Iran „Tod den Lügnern“ – Proteste gegen Regierung in Teheran

Eine Frau spricht im Rahmen einer Nachtwache in der Nähe der Amirkabir Universität in Gedenken an die Opfer eines Flugzeugabsturzes im Iran mit einem Polizisten.
Berlin Auf den Boden der Beheshti-Universität in Teheran haben die Mullahs die amerikanische und die israelische Fahne pinseln lassen: Die Studenten sollen die „satanischen Flaggen“ mit Füßen treten. Doch das tun die Menschen nicht, die am Sonntag über den Campus ziehen. Ihr Strom teilt sich auf, rechts und links gehen sie an der Bodenbemalung vorbei, wie Videoschnipsel auf Twitter zeigen.
Nach dem Abschluss einer Passagiermaschine durch die iranische Luftabwehr, der 176 Menschen das Leben gekostet hat, bricht sich in Teheran die Wut auf das islamistische Regime Bahn. Sie manifestiert sich in leisen Protestformen wie dieser – aber auch in lauten Parolen: Demonstranten versammeln sich auf den Straßen, „Tod den Lügnern“ rufen sie.
„Die Proteste sind außerordentlich gefährlich für das Regime“, sagt FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai, der in Teheran geboren wurde. „Anders als im vergangenen Frühjahr, als es in der Provinz Proteste gegen Versorgungsmängel gab, geht jetzt auch die Mittelschicht auf die Straße.“ Bisher belassen es die Sicherheitsorgane beim Einsatz von Tränengas, um die Demonstranten in Teheran in Schach zu halten.
Dabei wird es nicht bleiben, vermutet Djir-Sarai. Die Regierung werde versuchen, die Unruhen, wie in der Vergangenheit, „brutal niederzuschlagen“.
Diese Befürchtung treibt auch die Bundesregierung um. „Die Iranerinnen und Iraner müssen die Möglichkeit haben, friedlich, frei und ohne Behinderung ihre Meinung und auch ihre Trauer über die schreckliche Katastrophe und die Toten ausdrücken zu können“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt zu den Protesten. „Wir fordern die iranischen Sicherheitskräfte zu größtmöglicher Zurückhaltung auf.“ Zugleich verurteilte das Außenministerium die kurzzeitige Festsetzung des britischen Botschafters in Teheran als „völlig inakzeptablen Verstoß gegen internationales Recht“. Rob Macaire war am Samstagabend nach eigenen Angaben eine halbe Stunde lang festgehalten worden. Zuvor habe er an einer Trauerkundgebung für die Opfer der Flugkatastrophe teilgenommen, erklärte er.
Unterstützung aus Berlin
Auch am Sonntag kamen wieder Tausende Iraner auf die Straßen und riefen Parolen gegen den Führer Irans: Ajatollah Ali Chamenei bezeichneten sie als „Mörder“. Aus den Berliner Regierungsfraktionen kommt Unterstützung für die Protestierenden. „Gewalt gegen friedlich Demonstrierende darf es nicht geben“, sagt Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Schmid wertete die Proteste als „weiteren Beleg dafür, dass es im Iran ein hohes Maß an Unzufriedenheit gegenüber der theokratischen Führung gibt“. Auch CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sieht einen „schwelenden innerstaatlichen Konflikt“. Er mahnt: „Das Regime in Teheran wäre gut beraten, seine Politik nach innen und außen grundlegend zu verändern.“
Irans Führung hatte nach dem Absturz des ukrainischen Flugzeugs am 8. Januar behauptet, die Maschine habe einen Triebwerksschaden gehabt. Am Sonnabend räumte Teheran ein, das Flugzeug versehentlich mit einer Rakete abgeschossen zu haben. Iran hatte zu dem Zeitpunkt mit einer militärischen Reaktion der USA auf den Beschuss von US-Basen im benachbarten Irak gerechnet. Vorausgegangen war die Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch eine amerikanische Drohne.
US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Feuerbefehl eine Ereigniskette in Gang gesetzt, die weder er noch Nahostexperten vorhersehen konnten. Anfang schien es, als würden sich die Iraner hinter ihrer Führung versammeln. Doch nach Protesten über den Flugzeugabschuss wird einmal mehr deutlich, wie gespalten das Land ist.
Am Wochenende wandte sich Trump via Twitter an die iranische Bevölkerung. „Ich stehe seit Beginn meiner Präsidentschaft an Ihrer Seite. Wir verfolgen Ihre Proteste aufmerksam und lassen uns von Ihrem Mut inspirieren“, schrieb der Präsident – nur Tage, nachdem er den Iranern mit der Bombardierung von Kulturstätten gedroht hatte.
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