Impfchaos in Europa EU-Impfchefin Gallina will auf Astra-Zeneca-Lieferausfälle reagieren

Die EU-Spitzenbeamtin wich den brennenden Fragen im Europaparlament geschickt aus.
Brüssel Es dauerte bis zum Ende der Sitzung des Haushaltskontrollausschusses des Europaparlaments, bis die EU-Chefunterhändlerin Sandra Gallina mit harten Fragen zur miserablen Bilanz der bisherigen Impfstrategie konfrontiert wurde.
Es war die Ausschussvorsitzende Monika Hohlmeier (CSU), die Gallina dabei unter Druck setzte. Gallina leitet in der EU-Kommission den Ankauf von Impfstoffen – und die Kritik an ihr und ihrer Strategie reißt nicht ab.
Auch diesmal wurden die Abgeordneten von den Antworten eher enttäuscht als positiv überrascht. Denn die Italienerin ließ jegliche Kritik einfach an sich abprallen. Sie wich den Fragen in den meisten Fällen geschickt mit Allgemeinplätzen aus – auch denen von Hohlmeier.
Die graduierte Übersetzerin Gallina antwortete lieber mit Plattitüden wie: „Bessere Kommunikation ist auf alle Fälle gut.“ Zum Mangel an Impfstoff vonseiten des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astra-Zeneca sagte Gallina mit ernster Miene: „Die Leute haben offenbar den Eindruck, dass ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden.“ Zum Phänomen eines wachsenden Schwarzmarktes mit gestohlenen Vakzinen gegen das Coronavirus formulierte sie ernst: „Ich weiß nicht, ob jemand auf dem Schwarzmarkt Impfdosen gekauft hat.“
Dabei ist der Unmut der Europaabgeordneten in Brüssel über die Strategie und Intransparenz der EU-Kommission gewaltig, denn überall in den 27 Mitgliedsländern steigen die Infektionszahlen. Der konservative Europaabgeordnete Tomáš Zdechovský ging angesichts der dramatisch hohen Inzidenzzahlen in seiner tschechischen Heimat die EU-Impfstoffbeschafferin frontal an. „Wir drohen die Unterstützung der Bürger zu verlieren“, schleuderte er Gallina, Mitarbeiterin von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, entgegen: „Die Schande von Astra-Zeneca darf nicht zur Schande der EU werden.“
Impf-Versprechen ist in Gefahr
Die Spitzenbeamtin hat am Dienstag angekündigt, auf die permanenten Lieferausfälle von Astra-Zeneca zu reagieren. „Wir werden alle Instrumente nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um die Dosen zu bekommen“, sagte Gallina.
„Wir beabsichtigen natürlich zu handeln.“ Allerdings ließ sie offen, was die Kommission genau vorhat. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat deshalb bereits einen Exportstopp für Impfstoffe von Astra-Zeneca in die Diskussion gebracht.
Ob das Versprechen von Ursula von der Leyen, 70 Prozent der Bürger bis Ende des Sommers zu impfen, überhaupt eingehalten werden kann, wird immer ungewisser. Auch Gallina blieb den Abgeordneten am Dienstag eine klare Antwort schuldig. Denn die Lieferschwierigkeiten von Astra-Zeneca halten weiter an. „Wir haben nicht einmal ein Viertel der Impfdosen erhalten, die uns versprochen wurden“, bekannte sie.
EU-Kommission will Export von Covid-19-Impfstoffen neu regulieren
Wie die seit Oktober 2020 im Amt befindliche Generaldirektorin für Gesundheit einräumen musste, stellt der Pharmakonzern nur an einem seiner fünf Produktionsstandorte das begehrte Vakzin her. Einen weiteren Standort prüft laut Gallina derzeit die EU-Arzneimittelbehörde Ema.
„Es ist unmöglich, einen Vertrag zu erfüllen, wenn von fünf Produktionsstätten nur eine funktioniert“, bekannte die Handelsexpertin. Eine kleine Hoffnung hielt sie aber bereit. Noch immer verhandelt die Kommission mit dem Pharmaunternehmen Novavax, dessen Impfstoff noch nicht die Genehmigung der Ema besitzt. „Das sieht zuversichtlich aus“, beteuerte Gallina.
Vier Impfstoffe in der EU zugelassen
Bislang sind in der EU nur vier Impfstoffe zugelassen: Astra-Zeneca, Biontech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson. Da aber die Impfdosen von Moderna begrenzt sind, kann ein Großteil der Impfungen nur mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin vollzogen werden. Große Hoffnungen liegen nun auf Johnson & Johnson. Der Impfstoff soll laut Gallina Mitte April in der EU lieferbar sein.
Nicht nur die weiter ungelösten Lieferschwierigkeiten ärgern die Europaabgeordneten, sondern auch die Intransparenz bei den Einkäufen. Entgegen den im Februar gemachten Versprechen von Gallina können immer noch nicht alle Kaufverträge von den Haushaltskontrolleuren eingesehen werden.
Die Chefunterhändlerin machte dafür „technische Schwierigkeiten“ verantwortlich. Bislang wurden nur drei Verträge über die Lieferung von Impfstoffen mit geschwärzten Stellen offengelegt. Derzeit werden die Verträge vom EU-Rechnungshof in Luxemburg genau unter die Lupe genommen. „Im letzten Jahr haben wir Dinge gekauft, die noch gar nicht existierten. Das ist die Krux“, sagte Gallina.
Ein Ergebnis der Prüfung liegt noch nicht vor. Schon mal präventiv formulierte die Generaldirektorin: „Wir wollen jede Empfehlung des Rechnungshofes umsetzen.“
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Diese Leute müssen aus ihren Ämtern entfernt werden. Theatralisch könnte man sagen: an deren Händen klebt Blut!