auf ein möglichst hohes Importvolumen dringt, in etwa so hoch, wie es in der Vergangenheit war, wollen die USA ein niedrigeres Kontingent festlegen. 

Aus Sicht der Kommission stellt sich die Lage so dar: Man sei den USA schon weit entgegengekommen, nun sei Washington an der Reihe. Erfreut nehmen die Unterhändler der EU zur Kenntnis, dass sich die USA konstruktiv zeigen und sich selbst um eine Lösung bemühen – ganz anders als in der Amtszeit von Trump.

Teile der US-Stahlindustrie wollen die Zölle behalten

Die EU hatte den USA im Sommer das Zugeständnis gemacht, die Vergeltungszölle nicht, wie ursprünglich geplant, zum 1. Juni zu verdoppeln. Doch die Schonfrist läuft Ende November aus, dann drohen höhere Zölle auf amerikanischen Bourbon, Orangensaft oder Harleys. 

„Die Amerikaner müssen sich jetzt bewegen“, fordert Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlaments. „Noch einmal kann die EU den Gegenschlag nicht verschieben. Die Glaubwürdigkeit Europas als Handelsmacht steht auf dem Spiel.“ Auch mit Lange will sich Tai noch treffen, bevor sie nach London weiterreist.

Die EU besteht darauf, dass eine mögliche Einigung WTO-konform ist. Die US-Zölle, für die Washington Sicherheitsinteressen geltend gemacht hatte, seien offenkundig illegal, argumentiert Brüssel. Europäischer Stahl sei keine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA. Vielmehr sei die EU ein „verlässlicher US-Verbündeter“ und nicht für die globalen Überkapazitäten für Stahl und Aluminium verantwortlich.

Eine Sprecherhin der Kommission stellt daher klar: „Die von den Vereinigten Staaten unter Präsident Trump aus Gründen der nationalen Sicherheit erlassenen Section-232-Zölle gegen EU-Ausfuhren von Stahl und Aluminium müssen schnell und dauerhaft aufgehoben werden.“ 

Diese unnachgiebige Handlung spiegelt allerdings nicht unbedingt das wider, was hinter verschlossenen Türen diskutiert wird. Es ist durchaus denkbar, dass die EU einer Quotenregelung zustimmt, wenn die Importbeschränkung so hoch angesetzt wird, dass sie nur in Ausnahmesituationen zur Anwendung käme. 

Gesprächsstoff für Tais Treffen mit Dombrovskis und Lange jedenfalls gibt es genug. Ein Streitpunkt wird sein: Die USA wollen die Quote an dem europäischen Exportvolumen der vergangenen Jahre auszurichten. Die EU verlangt dagegen, nur die Jahre vor 2018 zu betrachten, da die Trump-Zölle seither einen Rückgang der Ausfuhren bewirkt haben, der für Europa nicht akzeptabel ist.

In Brüssel wird darauf verwiesen, dass eine schnelle Lösung auch im Interesse der USA sei. Tatsächlich sitzen Biden mehrere Branchen im Nacken. „Die Zölle sind verheerend“, klagte der größte Brennerei-Verband in den USA. Die amerikanischen Bourbon-Exporte in die EU sind um fast 40 Prozent eingebrochen. 

Auch das Metall verarbeitende Gewerbe setzt den US-Präsidenten zunehmend unter Druck: Die meisten Unternehmensgruppen kritisieren die Strafzölle als unnötige finanzielle Belastung, da sie mit der Lieferkettenkrise, explodierenden Rohstoffpreisen, Engpässen und steigender Inflation zu kämpfen haben. Die US Chamber of Commerce, größter Lobbyverband der USA, drängt auf ein schnelles Ende der Strafzölle. „Es ist höchste Zeit“, warnte die Organisation, die mehr als 7000 Firmen vertritt. „Der Preis des Wartens ist zu hoch.“ 

Zudem steht der Handelsstreit mit den Europäern dem wichtigsten strategischen Ziel der US-Regierung im Weg: einer engeren transatlantischen Kooperation in der China-Politik. 

Allerdings gibt es ein einflussreiches Lager, dass der Grund dafür sein dürfte, warum die Zölle so lange aufrechterhalten wurden. Der Rückhalt aus dem Mittleren Westen der USA ist für Biden und seine Partei, die US-Demokraten, politisch wichtig. Bei den Präsidentschaftswahlen 2018 waren es viele Staaten in dieser Region, die Biden den Sieg gegen Trump sicherten.

Die Gewerkschaft United Steelworkers (USW), die Hunderttausende Arbeiter in der Fertigung vertritt, hat im Mittleren Westen viel Einfluss. Tatsächlich sorgte der Handelskrieg dafür, dass Stahlimporte – speziell aus China – drastisch reduziert wurden, der Verfall der heimischen Industrie wurde leicht gebremst

Die Furcht vor chinesischem Billigstahl

Die Stahlhersteller drängen darauf, dass Biden die Strafzölle auch gegen die EU aufrechterhält – oder zumindest eine Alternative präsentiert, etwa in Form der erwogenen Zollkontingente. In einem Brandbrief an Biden warnten die USW, das American Iron and Steel Institute und die Steel Manufacturers Association vor einem kompletten Stopp der Handelsbarrieren.

Fallen die Zölle, so die Kritik, würde chinesischer Billigstahl über Drittländer verstärkt in den US-Markt gespült. Die amerikanischen Stahlhersteller fordern deshalb eine Klausel, nach der Stahlimporte aus der EU tatsächlich ihren Ursprung in der EU haben.

Das Reizthema China spielt auch in den Verhandlungen zwischen Washington und Brüssel eine große Rolle. Die Biden-Regierung drängt auf einen transatlantischen Schulterschluss gegen Peking und fordert, die EU müsse stärker gegen chinesische Billigkonkurrenz vorgehen. China produziert die Hälfte des weltweiten Stahls.

Auch vor Beendigung ihrer aktuellen Reise machte Tai klar, was sie von den Europäern erwartet: Man bemühe sich um die „Bewältigung der globalen Überkapazitäten und die gemeinsamen Herausforderungen durch Nichtmarktwirtschaften“. Gemeint war damit: China.

Mehr: Kein großer Deal, keine Illusionen – Die USA rücken von zentralen Zielen im Handelskrieg mit China ab

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