Interview mit Ökonom Daniel Gros „Ich habe nie an Reformen in Italien geglaubt“

„Wenn die Zinsen steigen, werden die Staatsfinanzen ein großes Problem für Italien.“
Brüssel Der Ökonom Daniel Gros hat schon viele Analysen über Italien veröffentlicht und gilt als Kenner des Landes.
Herr Gros, in Italien kommen Populisten an die Macht. Ist es mit den Wirtschaftsreformen nun aus und vorbei?
Ich habe nie an Reformen in Italien geglaubt. Nach dem Wahlergebnis ist aber nicht mehr auszuschließen, dass es nun zu Rückschritten kommt. Es drohen neue Verstöße gegen den Stabilitätspakt. Wahrscheinlich wird Italien nach der Sommerpause einen neuen Haushaltsentwurf für 2019 vorlegen. Der könnte ein höheres Defizit enthalten.
Was bedeutet es für die Euro-Zone, wenn der drittgrößte Mitgliedstaat dauernd gemeinsame Regeln verletzt?
Das wirkt politisch zersetzend.
Was kann die EU-Kommission dagegen tun?
Eigentlich gar nichts, und daran ist nicht nur die Kommission schuld. Vor zwei Jahren hat sie ja versucht, wegen überhöhter Defizite ein Strafverfahren gegen Spanien zu starten. Dagegen hat der deutsche Finanzminister Schäuble erfolgreich interveniert. Damit hat er nachhaltig Schaden angerichtet. Künftig wird die Kommission es nicht mehr wagen, Sanktionen einzuleiten.
Die Niedrigzinsphase geht bald zu Ende. Was bedeutet das für Italien?
Wenn die Zinsen steigen, werden die Staatsfinanzen ein großes Problem. Das müssen die Italiener selber lösen. Vielleicht werden sie irgendwann zu Kapitalverkehrskontrollen gezwungen sein, um die eigenen Sparer bei der Stange zu halten.
Und wann klopft Italien beim ESM an?
Damit rechne ich bis auf Weiteres nicht. Anders als Griechenland finanziert Italien seine Schulden selbst. Die Leistungsbilanz weist einen Überschuss aus. Ein ESM-Kreditprogramm wäre daher ökonomisch nicht gerechtfertigt.
Und wenn eine italienische Schuldenkrise auf andere Länder übergreift?
Dann muss der ESM die anderen Länder vor Ansteckung schützen.
Was bedeutet das Wahlergebnis für die geplante Reform der Euro-Zone?
Die wird nun schwieriger. Es reicht nicht, wenn Deutschland und Frankreich Pläne schmieden. Italien muss auch mitmachen, und das ist nach diesem Wahlergebnis zweifelhaft geworden.
Herr Gros, vielen Dank für das Interview.
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