Jemen: Das Kinder-Sterben im Schatten des Syrien-Krieges
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Hungerkrise im JemenDas Kinder-Sterben im Schatten des Syrien-Krieges
Dass sich auch im Süden der arabischen Halbinsel eine Tragödie abspielt, scheint im Westen so gut wie vergessen. Doch der Krieg im Jemen fordert viele Opfer. Laut Unicef-Bericht stirbt dort alle zehn Minuten ein Kind.
Sanaa Die Haut hängt faltig an den dünnen Ärmchen und am Hals wie bei einem Greis. Am Brustkorb spannt sich die dünne Haut über die Rippen des zweijährigen Mohammed. Wegen Unterernährung liegt er in einem Krankenhaus im Jemen. „Es ist ein immenser Schmerz, wenn ich meine Kinder so sehe“, sagt seine Mutter, Umm Mohamed. „Das einzige wofür ich noch bete ist, dass ich Brot finde, um ihren Hunger zu stillen.“
Sechs Kinder hat die 40-jährige Hausfrau. Vor ein paar Monaten hat sie Mohammed ins Krankenhaus in der westlichen jemenitischen Provinz Hudaida gebracht, weil sie zuhause nicht mehr für ihn sorgen konnte. Die Mutter ist auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen, die sie ab und an bekommt – aber nicht regelmäßig.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) schätzt, dass rund 31 Prozent der Kinder unter fünf Jahren im Jemen an Unterernährung leiden. Nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef sind es 2,2 Millionen Kinder. Erst kürzlich appellierte die zuständige Unicef-Verantwortliche für den Jemen, Meritxel Relano, an die Weltgemeinschaft, den Kindern zu helfen. Die Unterernährung habe einen Höhepunkt erreicht, sagte sie. Der Gesundheitszustand der Kinder sei noch nie so schlecht gewesen.
Krisenherde in der arabischen Welt
Seit 2011 wird das Land von einem Bürgerkrieg und dem Terror des Islamischen Staates (IS) erschüttert, mehr als 400.000 Menschen kamen bereits ums Leben. Millionen wurden vertrieben.
Der zeitweilige Vormarsch des IS hat viele Menschenleben gekostet. 2015 starben in dem zerrütteten Land mehr als 7.500 Zivilpersonen eines gewaltsamen Todes. Dieses Jahr waren es bis September mehr als 4.000.
Seit 2008 gab es drei Gaza-Kriege. Allein während des jüngsten Konflikts im Sommer 2014 wurden mehr als 2.200 Menschen getötet.
Im Kurdenkonflikt starben seit 1984 mehr als 40.000 Menschen. Er strahlt in Nachbarländer ab. Seit 2015 eine Waffenruhe endete, herrschen in Teilen der Südosttürkei bürgerkriegsähnliche Zustände.
Im Bürgerkrieg zwischen der von Saudi-Arabien unterstützten sunnitischen Regierung und den schiitischen Huthi-Rebellen sind seit März 2015 mehr als 4.000 Zivilisten getötet worden.
Das ägyptische Militär kämpft auf der Halbinsel gegen das Terrornetzwerk Islamischer Staat. Hunderte Menschen starben seit 2011 bei Anschlägen radikaler Islamisten auf der Halbinsel und in Kairo.
Libyen ist nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 in Chaos und Bürgerkrieg versunken. Das Land gilt als Sammelbecken für IS-Kader aus dem Kerngebiet in Syrien und dem Irak.
„Wir hatten ein gutes Leben“, sagt Umm Mohammed, „mein Mann arbeitete als Fischer. Aber der Krieg hat alles zerstört.“ Wegen der Kämpfe und der Luftangriffe der saudischen Koalition sei es zu gefährlich zu fischen. Das Einkommen fiel weg. „Denn die Luftangriffe unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.“
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Mit ihrer Familie lebt Umm Mohammed in der Provinz Hudaida im Westen des Jemen. Die Region wird ebenso wie große Teile des Nordens von den schiitischen Huthi-Rebellen kontrolliert. Hudaida gehört zu den ärmsten Regionen des ohnehin schon bitterarmen Jemen. Viele Menschen arbeiteten als Fischer oder Bauern. Aber Kämpfe und Belagerung machen das Leben zu einem täglichen Kampf auch für die Zivilisten.
Die Familie lebe häufig nur von trockenem Brot und Wasser, erzählt Umm Mohammed. Hilfslieferungen mit Milch, Reis oder Öl erreichten sie nur selten. „Wann hört der Krieg endlich auf?“, fragt die Frau verzweifelt. „Er hat uns nur Zerstörung und Hunger gebracht.“
Seit März 2015 ist der Kampf noch einmal intensiver geworden. Die Huthis hatten bereits die Hauptstadt Sanaa eingenommen und den Präsidenten ins Exil getrieben. Als die Rebellen auch auf die Hafenstadt Aden im Süden vorrückten, reagierte Saudi-Arabien und fliegt seitdem mit weiteren sunnitischen Ländern regelmäßig Luftangriffe im Jemen. Die sunnitische Allianz fürchtet auf der arabischen Halbinsel einen zu großen Einfluss des schiitischen Irans, dem sie die Unterstützung der Rebellen vorwirft.
In dem Krankenhaus in Hudaida liegen neben dem zweijährigen Mohammed noch dutzende weitere Kinder, die wegen Unterernährung behandelt werden. „Das hat auch mit der Arbeitslosigkeit hier in der Region zu tun“, sagt der Leiter der Kinderabteilung im Krankenhaus, Monadschi Dschebril. Statt die Kinder in der städtischen Klinik zu behandeln, bräuchte es spezielle Zentren in allen Städten und vor allem auch mobile Kliniken, um ländliche Regionen zu erreichen, sagt er.
Rund 100 Kinder behandele er in der Klinik. Jeden Monat. Einige Kinder bleiben zwei Wochen, andere benötigten Monate, um wieder einigermaßen gesund zu werden. Denn mit der Unterernährung gingen häufig andere Krankheiten einher: Durchfall etwa, Mangelerscheinungen oder Atemwegserkrankungen. Nach Schätzungen von Unicef stirbt im Jemen alle zehn Minuten ein Kind an den Folgen dieser Krankheiten.
6 Kommentare zu "Hungerkrise im Jemen: Das Kinder-Sterben im Schatten des Syrien-Krieges"
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G. Nampf
Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich. http://www.handelsblatt.com/netiquette
Herr Tom Schmidt
@Nampf
Ja, die Form des Konflkts wäre ein wenig anders.... nein, auch nicht wirklich, weil dann eben andere entsprechende Waffen liefern würden.
Aber vielleicht behalten Sie folgendes im Hinterkopf: Deutschland hat im 30-jährigen Krieg ca. 60 % seiner Bevölkerung verloren... mit den damaligen, äusserst rudimentären Waffen. Und bei genauer Betrachtung: das war woanders schon immer genauso. Kriegselend hat rein gar nichts mit der Qualität von Waffen zu tun... zu Not geht das auch mit ein paar Knüppeln!
locked...
So traurig das ist: aber die reichen Länder werden den Geburtenüberschuss der sog. 3.Welt-Länder nicht finanzieren können/wollen. Die einzige Lösung: die Ein-Kind-Politik nach dem Vorbild Chinas.
G. Nampf
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Herr Tom Schmidt
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@Nampf
Ja, die Form des Konflkts wäre ein wenig anders.... nein, auch nicht wirklich, weil dann eben andere entsprechende Waffen liefern würden.
Aber vielleicht behalten Sie folgendes im Hinterkopf: Deutschland hat im 30-jährigen Krieg ca. 60 % seiner Bevölkerung verloren... mit den damaligen, äusserst rudimentären Waffen. Und bei genauer Betrachtung: das war woanders schon immer genauso. Kriegselend hat rein gar nichts mit der Qualität von Waffen zu tun... zu Not geht das auch mit ein paar Knüppeln!
So traurig das ist: aber die reichen Länder werden den Geburtenüberschuss der
sog. 3.Welt-Länder nicht finanzieren können/wollen. Die einzige Lösung: die Ein-Kind-Politik nach dem Vorbild Chinas.
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