Irland, Ungarn, Estland Europas Steueroasen leisten Widerstand: Machtkämpfe um globale Mindeststeuer

Olaf Scholz (l, SPD), Bundesfinanzminister, und Janet Yellen, Finanzministerin der USA, treffen sich im US-Finanzministerium zu einem Gespräch.
Athen, Brüssel, Stockholm, London 130 Länder sind sich einig, doch der Widerstand gegen die globale Mindeststeuer ist noch nicht gebrochen. Neun Staaten, darunter die EU-Mitglieder Irland, Estland und Ungarn, wollten die gemeinsame Erklärung der OECD am Donnerstag nicht unterschreiben.
Vor allem Irland erweist sich als harte Nuss. Die Regierung sieht in der globalen Mindeststeuer von 15 Prozent einen Angriff auf die irische Souveränität. Aus Dubliner Sicht ist es das vornehmste Recht eines Staates, seine Steuersätze selbst festzulegen.
„Für die irische Regierung geht es ums Prinzip“, sagt Brian Keegan vom Verband der Wirtschaftsprüfer, Chartered Accountants Ireland. „Eine globale Mindeststeuer würde Irland die Souveränität nehmen, den eigenen Steuersatz zu bestimmen.“
Die Position erinnert an die Brexit-Argumentation der britischen Regierung und dürfte daher nicht leicht zu entkräften sein. Der Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent gilt in Irland als Garant des wirtschaftlichen Erfolgs.
Seit Jahrzehnten hilft er dabei, internationale Unternehmen auf die Insel zu locken. Vor allem große US-Konzerne wie Pfizer, Intel und Microsoft haben sich in Irland angesiedelt und Tausende Arbeitsplätze geschaffen.
Die OECD-Reform untergräbt dieses Standortmodell. Sie hat zwei Säulen: einen globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für Unternehmen und eine Neuverteilung von Steuereinnahmen bei den hundert größten Konzernen mit einer Gewinnmarge von mindestens zehn Prozent. So sollen insbesondere Digitalkonzerne daran gehindert werden, ihre Umsätze in Niedrigsteuerländer zu verschieben.
Einer Studie der Beratungsfirma Oxford Economics zufolge würde die globale Steuerreform in der EU vor allem die Niederlande, Luxemburg, Ungarn und Irland treffen. Während die ersten drei Länder relativ gesunde Staatsfinanzen hätten, könnte die Reform Irland zu einem der höchstverschuldeten Länder Europas machen, schreibt Oxford-Economics-Ökonom Ricardo Amaro.
Der irische Finanzminister Paschal Donohoe schätzt, dass das Land ein Fünftel seiner Einnahmen aus der Unternehmensteuer verlieren könnte. Aus seiner Sicht müssen kleine Länder die Steuerpolitik nutzen können, um Nachteile bei der Marktgröße und Defizite bei der Industriebasis auszugleichen.
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Diese Meinung wird von allen politischen Parteien auf der Insel geteilt, selbst von den linken Oppositionsparteien Labour und Sinn Fein. Zuletzt hatten Sprecher von Labour und Sinn Fein allerdings signalisiert, dass man mit einer kleinen Anhebung des Steuersatzes für multinationale Unternehmen leben könne.
Tatsächlich ist die Bedeutung des Steuersatzes für die irische Wirtschaft nicht mehr der alles entscheidende Faktor. Längst sind andere Faktoren hinzugekommen, die das Land bei ausländischen Investoren attraktiv machen.
„Die Dynamik bei ausländischen Investitionen hat sich in den vergangenen 15 Jahren verändert“, sagt Keegan. „Der Körperschaftsteuersatz ist nicht mehr der Haupttreiber für Investitionen. Zunehmend zählen auch der Zugang zum EU-Binnenmarkt, das stabile Rechtssystem und das gute Bildungssystem in Irland.“
Das lässt hoffen, dass die irische Regierung sich noch umstimmen lässt. Zudem ist Dublin an guten Beziehungen sowohl zur EU als auch zu US-Präsident Joe Biden gelegen, der die Mindeststeuer maßgeblich vorantreibt. Ein Kompromiss wäre möglicherweise, den Steuersatz nur für multinationale Unternehmen anzuheben, aber die mittelständischen irischen Unternehmen davon auszunehmen.
Niederlande und Luxemburg sind einverstanden
Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte, man werde auf eine schnelle Einigung in Europa drängen. Von Vorteil ist, dass mit den Niederlanden und Luxemburg schon zwei der Länder an Bord sind, die am meisten zu verlieren haben. Doch ist Einstimmigkeit nötig, um eine entsprechendes EU-Gesetz umzusetzen.
Einfach wird es nicht, die Allianz der Verweigerer umzustimmen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte noch nie ein Problem damit, unpopuläre Minderheitspositionen zu vertreten. In Ungarn gilt bisher ein Unternehmensteuersatz von neun Prozent.
Auch in Estland gibt es bislang keine Anzeichen für ein Einlenken. Das Land hat sich nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion erfolgreich als Niedrigsteuerland für ausländische Unternehmen positioniert. Unter anderem führte die Regierung eine Flat Tax ein: Unternehmensgewinne müssen nicht versteuert werden, wenn sie reinvestiert werden. Nur wenn sie ausgeschüttet werden, ist ein Pauschalsteuersatz von 20 Prozent fällig.
Gerade Orbans Haltung sorgt in Brüssel für Ärger. „Orban benimmt sich nur noch wie ein trotziger Junge, der gegen alles ist“, schimpf Markus Ferber (CSU), Haushaltsexperte im EU-Parlament. Politisch ergebe die Blockadehaltung Ungarns keinen Sinn. Das Parlament werde auf eine einheitliche Umsetzung der OECD-Beschlüsse dringen, stellt Ferber klar.
Doch zunächst ist die Kommission am Zug. Sie will die anstehenden Gespräche über die technischen Details der Einigung nutzen, um die Reformverweigerer umzustimmen. Zeit dafür bleibt bis zum Oktober, wenn die OECD-Vereinbarung auf einem Gipfeltreffen besiegelt wird. Angesichts der globalen politischen Dynamik gibt man sich in der Kommission optimistisch, dass es gelingt, eine Lösung zu finden.
Keine Fundamentalopposition aus Irland
Estland ließe sich womöglich mit einer Übergangsregelung locken, heißt es. Auch sei es „schwer vorstellbar“, dass am Ende ein ansonsten der multilateralen Zusammenarbeit zugeneigter EU-Staat wie Irland einen globalen Konsens verhindern würde. Mit Interesse wurde in Brüssel das Statement des irischen Finanzministers Donohoe gelesen, das zwar Vorbehalte deutlich machte, aber nicht nach Fundamentalopposition klang.
Zur Umsetzung der Reform will die Kommission zwei Verordnungen vorschlagen, eine für die erste und eine für die zweite Säule des OECD-Kompromisses. Auf diese Weise will die Kommission sicherstellen, dass die neuen Regelungen einheitlich gelten und keine neuen Schlupflöcher in den nationalen Regeln entstehen. Verordnungen müssen, anders als Richtlinien, direkt in nationales Recht übertragen werden.
Zunächst aber müssen die Mitgliedstaaten den Steuerverordnungen der Kommission zustimmen – und zwar einstimmig. Sollte dieser Weg scheitern, gäbe es die Möglichkeit, über das Instrument der „verstärkten Zusammenarbeit“ eine Koalition der reformwilligen EU-Mitglieder zu schmieden. Das wird allerdings als Notlösung betrachtet.
Zu den EU-Staaten, die noch Probleme machen könnten, gehört auch Zypern. Die Inselrepublik, die sich an den OECD-Verhandlungen nicht beteiligt hat, galt lange als Steueroase. Hunderttausende Briefkastenfirmen hatten ihren Scheinsitz auf der Insel.
Sie profitierten von niedrigen Steuern sowie der Diskretion der zyprischen Banken und Behörden. Als Bedingung für Rettungskredite der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds während der Finanzkrise musste Zypern 2013 seinen Körperschaftsteuersatz von zehn auf 12,5 Prozent erhöhen und die Vorkehrungen gegen Geldwäsche verschärfen. Aber immer noch nutzen vor allem russische Firmen und Oligarchen Zypern als Steueroase. Die zyprische Hafenstadt Limassol hat deshalb den Spitznamen „Moskau am Mittelmeer“.
Wie die Regierung in Nikosia den OECD-Beschluss umsetzen will, hat sie bisher nicht erklärt. Wie die Zeitung „Phileleftheros“ berichtet, gibt es im Finanzministerium aber Überlegungen, eine möglicherweise unumgängliche Erhöhung der Unternehmensteuern von 12,5 auf 15 Prozent durch Abstriche bei anderen Steuern auszugleichen.
Die größten Umsetzungsprobleme könnten – trotz der aktuellen Debatten – am Ende nicht einzelne europäische Länder bereiten, sondern ausgerechnet die USA, die sich momentan dafür feiern lassen, den OECD-Kompromiss ermöglicht zu haben.
Die Republikaner im Kongress haben schon ihre Bedenken gegen die globale Steuerreform angemeldet. Auf ihre Stimmen ist US-Präsident Joe Biden aber dringend angewiesen: Gesetze können die zweite Kongresskammer, den Senat, nur mit einer Supermehrheit von 60 der 100 Stimmen passieren.

Der irische Finanzminister sieht die globale Mindeststeuer als Angriff auf die staatliche Souveränität.
Die Pläne der EU für eine europäische Digitalabgabe könnten Bidens innenpolitische Probleme noch verstärken. Das Vorhaben sei klar gegen amerikanische Unternehmen gerichtet, so die Kritik der US-Wirtschaft.
Die Biden-Regierung hat den Europäern zu verstehen gegeben, dass sie die Pläne für alles andere als konstruktiv hält. Nach der OECD-Regelung gebe es keinen Grund mehr dafür, eine solche Abgabe einzuführen, so das Argument der Amerikaner.
Die Kommission wollte ihren Vorschlag eigentlich in zwei Wochen präsentieren. Ob das vernünftig ist, wird hinter den Kulissen nun kontrovers diskutiert. Der zuständige Kommissar Paolo Gentiloni hat klargestellt, dass die EU nichts unternehmen wolle, das den globalen Konsens gefährden könnte.
Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der Kommission, verteidigte die Pläne für die Digitalabgabe. Diese würde sich nicht gezielt gegen die USA richten, sondern hunderte Unternehmen betreffen. Die Mehrzahl davon wären europäische Firmen. Über die Abgabe soll die Erholung von der Covid-Krise mitfinanziert werden.
CSU-Politiker Ferber fordert die Kommission dagegen auf, ihre Pläne zu begraben. „Wenn wir als internationaler Verhandlungspartner vertrauenswürdig sein wollen, müssen wir die OECD-Einigung pflichtbewusst umsetzen und dürfen nicht noch eine eigene zusätzliche Digitalabgabe draufsatteln.“
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Es wird sowieso keinen Deal geben der irgend eine Änderung herbei führt. Das ist ein unausgesprochenes Geheimnis.
Wenn man sich ansieht wie es prinzipiell überhaut niemanden der reichen Unternehmer als auch großen Unternehmen tangiert, weiß man eigentlich schon was läuft.
Facebook, Amazon, Alphabeth, Apple, Bazos... niemanden berührt die Sache. Interessanterweise steigen deren Aktien heute sogar. England handelt sogar Sonderrechte aus.
Reine Propaganda um den kleinen Mann vorzugaukeln die großen jetzt hart anzugehen.
Typisch Scholz...