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Iran-Krise USA drohen auch Irak: Märkte zeigen Angst vor einer Eskalation im Nahen Osten

Nach dem Iran bedroht US-Präsident Trump nun den Irak. Der Konflikt droht außer Kontrolle zu geraten. EU und Finanzmärkte sind in Alarmstimmung.
06.01.2020 Update: 06.01.2020 - 23:54 Uhr Kommentieren
In Teheran nahmen Hunderttausende an der Gedenkveranstaltung für den hochrangigen Militär teil. Quelle: dpa
Trauerfeier für Ghassem Soleimani

In Teheran nahmen Hunderttausende an der Gedenkveranstaltung für den hochrangigen Militär teil.

(Foto: dpa)

Washington, Berlin, Brüssel, Paris Knapp zwei Wochen Floridaurlaub des US-Präsidenten haben ausgereicht, um die Koordinaten im Nahen Osten vollständig zu verschieben. Noch auf dem Rückflug nach Washington am Sonntagabend (Ortszeit) setzte Donald Trump entscheidende Akzente:
Dem Irak drohte der Präsident für den Fall eines erzwungenen Abzugs der amerikanischen Truppen mit einer harten Bestrafung: „Es wird die iranischen Sanktionen etwas zahm aussehen lassen“, sagte Trump den mitreisenden Journalisten in der Air Force One.

Außerdem forderte er finanzielle Entschädigung für das US-Militär. „Wir haben dort einen außerordentlich teuren Luftwaffenstützpunkt. Der Bau hat Milliarden Dollar gekostet, lange vor meiner Zeit. Wir werden nicht gehen, bevor sie uns nicht dafür bezahlen“, sagte Trump. Seine Drohungen gegen den Iran bekräftigte der Präsident. Die USA würden „schwere Vergeltung“ üben, sollte der Iran amerikanische Ziele in der Region attackieren.

Seit der von Trump angeordneten Tötung des iranischen Topgenerals Ghassem Soleimani am vergangenen Donnerstag in Bagdad überschlagen sich die Ereignisse in der gefährlichsten Krisenregion des Planeten: ein eskalierender Konflikt zwischen USA und Iran, der in einen heißen Krieg zu münden droht.

Der vollständige Rückzug Teherans aus dem internationalen Atomvertrag, der für die Stabilität der Region eine zentrale Bedeutung hat. Und eine neue Konfrontation zwischen den USA und dem Irak, einem ohnehin fragilen Staat, der ohne die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu zerfallen droht. Dazwischen ein Europa, das engagiert, aber recht hilflos um Mäßigung bemüht ist.

Wie bedrohlich die Lage inzwischen ist, zeigt die Entwicklung an den Finanzmärkten. Die Ölpreise legten am Montag erneut zu. Seit dem US-Luftschlag hat sich der Preis für die Ölsorte Brent, die wichtigste Referenz, um fünf Dollar auf knapp 70 Dollar pro Barrel verteuert. Damit hat der Ölpreis sein Niveau von September 2019 übertroffen, als eine Drohnenattacke auf Ölfelder in Saudi-Arabien fünf Prozent der weltweiten Produktion lahmlegte. Die Aktienmärkte gaben am Montag erneut kräftig nach. Der Dax verlor 1,6 Prozent und rutschte zeitweise unter 13.000 Punkte. Aus Furcht vor einem dritten Golfkrieg suchten die Investoren Sicherheit. Vor allem der Goldpreis profitierte, der auf den höchsten Stand seit fast sieben Jahren stieg.

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Als Reaktion auf die Tötung Soleimanis, bei der auch ein irakischer Milizenführer sein Leben verlor, beschloss das irakische Parlament am Sonntag eine Resolution, wonach die ausländischen Truppen das Land verlassen sollen. Sie sollen auch den Luftraum, das Territorium und die Gewässer des Iraks nicht länger nutzen dürfen. Zwar ist die Resolution für die Regierung nicht bindend, aber auch Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi sprach sich für einen Abzug der ausländischen Truppen aus. Die USA haben rund 5000 Soldaten im Irak stationiert.

Das US-Verteidigungsministerium hat einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters widersprochen, dass die von den USA geführten Truppen der internationalen Anti-IS-Koalition aus dem Irak abgezogen werden. Minister Mark Espers sagte, dass es keine Pläne zum Abzug gäbe. „Die US-Politik in Bezug auf unsere Truppenpräsenz im Irak hat sich nicht verändert“, schrieb die Sprecherin des Pentagons, Alyssa Farah, am Montag auf Twitter.

Esper und Farah reagierten damit auf Berichte über einen Brief an das irakische Verteidigungsministerium, in dem im Namen eines US-Generals die Vorbereitungen für einen Abzug der US-Soldaten angekündigt wurden. Generalstabschef Mark Milley erklärte dem Sender CNN zufolge, der Brief sei ein Entwurf gewesen und versehentlich an die Öffentlichkeit gelangt. Sprecherin Farah erklärte, es gebe laufend Gespräche mit den Irakern bezüglich des Einsatzes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der Unterstützung des irakischen Militärs.

Ein Rückzug der US-Truppen hätte massive Folgen für die regionalen Machtkonstellationen. Durch einen erzwungenen Abzug der USA und europäischer Saaten aus dem Irak würden kurzfristig iranische Strukturen im Irak deutlich gestärkt, warnt Christian Hanelt, Nahostexperte der Bertelsmann Stiftung. Zudem bestehe die Gefahr, dass bei wachsendem iranischem und schiitischem Einfluss im Irak „die Frustration unter Teilen der Sunniten dort noch mehr zunimmt und sie sich wieder Terrormilizen à la al-Qaida und IS anschließen könnten“.

Ohne ein Mindestmaß an Kooperation zwischen dem Iran und den USA wäre die Bekämpfung des IS und eine Stabilisierung des Iraks gar nicht möglich gewesen. „Das hat Trump jetzt infrage gestellt durch die Ermordung Soleimanis“, sagt Hanelt. Cornelius Adebahr, Iranexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), fasst es so zusammen: „Die USA haben den Irak mit dem Soleimani-Mord dem Iran auf einem Silbertablett serviert.“

EU-Diplomatie auf Hochtouren

Die Eskalation zwischen den USA und dem Iran einerseits und dem Irak andererseits gefährdet auch deutsche Sicherheitsinteressen. Denn ein Rückzug der US-Truppen aus dem Irak könnte die Terrormiliz IS (Islamischer Staat) stärken. Die Bundesregierung versucht daher auf allen Ebenen, eine weitere Eskalation zu verhindern. Außenminister Heiko Maas (SPD) will zunächst nicht auf die Forderung des irakischen Parlaments nach einem Abzug aller ausländischen Truppen reagieren. „Natürlich will niemand ein militärisches Engagement im Irak gegen den Willen des Parlaments und der Regierung“, sagte Maas dem Deutschlandfunk.

Die 120 Bundeswehrsoldaten sollen daher zunächst auf ihren Stützpunkten bleiben. Weitere Soldaten würden aktuell nicht entsandt. Die Soldaten könnten aber schnell abgezogen werden, sollte der Irak bei der Parlamentsentscheidung bleiben, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Aber das letzte Wort habe die irakische Regierung, auf deren Einladung die Bundeswehr irakische Soldaten ausbildet. Die Bundesregierung hofft, dass die Parlamentsentscheidung mit Blick auf den Anti-IS-Einsatz womöglich im Irak selbst noch einmal revidiert wird.

„Verrückter Trump, denke nicht, dass mit dem Tod meines Vaters alles vorbei ist“

Auch der Kampf um die Rettung des Atomabkommens geht weiter. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die nach dem Tod von Soleimani von Iran angekündigten Verstöße gegen das Atomabkommen seien „ein weiterer falscher Schritt in die falsche Richtung“. Das weitere Vorgehen will die Bundesregierung im engen Schulterschluss mit den EU-Regierungen, vor allem mit Frankreich, Großbritannien und Italien, sowie mit der Nato und dem UN-Sicherheitsrat abstimmen.

Deutsche Wirtschaftsvertreter äußern die Hoffnung, dass sich der Ton nicht weiter verschärft und kein offener Konflikt folgt. „Die Menschen im Iran sind sehr angespannt, was jetzt passieren wird, und hoffen, dass die iranische Regierung und Europa besonnen reagieren“, erklärt Dagmar von Bohnstein, Leiterin der deutsch-iranischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Teheran. Jetzt werde sich zeigen, welche Folgen der angekündigte Ausstieg Irans aus dem Atomabkommen auch wirtschaftlich bringen wird. „Wir werden uns auf eine lange Durststrecke einrichten müssen.“ Bis Ende des Jahres habe bei den Unternehmen Hoffnung bestanden, dass sich die Lage zum Besseren wende. „Jetzt nur noch die, dass sich nun endlich klärt, wohin sich die Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen entwickeln“, sagte von Bohnstein.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief dazu auf, das internationale Atomabkommen einzuhalten. Das sei für die Stabilität in der Region und die weltweite Sicherheit wichtiger denn je, schrieb der EU-Chefdiplomat auf Twitter. Er bedauere, dass der Iran sich weiter distanziere und seine Verpflichtungen weiter zurückschraube. Außerdem gab er an, man habe den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nach Brüssel eingeladen und sei zuversichtlich, dass es auch im Interesse des Irans sei, das Abkommen zu wahren.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte am Rande der CSU-Klausur in Seeon die Diplomatie in den Mittelpunkt. Die Aktionen der USA seien „nach wiederholten über Wochen andauernden Provokationen von Iran nahestehender Kräfte“ erfolgt. Europa sei in großer Sorge, wie es im Irak weitergehe. Die EU wolle „den Raum für Diplomatie“ nutzen. Es gelt nun „alle diplomatischen Kanäle“ zu nutzen, um auf die gemäßigten Kräfte im Iran und im Irak einzuwirken. Am Mittwochmorgen werde es eine Sondersitzung des EU-Kollegiums geben. Für Freitag sei eine Sondersitzung der EU-Außenminister geplant.

Frankreich äußert sich ausweichend

„Es besorgt uns sehr, dass der Iran angekündigt hat, dass er sich nicht mehr gebunden fühlt durch das Atomabkommen.“ Der Iran müsse erkennen, dass dieses Abkommen in seinem eigenen Interesse sei. „Gerade in Zeiten der Eskalation der Gewalt“ sei es wichtig, Gesprächskanäle zu haben. Diese habe die EU. Die EU werde die diplomatischen Kanäle nutzen.

Die EU steht derzeit vor der Herausforderung, bei einer gemeinsamen Position ihrer Iranpolitik zu bleiben: Am Dienstag beraten die EU-Diplomaten in Brüssel. Derzeit seien die Mitgliedstaaten bezüglich des Irans aber alle auf einer Linie, ist in Brüsseler Kreisen zu hören. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte sich zudem für ein Krisentreffen der EU-Außenminister in dieser Woche ausgesprochen, das nun voraussichtlich am Freitag stattfinden soll.

In einer gemeinsamen Erklärung der EU-3 (Deutschland, Frankreich und Großbritannien), die erst am Montag veröffentlicht wurde, forderten Angela Merkel, Emmanuel Macron und Boris Johnson den Iran „ausdrücklich auf, keine weiteren gewalttätigen Aktionen mehr durchzuführen“ und „alle Maßnahmen rückgängig zu machen, die im Widerspruch zum Atomvertrag (JCPOA) stehen“. Außerdem mahnten sie, eine weitere Krise könnte die jahrelangen Bemühungen zur Stabilisierung des Iraks gefährden.
Auch Frankreich hält sich die Entscheidung noch offen, ob es seine Truppen aus dem Irak abzieht.

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Die französische Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye äußerte sich nach einer Kabinettssitzung ausweichend. Präsident Emmanuel Macron habe „die Sorge Frankreichs angesichts der Eskalation in der Region nach den jüngsten Ereignissen“ zum Ausdruck gebracht. Die Priorität müsse der Kampf gegen den „Islamischer Staat“ haben – und er hoffe, dass es im Rahmen dieses Kampfes weiterhin eine französische militärische Präsenz in der Region geben könne. Ob das bedeutet, dass die Truppen vor Ort bleiben, sagte Ndiaye nicht.

In mehreren Telefonaten mit Regierungschefs, die in der Region engagiert seien, habe Macron auf eine Deeskalation gedrängt und die „kriegerischen Absichten des Irans verurteilt“. Am Vorabend hatte Macron auch mit Trump telefoniert und dabei keinerlei Kritik an der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani geäußert, vielmehr seine volle Solidarität zum Ausdruck gebracht.

Kritik an der Nahostpolitik des Präsidenten kam dagegen aus den USA selbst. Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, will Trump an einer Eskalation des Konflikts mit dem Iran hindern. In einem Brief an ihre Parteikollegen schrieb Pelosi, das Repräsentantenhaus werde diese Woche über die Anwendung der „War Powers Resolution“ abstimmen. Das Gesetz aus den 1970er-Jahren legt unter anderem Regeln dafür fest, wie Präsidenten das US-Militär einsetzen können, wenn keine Kriegserklärung des US-Kongresses vorliegt. Konkretes Ziel sei es, militärische Aktionen der US-Regierung gegen den Iran auf 30 Tage zu begrenzen.

Mehr: Die Tötung des iranischen Generals Soleimani ist ein Moment wie 1914, vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, sagt Sigmar Gabriel. Die drohende Eskalation muss verhindert werden.

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