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Heiner Flassbeck im Interview „Deutschland drückt die anderen an die Wand“

Wenn von Euro-Krise die Rede ist, geht es meist um Südeuropa. Doch für Heiner Flassbeck steht fest: Das wahre Problem ist Deutschland. Die Deutschen müssen ihr Wirtschaftsmodell radikal ändern, fordert der Top-Ökonom.
29.05.2013 - 12:42 Uhr 181 Kommentare
Heiner Flassbeck war Staatssekretär unter Ex-Bundesfinanzminister Lafontaine und von 2003 bis Ende 2012 Chefökonom der UNO-Handels- und Entwicklungsorganisation UNCTAD. Quelle: dpa

Heiner Flassbeck war Staatssekretär unter Ex-Bundesfinanzminister Lafontaine und von 2003 bis Ende 2012 Chefökonom der UNO-Handels- und Entwicklungsorganisation UNCTAD.

(Foto: dpa)

Herr Flassbeck, wie sieht der Euro in fünf Jahren aus? Gibt es ihn überhaupt noch?
Wenn ich ehrlich sein soll: Nein, nicht in der jetzigen Form.

Warum?

Weil die Währungsunion gegen eine Wand fährt. Sie steckt seit sieben Quartalen in der Rezession. Damit sich daran etwas ändert, müsste es schon eine fundamentale Wende in der europäischen Wirtschaftspolitik geben, ausgehend von Deutschland. Danach sieht es nicht aus.

Wo liegt das Problem?
Das Grundproblem ist das Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Euro-Zone. Solange die Lücke zwischen Deutschland und dem Süden, aber auch Frankreich so groß ist, gibt es keine Chance, diese Währungsunion zu retten.

Der deutsche Weg heißt: Sparen. Was ist falsch daran?
Das ist eine deutsche Illusion. Die von Deutschland verordnete Sparpolitik verschärft die Rezession. Wenn alle versuchen zu sparen, bricht die Wirtschaft zusammen. Irgendjemand muss sich verschulden, sonst kann es auch kein Sparen und kein Wachstum geben.

Dennoch ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland viel geringer als in anderen europäischen Ländern. Das spricht doch für das deutsche Modell.
Ich sage nicht, dass Deutschland nicht profitiert hat. Allerdings ging das Wachstum auf Kosten der anderen europäischen Länder. Deutschland hat die anderen an die Wand gedrückt.

Deutschland soll also schuld sein an der Euro-Krise. Ist das nicht etwas verkürzt?
Nicht allein, aber zu einem erheblichen Teil. Deutschland hat ein völlig absurdes Wirtschaftsmodell. Die Haushalte sparen, der Staat spart, die Unternehmen sparen - alle sparen. Nur: Wenn auf der einen Seite gespart wird, muss sich jemand auf der anderen Seite verschulden. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die anderen europäischen Länder bei uns verschuldet. Doch dieses Modell ist jetzt gescheitert.

Was kann Deutschland dafür, dass andere über ihre Verhältnisse leben?
Die einzig bedeutsame Regel einer Währungsunion lautet, dass jeder seine Löhne an die Produktivität plus Inflationsziel anzupassen hat. Deutschland hat das nicht getan. Die Löhne sind auf politischen Druck hin viel zu wenig gestiegen.

„Die Löhne müssen steigen“
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181 Kommentare zu "Heiner Flassbeck im Interview: „Deutschland drückt die anderen an die Wand“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • ich kann mich in ökonomische Argumente nur schwer reindenken, habe aber Paul Krugman´s "Der Mythos vom globalen Wirtschaftskrieg" (1999) gelesen und war entsetzt, wie gering (bei diversen Industrienationen)der Exportanteil am Gesamtbruttoinlandsprodukt ist. Und dennoch wird alles in der Wirtschaftspolitik an der Exporttüchtigkeit ausgerichtet, besonders in Deutschland...als gäbe es keine Binnenwirtschaft. Grotesk.

  • Weil Lohnkürzungen unmittelbar (schon bei ihrer Ankündigung) zu Ausgabensenkungen führen, die vermutete Preissenkung aber erst in einigen Perioden später. Dies hat selbst Herr Sinn erkannt und in einem seiner letzten Vorträge erwähnt. Siehe YT...

  • @Weberfon
    Sie haben schon recht - allerdings gibt es da eine kleine, unbeugsame Partei im DBT, die einzige Oppositionspartei, die wirklich etwas anderes will. Diese Partei hat die Euroeinführung stets abgelehnt und hat gegen die Bankenrettungspakete gestimmt. Die einzige Partei, die die Kosten des ganzen Schlamassels von denen bezahlen lassen will, die die Krise verursacht bzw. an ihr verdient haben. "Du weißt schon wer" ist die die derzeit einzige, ernst zu nehmende Alternative. Die AfD ist das m.E. jedenfalls definitiv nicht!
    LG Traumschau

  • Geld und Macht konzentrieren sich immer mehr - das zerstört die Gesellschaft. Mehr braucht man nicht zu wissen, um die derzeitige weltweite Situation zu verstehen.
    Die von Herrn Flaßbeck geforderte Lohnerhöhung für Deutschland würde das etwas ausgleichen - aber das Problem ist, dass die Gewinner eben auch hier nicht gern abgeben - siehe oben.
    Also läuft es darauf hinaus, dass ein paar Leute märchenhaft reich werden, und alle anderen damit beschäftigt sind, sich um die Brotkrumen zu prügeln, die vom Tisch fallen.
    Eine Bewegung, die dem etwas entgegensetzen kann, sehe ich derzeit nicht.

  • Das spielt keine Rolle, welche Waren oder Dienstleistungen es sind. Aber die können ihre Schulden nur mit einem von beiden zahlen. Warenschulden müssen mit Waren bezahlt werden. Dazu muß Deutschland mehr importieren. Einfache Logik.

  • Die des Universums, in dem wir leben.

  • Alles das, was Traumschau geschrieben hat: +1
    Ich habe vorher alle Kommentare gelesen und war wirklich erschrocken über den volkswirtschaftlichen Unverstand, der bei einigen Kommentatoren vorliegt. Ich kann da aber eigentlich auch keinem einen großen Vorwurf machen, da die Mainstream-Medien offensichtlich schon ganze Arbeit geleistet haben.
    Der Großteil der Kommentatoren sollte evtl. mal die Suchmaschine seines Vertrauens bemühen und Beiträge zu den Themen "Saldenmechanik" und "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" anschauen. Wenn man nicht zu ideologisch verbohrt ist, wird wahrscheinlich ein Aha-Effekt ausgelöst.
    Und als Abschluss: Flassbeck hat Recht. Und alles ist empirisch belegt.

  • @ Bonsta
    Im Wesentliche stimme ich Ihnen zu: nichts ist für die Volkswirtschaft schädlicher als das Ermüden oder Zusammenbrechen der Zirkulation im Sinne eines anhaltenden und schnellen Umschlags von Geld in Güter und Dienstleistungen und umgekehrt. Allerdings bin ich der Auffassung, dass hohe Umschlaggeschwindigkeit nicht zwingend durch Schulden erkauft werden soll - insbesondere nicht durch Staatsschulden. Privatleute und Unternehmen untermauern ihre Ausgaben nahezu ausnahmslos durch Erfolgs- und Rückflussrechnungen. Im Allgemeinen verzichtet der Staat nicht nur auf solche Mühen, sondern stellt seine Beschäftigten sogar von der Haftung frei. Über die Haftungsfreistellung hinausgehend wird nun sogar an Sparbeschlüssen herumgedreht. Wähler sollten kritisch abwägen, ob dadurch wirklich die Überwindung von Arbeitslosigkeit und Wettbewerbsschwäche erreicht werden wird, oder ob man Marketing unter den verdrossenen Wählern betrieben wird. Ich wünsche den politischen Vorhaben viel Erfolg, aber bin betreffend die Erfolgserwartungen bescheidener.

  • @Uwe
    "Interessant sind die Analysen, die sich mit meinen decken. Auch die gleichen Formulierungen zeigen, dass mein ökonomisches Verständnis nicht so schlecht sein kann. Mit den Schlussfolgerungen unterscheiden wir uns jedoch gewaltig. So schlägt Flassbeck doch tatsächlich vor, damit die Eurozone nicht auseinanderfällt, dass Deutschland seine Löhne erhöht und seine globalen Wettbewerbsvorteile aufgibt. Nur damit der Süden seine Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone wiedererlangt.

    Der bessere Weg aus der Euro-Misere ist, das Deutschland zuerst die Eurozone verlässt."

    Darauf bezog ich mich! Ihre Überlegung ist deshalb falsch, weil die Grundannahme schon nicht stimmt. Sie glauben, dass D. seine Wettbewerbsfähigkeit aufgibt, wenn wir - wie es in einer Währungsunion nur sein kann - uns auf einem gemeinsamen Inflationspfad bewegen. Wenn man das aber nicht will, darf man keiner Währungsunion beitreten - so einfach ist das!
    Außerdem würde unsere Wettbewerbsfähigkeit z.B. gegenüber China sowieso immer verlieren, denn China hat eine eigene Währung, die sie einfach abwerten, wenn sie meinen das ist gut für sie. Die ganze Welt beklagt einen unterbewerteten Renminbi. Haben Sie das nicht mitbekommen?
    Kein Land mit eigener Währung wird auf Dauer Defizite akzeptieren und deshalb abwerten. Zu DM-Zeiten haben wir oft aufgewertet. War das ein Problem? NÖ, weil unsere Produktivität sehr hoch ist. Da kann man dann auch hohe Löhne zahlen - nein, man MUSS höhere Löhne zahlen, weil kein Land der Welt auf Dauer nur von den Exporten leben kann. Man macht sich mit einer solchen Wirtschaftspolitik sehr angreifbar. Das werden wir sehr bald erleben.
    Weil Sie das alles schon nicht mitdenken, ist Ihr ganzes Statement schlicht falsch, sorry!

  • @Traumschau, sie haben mein Szenario nicht einmal gelesen. Vergessen sie es.
    Wenn man diskutieren will, muss man sich schon auf gleicher Ebene befinden.

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