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Interview mit Burak Çopur „Das ist Erdogans Harakiri“

Der Konflikt zwischen Türken und Kurden ist so alt wie die Türkei selbst. Ministerpräsident Erdoğan versucht nun die alten Mechanismen aus Hass und Misstrauen zu nutzen, um seine Macht zu festigen. Eine gefährliche Strategie.
28.07.2015 - 06:19 Uhr 13 Kommentare
Einerseits will Erdogan die Kurden im eigenen Land und in Syrien nicht zu stark werden lassen. Andererseits sorgt er sich, der IS könne den Terror auch in die Türkei bringen. Jetzt hat der türkische Ministerpräsident einen hochexplosiven Zwei-Fronten-Krieg eröffnet. Quelle: Reuters
Recep Tayyip Erdoğan

Einerseits will Erdogan die Kurden im eigenen Land und in Syrien nicht zu stark werden lassen. Andererseits sorgt er sich, der IS könne den Terror auch in die Türkei bringen. Jetzt hat der türkische Ministerpräsident einen hochexplosiven Zwei-Fronten-Krieg eröffnet.

(Foto: Reuters)

Düsseldorf Nach einem Selbstmordanschlag im türkischen Suruc, bei dem 32 Menschen getötet wurden, befindet sich die Türkei im Krieg. Im Visier stehen nicht nur die Terroristen des Islamischen Staates (IS), sondern einmal mehr die Kurden. In dem gewaltsamen Konflikt zwischen der Türkei und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK kamen in den letzten 30 Jahren bislang rund 40.000 Menschen ums Leben. Einerseits will der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan die Kurden im eigenen Land und in Syrien nicht zu stark werden lassen. Andererseits sorgt er sich, der IS könne den Terror auch in die Türkei bringen.Jetzt hat er einen hochexplosiven Zwei-Fronten-Krieg eröffnet“, sagt Burak Çopur, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte an der Universität Duisburg-Essen. Und stürze damit sein Land ins Chaos.

Herr Çopur, seit zwei Jahren gab es einen offiziellen Waffenstillstand zwischen der türkischen Regierung und den Kurden. Damit ist es nun vorbei, seit die türkischen Luftwaffe Angriffe auf Lager der PKK fliegt. Warum die plötzliche Kehrtwende von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan?
Es war keine plötzliche Kehrtwende, ganz im Gegenteil. Der Prozess hat bereits vor den Parlamentswahlen im Juni begonnen. Als Erdogan sagte „Es gibt keine Kurden-Frage“. Damit hat er sich ganz klar von einem möglichen Frieden zwischen Türken und Kurden distanziert.

Burak Çopur ist promovierter Politikwissenschaftler, Türkei-Experte und Migrationsforscher. Geboren wurde er in Ankara, Türkei und kam als Dreijähriger mit seiner Familie nach Deutschland. Çopur studierte an den Universitäten Duisburg-Essen und University of New South Wales in Sydney, Australien. Çopur ist unter anderem Dozent am Lehrstuhl des renommierten Migrationsforschers Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan am Institut für Turkistik der Universität Duisburg-Essen.
Burak Çopur

Burak Çopur ist promovierter Politikwissenschaftler, Türkei-Experte und Migrationsforscher. Geboren wurde er in Ankara, Türkei und kam als Dreijähriger mit seiner Familie nach Deutschland. Çopur studierte an den Universitäten Duisburg-Essen und University of New South Wales in Sydney, Australien. Çopur ist unter anderem Dozent am Lehrstuhl des renommierten Migrationsforschers Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan am Institut für Turkistik der Universität Duisburg-Essen.

Wie lässt sich dieses Verhalten des türkischen Ministerpräsidenten erklären?
Erdoğan hat klar gemacht, dass er kein repräsentativer Präsident sein möchte, wie sein Vorgänger Gül und alle anderen türkischen Präsidenten es nach Atatürk bisher waren. Vielmehr ist es sein Ziel, ein Präsidialsystem einzuführen ähnlich dem in Russland. Die pro-kurdische HDP hat bei den letzten Wahlen rund 13 Prozent der Stimmen bekommen, soviel wie noch nie, und hat damit viel Gewicht im türkischen Parlament. Weil die Kurden nicht hinter Erdogans Plan eines autokratischen Systems stehen, sind sie für ihn ein Problem.

Also will er die HDP schwächen und Neuwahlen erzwingen?
Genau. Wenn er die HDP unter zehn Prozent drücken kann und die nationalistischen Wähler zurückgewinnt, hätte er die 330 Stimmen, die er braucht, um das Verfassungsreferendum für sein Präsidialsystem durchzuführen. Als Erdoğan sich vor einigen Jahren für einen Frieden mit den Kurden aussprach, hat er die Konfrontation mit den Nationalisten in Kauf genommen. Wenn Erdoğan heute bei den Türken wieder eine nationalistische Hysterie auslösen will, kann sein Plan womöglich aufgehen. Krisenzeiten sind Kanzlerzeiten. Der Hass zwischen Türken und der PKK sitzt noch immer tief, auf genau dieser Klaviatur spielt Erdoğan gerade.

Aber warum sollten die 13 Prozent, die für die HDP gestimmt haben, jetzt ihre Meinung ändern?
Weil es auch Kurden gibt, die entweder unentschlossen sind oder tendenziell der AKP nahestehen und diese bei den letzten Wahlen die HDP gewählt haben. Wenn Erdoğan es nun schafft, die HDP für die Konflikte verantwortlich zu machen, dann könnten diese kurdischen Wähler wieder zur AKP wandern. So jedenfalls sein Kalkül, dass aber höchstwahrscheinlich nicht aufgehen wird.

„Er stürzt sein Land ins Chaos“
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13 Kommentare zu "Interview mit Burak Çopur: „Das ist Erdogans Harakiri“"

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  • @Herr Giannis Peissinge: Turkey has not been a "Playfield" for all kind of "Geostrategic CrowdThoughts and Fantasms". At the moment, Turkey is merely a country, which is seeking mainly the domestic peace and the security and prosperity for every resident within the legal Turkish borders.

  • @Herr Giannis Peissinge: Turkey has not been a "Playfield" for all kind of "Geostrategic CrowdThoughts and Fantasms". At the moment, Turkey is merely a country, which is seeking mainly the domestic peace and the security and prosperity for every resident within the legal Turkish borders.

  • Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: „Diskutieren erwünscht – aber richtig“ http://www.handelsblatt.com/netiquette

  • Erdogan ist seit August 2014 Staatspräsident der Republik Türkei und NICHT der Ministerpräsident!

  • Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.

  • Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: „Nicht persönlich werden“ http://www.handelsblatt.com/netiquette

  • @Sanac
    I suppose, the military fight against the PKK might be a strike being agreed with the US. However the US does not seem to be very interested in Turkey since the vast majority of explorable oil fileds lies in the outer east territory of Turkey, where Kurds live. By this mean the US could at any moment declare an independent country Kurdistan, which would create an extreme difficult situation for Turkey. By this mean, I am absolutely not sure, whether the fight against the PKK is not the begin of the implosion of Turkey

  • Es ist immer wieder erstaunlich und zunaechst nicht nachvollziehbar, wieso sich die Regierenden in der Tuerkei auf einen so brandgefaehrlichen Konflikt, erstmals mit den Kurden einlassen, wo doch gut 30% der Bewohner kurdischer Abstammung sind. Unsinn koennte man meinen. Soweit so gut. Lassen wir die IS yunaechst aussen vor.

    Wenn man aber langfristiger denkt und in Betracht zieht, dieser Zug sei mit den amerikanischen 'Freunden' abgesprochen, koennte so etas durchaus Sinn ergeben.

    Was waeren die Folgen eines solchen Konflikts? Syrische Verhaeltisse in der Tuerkei, hundert Tausende Fluechtlinge nach Europa und weitere Destabilisierung unseres Kontinents.
    Wuerde dadurch die territoriale Integritaet der Tuerkei gefaehrdet werden? Solange die Amerikaner dahinter stehen, wohl kaum.
    Haetten die Amerikaner etwas davon? Ja, ein destabilisierteres Europa und eine verwundbare Tuerkei, dort, wo die Oelfelder liegen. Kurdistan liesse sich bei Bedarf sofort ausrufen.
    Haette Erdogan etwas davon? Vermutlich ja. Die Genugtuung eines Sieges ueber die Kurden und noch mehr toenernde Macht.

    Ob alles so einfach ist, wie es uns aus der Ferne erscheint?

    Vielen Dank fuer Ihre Aufmerksamkeit!

  • Das stimmt!... vor lauter einfach gestricktem und mehr als durchsichtigem Herumgeballere wird sich der große Führer wohl selbst erledigen.

  • Wenn Erdogan Ministerpräsident der Türkei ist dann ist Gauck ja Bundeskanzler , richtig?

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