Experten sind sich einig, dass die Probleme des Landes auf eine verfehlte Wirtschaftspolitik der sozialistischen Regierung zurückgehen. Venezuela war einmal wohlhabend, leidet aber unter Misswirtschaft wie der einseitigen Ausrichtung auf Ölexporte: 95 Prozent der Einnahmen kommen daraus. Der globale Ölpreisverfall trifft Venezuela daher besonders hart. So sanken Öleinnahmen von 39,7 Milliarden Dollar 2014 auf 5,3 Milliarden Dollar 2016. Und die Hyperinflation mit Raten von geschätzt fast 1000 Prozent entwertet das Geld rasant. Die Einfuhr von Lebensmitteln und Medikamenten wird immer teurer. Schon jetzt sind gerade in der Hauptstadt Caracas überall Menschen zu sehen, die im Müll nach Essen suchen.
Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil es keine einheitliche Definition von Staatspleiten gibt. Auch ein Insolvenzrecht, wie bei Zahlungsschwierigkeiten von Privathaushalten, existiert für Staaten nicht. Allgemein wird von einer Pleite gesprochen, wenn ein Land seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Dieser Fall ist in Venezuela im Grunde eingetreten: Die Rating-Agenturen Standard & Poor's und Fitch haben einen Zahlungsausfall festgestellt, weil Venezuela fällige Zinsen für Staatsanleihen nicht fristgerecht gezahlt hat. Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach.
Ein Zahlungsausfall ist bei Ländern nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer umfassenden Staatspleite. So kann es durchaus sein, dass Venezuela die säumigen Zinsen doch noch zahlt. Rating-Agenturen sprechen daher auch von einem „begrenzten“ oder „technischen“ Zahlungsausfall. Damit soll signalisiert werden, dass das Land Zahlungsprobleme hat. Für die Frage, ob Venezuela nachhaltig pleite ist oder nicht, ist aber entscheidend, ob der Staat nur vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr zahlt.
Neben Rating-Agenturen, die die Kreditwürdigkeit von Staaten bewerten, kommt dem Derivateverband ISDA eine wichtige Rolle zu. Dieser hat sich dem Urteil der Rating-Agenturen angeschlossen und am späten Donnerstag entschieden, dass spezielle Versicherungen für Investoren gegen einen Zahlungsausfall Venezuelas im Wert von fast 1,6 Milliarden Dollar (1,36 Milliarden Euro) ausgezahlt werden müssen.
Das Land kann die Pleite ausrufen, so wie es Russland 1998 getan hat. Präsident Nicolás Maduro hat schon eine Restrukturierung der Schulden angekündigt. Das bedeutet, dass das Land mit seinen Gläubigern neu verhandelt. Ziel ist eine Schuldenerleichterung, entweder per Schuldenerlass (Schuldenschnitt) oder indirekt etwa über eine Verlängerung der Schuldenlaufzeit. Russland, einer der wenigen Verbündeten, hat einer Erleichterung schon zugestimmt.
Eine Staatspleite könnte zum Sturz des Präsidenten führen. Kenner des Machtgefüges in Caracas sagen, dass viele Sozialisten Anleihen vor allem des Ölkonzerns PDVSA besitzen und viel Geld verlieren würden. Daher sei auch der Druck auf Maduro so groß, keine Pleite zuzulassen.
Weitreichende. Der Pleitestaat, verliert über Jahre seine Kreditwürdigkeit. Die Gläubiger, gerade aus dem Ausland, sind dann nicht mehr bereit, neue Darlehen zu gewähren. Das kann schwere wirtschaftliche Verwerfungen nach sich ziehen, weil dringende Staatsausgaben nicht mehr finanzierbar sind. Und die Gläubiger, oft große Banken, laufen Gefahr, einen Großteil ihrer Forderungen zu verlieren. Daher ist das Interesse an einem Kompromiss auf beiden Seiten groß. Meist besteht er aus einem teilweisen Schuldenerlass.
Ja, auch wenn Venezuela ein relativ kleiner Abnehmer deutscher Exporte ist. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat bereits vor finanziellen Ausfällen gewarnt. „Das gilt insbesondere für die Unternehmen, die in der Vergangenheit Waren und Dienstleistungen an den venezolanischen Staat oder seine Staatsunternehmen geliefert haben“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Viele von ihnen hätten erhebliche Außenstände. „Wenn die Finanzlage im einst reichsten Staat Lateinamerikas tatsächlich so hoffnungslos ist, wie es den Anschein hat, droht ein Totalverlust.“
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