Impeachment Zweites Amtsenthebungsverfahren: Trump warnt vor „enormer Wut“ im Land
Washington, Berlin, Düsseldorf Noch nie haben Parlamentarier in den USA gegen einen Präsidenten gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Noch nie gab es ein solches Verfahren nur wenige Tage vor Ablauf der regulären Amtszeit eines Präsidenten. Und noch nie waren die Vorwürfe gegen einen Präsidenten so gravierend und berührten die Fundamente der demokratischen Verfassung so stark wie in diesem Fall. Es gibt also gleich mehrere Gründe, dieses Impeachmentverfahren historisch zu nennen.
In der Anklage der Demokraten im Repräsentantenhaus wird Donald Trump ein „Aufstand gegen die USA“ vorgeworfen. Tatsächlich dürfte der Sturm auf das Kapitol als ein prägendes Ereignis in die amerikanische Geschichte eingehen. Der 6. Januar ist so etwas wie ein Vermächtnis der Präsidentschaft Trumps, der Amerika – und ein Stück weit den Rest der Welt in einen Dauer-Ausnahmezustand versetzt hat.
Am Dienstag äußerte sich der amtierende Präsident erstmals öffentlich zu den Vorwürfen, er habe den Sturm auf den Kongress durch seine Rede vor seinen Anhängern ausgelöst. Seine Wortwahl sei „völlig angemessen“ gewesen, so Trump. Das Impeachmentverfahren verurteilte er als Fortsetzung der „Hexenjagd“ auf ihn. Das sorge für „enorme Wut“ im Land. Er wolle allerdings „niemals Gewalt“.
Trotz aller Beteuerungen des Präsidenten: Die Beseitigung der politischen Schäden jenes 6. Januars, die Aufarbeitung im Rahmen dieses Impeachments wird sich weit in die Amtszeit Joe Bidens hineinziehen. Der 78-jährige Demokrat wird am 20. Januar auf den Treppen vor dem Kapitol vereidigt, also genau an jener Stelle, wo vor einer Woche noch Trump-Anhänger seinen Amtsantritt verhindern wollten. Mehr Symbolkraft geht nicht.
Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen dieses Impeachment-Verfahrens.
Was werfen die Demokraten dem Präsidenten vor?
In ihrer Anklageschrift werfen die Demokraten Trump vor, einen „Aufstand oder eine Rebellion“ gegen Regierungsinstitutionen der USA angestachelt zu haben. Sie verknüpfen ihren Vorstoß mit der Forderung, Trump von allen politischen Ämtern in Zukunft zu verbannen. Interessant ist, dass sich die Anklage nicht allein mit dem Aufstand auf dem Capitol Hill befasst, zu dem Trump seine Anhänger aufgefordert hatte.
Die Vorlage der Demokraten listet Trumps Feldzug gegen die Demokratie auf, unter anderem dessen wochenlangen Kampf gegen das Wahlergebnis vom 3. November und sein Droh-Telefonat mit der Regierung des Bundesstaates Georgia.

Die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Verurteilung Trumps im Rahmen des Impeachments erscheint unrealistisch.
Wie läuft das Verfahren ab?
Zunächst gibt es eine Anklageerhebung durch das Repräsentantenhaus. Da die Demokraten mit ihren 222 Sitzen dort über eine Mehrheit verfügen, sind sie für eine Absetzung des Präsidenten nicht auf die Republikaner angewiesen. Denn es reicht eine einfache Mehrheit. Um Trump aus dem Weißen Haus zu drängen, brauchen die Demokraten bei der anschließenden Verhandlung im Senat jedoch die Unterstützung der Republikaner. Für eine Verurteilung des Präsidenten ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.
Wie realistisch ist eine Verurteilung Trumps?
Die Demokraten hatten den Präsidenten bereits im Dezember 2019 im Rahmen der Ukrainekrise wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses angeklagt. Drei Monate später sprach ihn der republikanisch dominierte Senat frei.
Auch in dem jetzt anstehenden Verfahren ist es unwahrscheinlich, dass die Demokraten die zur Verurteilung des Präsidenten notwendige Zweidrittelmehrheit zusammenbekommen. Auch wenn die Demokraten nach den Stichwahlen in Georgia im Senat über eine knappe Mehrheit verfügen und selbst wenn eine Handvoll Republikaner sich gegen Trump wenden sollte, reicht das immer noch nicht für 67 der 100 Stimmen im Senat.
Auch zeitlich ist ein Urteil vor der Machtübergabe nahezu ausgeschlossen. Der bisherige republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, will mit den Beratungen frühesten am 19. Januar beginnen, also einen Tag vor Bidens Vereidigung am kommenden Donnerstag.

Der Sturm auf das Kapitol ist der Anlass für das Bestreben der Demokraten, Präsident Trump aus dem Amt zu entfernen.
Lässt sich das Verfahren beschleunigen?
Es gibt in Washington diverse Spekulationen darüber, wie sich das Impeachmentverfahren beschleunigen ließe, um Trump womöglich noch nach Ende seiner Amtszeit zu verfolgen. So könnte das Repräsentantenhaus direkt die Klage erarbeiten, ohne den Justizausschuss mit einzubeziehen.
Doch auch wenn es eine schnelle Abstimmung über ein Impeachment in der ersten Kammer gäbe, müssten die Demokraten die Neubesetzung des Senats abwarten. Diese wird erst nach der Amtseinführung Bidens vollzogen. Da die beiden demokratischen Kandidaten die Nachwahl in Georgia gewonnen hatten, verfügen die Demokraten wegen der ausschlaggebenden Stimme der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris nach der Amtsübergabe über eine knappe Mehrheit im Senat.
Das heißt, der mehrheitlich demokratische Senat könnte dann die Länge und Regeln des Verfahrens bestimmen. Das bedeutet, dass der Senat dafür stimmen kann, juristisch gegen Trump vorzugehen, obwohl dieser nicht mehr im Amt ist.
All das allerdings ändert auch nichts an der Tatsache, dass eine Zweidrittelmehrheit für eine Verurteilung im Rahmen des Impeachments unrealistisch ist. Denn dafür fehlen den künftigen 50 demokratischen Senatoren immer noch 17 Republikaner.
Was bezwecken die Demokraten mit dem Verfahren?
Die Amtsenthebung ist gar nicht das wichtigste Ziel der Demokraten. Sie hat eher symbolische Bedeutung, die künftigen Präsidenten eine Warnung sein und Trump nicht ungestraft davonkommen lassen soll. Den Demokraten geht es also zunächst darum, mit dem Verfahren ein Zeichen zu setzen. Die grotesken Bilder von der „Schändung“ (O-Ton Pelosi) der wichtigsten US-Institution haben zu einem globalen Reputationsverlust der amerikanischen Demokratie geführt. Das dürfe nicht ungesühnt bleiben – so die Argumentation der Demokraten.
In dem Resolutionsentwurf steht, dass Trump für künftige Regierungsämter gesperrt werden soll. Der Noch-Präsident hat bereits mehrmals gesagt, dass er sich nach seiner Amtszeit nicht aus der Politik zurückziehen wolle. Sogar eine erneute Kandidatur im Jahr 2024 hatte Trump im Dezember angedeutet. Dem wollen die Demokraten nun einen Riegel vorschieben.
Das zeigt zweierlei: Sie trauen dem Demagogen Trump auch nach den jüngsten Eskapaden durchaus ein politisches Comeback zu. Zudem halten sie die Trump-Basis für so stabil und groß, dass sie ein bestimmender Faktor der amerikanischen Politik bleiben wird. Die Demokraten wissen: 74 Millionen US-Bürger hatten Trump bei den Wahlen im November gewählt.
Warum gehen die Demokraten nicht einen einfacheren Weg nach Zusatzartikel 25?
Parallel arbeiten die Demokraten an einer Resolution, um Druck auf Vizepräsident Mike Pence auszuüben: Sie stellen ihm und dem US-Kabinett ein Ultimatum von 24 Stunden, selbst aktiv zu werden und Trump für amtsunfähig zu erklären. Der 25. Zusatzartikel der US-Verfassung sieht ein solches Verfahren vor, wenn der Präsident nicht mehr in der Lage ist, seine Geschäfte gemäß seinem Amtseid auszuführen.
Über diese Resolution wurde am späten Dienstagabend im Repräsentantenhaus abgestimmt, wo die Demokraten eine Mehrheit haben. Pence verkündete allerdings bereits vorher am Dienstagabend, dass er nicht vorhabe Trump vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. Ein solches Vorgehen sei weder im Interesse der Nation noch im Einklang mit der Verfassung und würde einen „schrecklichen Präzedenzfall“ schaffen, argumentierte der Republikaner.
Wer sind die wichtigsten Akteure?
Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, leitete schon das erste Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump ein. Schon damals machte sie sich die Entscheidung nicht leicht, denn die Demokraten wollten den Start des Wahljahres 2020 nicht von einer Dauerdebatte über Trump überschatten lassen.
Doch der Druck der Demokraten in der Ukraine-Affäre war zu groß, um es nicht wenigstens zu versuchen. Der republikanisch dominierte Senat mit Mehrheitsführer McConnell entlastete Trump damals von den Vorwürfen.

Die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus leitete schon das erste Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump ein.
Auch jetzt ist das Timing des Impeachments schwierig, denn eigentlich will man mit dem designierten Präsidenten Joe Biden auf einen Neustart setzen, Trump hinter sich lassen und das Land wieder versöhnen. Eine politischer Schaukampf würde den Streit jedoch neu entfachen und auch die Zusammenarbeit zwischen Biden und den Republikanern erschweren. Für viele seiner politischen Vorhaben braucht der Präsident nicht nur die 51 demokratischen, sondern insgesamt 60 Stimmen im Senat.
Biden hat vorgeschlagen, dass die Senatoren ihre Zeit aufteilen: Zur Hälfte sollen sie sich mit Trumps Amtsenthebung beschäftigen, den Rest der Zeit sollen sie nutzen, um Bidens Agenda zu befördern.
Es ist möglich, dass Pelosi eine Zwischenlösung wählt: Sie kann das Impeachment im Repräsentantenhaus zur Abstimmung bringen, aber erst in einigen Monaten an den Senat übergeben. Dort wird ihr Parteifreund Chuck Schumer spätestens ab dem 22. Januar die Demokraten-Mehrheit anführen.
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