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Internet Wie sich Europa und die USA gegen chinesische Technologiestandards wehren

Geschickt nistet sich China in internationalen Technologiegremien ein. Vizekommissionschefin Margrethe Vestager sagt, die EU müsse wachsamer vorgehen.
28.09.2021 - 17:30 Uhr Kommentieren
Die Wettbewerbskommissarin will den Strategien der Chinesen etwas entgegensetzen und dazu die USA ins Boot holen. Quelle: Thomas Trutschel/photothek.de
Margrethe Vestager

Die Wettbewerbskommissarin will den Strategien der Chinesen etwas entgegensetzen und dazu die USA ins Boot holen.

(Foto: Thomas Trutschel/photothek.de)

Brüssel Es war der Versuch, „das Internet auf den Kopf zu stellen“: Aus etwas „Dezentralisiertem, Unregierbarem“ sollte etwas „Zentralisiertes, Regierbares“ werden. So beschreibt Margrethe Vestager, Vizekommissionschefin der EU-Kommission, die Versuche Chinas, in den Gremien der Internationalen Telekommunikationsunion ein neues Internetprotokoll durchzusetzen. Gemeinsam mit gleichgesinnten Ländern hat die EU den Plan der Chinesen zwar fürs erste durchkreuzt.

Aber das Beispiel zeigt, was auf dem Spiel steht, wenn in kaum bekannten Gremien über technische Spezifizierungen verhandelt wird. Industrienormen und Standards wie das Internetprotokoll sind strategische Ressourcen im Wirtschaftskrieg zwischen China, Europa und den USA. Wer sich durchsetzt, schreibt nicht nur vermeintliche Nebensächlichkeiten wie Datenformate und Funkfrequenzen fest, er programmiert auch die Grundwerte, auf denen technologische Innovationen beruhen. Das Internet etwa spiegelt die freiheitlichen Ideale der USA wider, und genau das wollte China mit dem neuen Protokoll ändern.

Künftig wollen die EU und die USA die Bestrebungen der Chinesen noch genauer in den Blick nehmen. Der Kampf um die Standards der Zukunft zählt zu den Topprioritäten für den „EU- US Trade and Technology Council“ (TTC), zu dem sich Spitzenvertreter beider Seiten an diesem Mittwoch erstmals treffen.

In Pittsburgh wollen Amerikaner und Europäer eine Arbeitsgruppe einsetzen, deren Aufgabe es ist, „Ansätze für die Koordinierung und Zusammenarbeit bei kritischen und neu entstehenden Technologienormen zu entwickeln“, heißt es in einem Entwurf der Abschlusserklärung, die dem Handelsblatt vorliegt. Als Beispiele werden Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge genannt.

Es gehe darum, „unsere gemeinsamen Interessen und demokratischen Werte bei internationalen Normungsaktivitäten für kritische und neu entstehende Technologien zu verteidigen“. Geplant ist „Informationen über technische Vorschläge in bestimmten Technologiebereichen“ auszutauschen und nach Möglichkeiten zu suchen, „internationale Normungsaktivitäten zu koordinieren“.

Was planen die Chinesen?

Vestager, die die EU-Delegation gemeinsam mit ihrem Amtskollegen Valdis Dombrovskis anführen wird, sagte dem Handelsblatt vor ihrer Abreise, dass der Fall des neuen Internetprotokolls die EU gelehrt hat, dass sie „etwas systematischer“ und „wachsamer“ vorgehen müsse, um von Standards, „die sehr politisch sind“, frühzeitig zu erfahren und darauf reagieren zu können.

Schon weil es „so viele Organisationen gibt, die Standards setzen“, sei es wichtig, mit Partnern zusammenzuarbeiten, „damit die richtigen Leute das Richtige tun können“. An dem Grundsatz, dass in Marktwirtschaften Privatunternehmen Standards vorschlagen, nicht der Staat, will die EU allerdings nicht rütteln.

Gerade für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind international anerkannte Standards von großer Bedeutung. Deutschland, die USA, Frankreich, Großbritannien und Japan sind stark in Normungsgremien vertreten. Allerdings rücken immer mehr Chinesen auf Schlüsselposten vor. Was sie dort vorhaben? Offiziell lobt die chinesische Staatsführung die internationalen Normungsorganisationen wie das ISO bei jeder Gelegenheit.

Dass sich Peking an die dort gefassten Beschlüsse hält, bedeutet das aber nicht. Ende der 1990er-Jahre waren fast 70 Prozent der in China eingeführten Standards aus internationalen Organisationen übernommen. 2017 waren es nur noch 21 Prozent. Die Chinesen definieren also immer häufiger eine eigene Norm.

Strategie kann Huawei dabei helfen, weltweit seine 5G-Technik zu installieren

Dahinter steht ein strategischer Ansatz: In Sektoren, in denen chinesische Unternehmen stark sind, bringen sie sich in die internationale Standardisierung ein und richten sich dann auch im Heimatmarkt nach dem gefassten Beschluss. Das kann dann etwa Huawei dabei helfen, weltweit seine 5G-Technik zu installieren. In Sektoren, in denen chinesische Unternehmen noch zurückliegen, haben sie keine Chance, den internationalen Standard zu prägen.

Darum definieren sie ihre eigene Norm und machen es ausländischen Konkurrenten so schwerer, in den chinesischen Markt einzusteigen. Tim Rühlig, Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, erläutert: „Chinesische Vorschläge sollten in den Normungsgremien nicht per se abgelehnt werden. Aber man sollte schon auf die Herkunft eines Vorschlags schauen.“

Für die Politik waren technische Standards lange Zeit kein Thema. Das machte es China leicht, seinen Einfluss auszuweiten. Aber die Normungsorganisationen beschäftigen sich längst auch mit sensiblen Fragen: mit Softwareschnittstellen, Übertragungsprotokollen und Künstlicher Intelligenz. „Es wäre besser, wenn wir nicht zufällig über problematische Fälle stolpern“, sagt Experte Rühlig. „Die Regierungen müssten die Vorschläge in den Normungsgremien systematisch durchgehen.“

Unterstützung für ein transatlantisch koordiniertes Vorgehen kommt aus den Parlamenten: „Wer Standards setzt, gibt auch die Richtung in einem Markt vor“, mahnt die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn. „Technische Normen und ethische Prinzipien für die Anwendung von Technologien wie künstliche Intelligenz müssen von Demokratien gesetzt werden.“ Und Metin Hakverdi, China-Berichterstatter der SPD im Bundestag, fordert: „Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, globale Maßstäbe zu setzen - das geht nur in Partnerschaft mit den USA.“

Mehr: Nach drei Jahren ist der Prozess um Huawei-Finanzchefin Meng beendet – doch eine bittere Erkenntnis bleibt.

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