IT-Sicherheitsgesetz Ausbau des 5G-Netzes in Deutschland: Huawei-Gegner gehen in die Offensive

Gemeinsam mit der SPD könnte es Norbert Röttgen und seinen Mitstreitern noch gelingen, den Huawei-Passus zu verschärfen.
Berlin Zuletzt war es still geworden um die Huawei-Gegner im Bundestag. Die Bundesregierung hatte Ende vergangenen Jahres ihr Gezerre um die Sicherheitsvorschriften für das hochsensible Echtzeitmobilnetz 5G beendet und einen Kompromiss gefunden, der regulatorische Hürden für chinesische Netzausrüster vorsieht, aber keinen grundsätzlichen Ausschluss. Besonders kampfeslustig gaben sich die Huawei-Gegner, angeführt vom CDU-Politiker Norbert Röttgen, daraufhin nicht mehr. Sie schienen sich mit einem Teilerfolg zufriedenzugeben.
Doch dieser Eindruck täuschte, wie sich jetzt zeigt. Eine Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestags an diesem Montag soll den Startschuss für einen letzten Versuch geben, das geplante IT-Sicherheitsgesetz 2.0 in entscheidenden Punkten zu verschärfen – und so sicherzustellen, dass Huawei künftig keine Rolle mehr als Ausrüster einer kritischen Infrastruktur in Deutschland spielt.
Der Regierungskompromiss hatte entscheidende Fragen offengelassen und würde, sofern ihn der Bundestag beschlösse, den Ministerien einen großen Ermessensspielraum übertragen. Röttgen geht mit dieser Regelung hart ins Gericht: „Der Gesetzentwurf beinhaltet keinerlei Sicherheitskriterien für den Ausbau des 5G-Netzes in Deutschland“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags dem Handelsblatt.
Die Bewertung der Sicherheitsproblematik bei der Zulassung kritischer Netzkomponenten werde „blankettartig und komplett an die Exekutive übertragen“, ohne dass der Bundestag als Gesetzgeber hierauf Einfluss nehmen könne. Der Exekutive wiederum lege der Entwurf für ihr sicherheitspolitisches Handeln so hohe Hürden auf, dass das Gesetz praktisch ins Leere laufe.
Auch Experten äußerten sich bei der Anhörung im Innenausschuss kritisch. Der Bonner Staatsrechtler Klaus Gärditz bezeichnet in seiner schriftlichen Stellungnahme den Entwurf als „dysfunktional“ und stuft ihn sogar als „verfassungswidrig“ ein. Über den sogenannten Huawei-Paragrafen schreibt der Jura-Professor: „Die Regelung des Paragrafen 9b BSIG-E ist kein Beitrag, sicherheitsrechtliche Befugnisse des Bundes zu stärken.“
„Regierung entscheidet nach Belieben“
Gärditz warnt deutlich vor den Risiken, die von der Verwendung chinesischer Technologiekomponenten ausgehen: „Alle Kommunikationsgrundrechte sind beeinträchtigt, wenn individuelle Kommunikation entweder gestört oder insbesondere über abhängige Technikanbieter einem autoritären Regime zugänglich gemacht wird.“ Dieser Gefahr trage der vorliegende Gesetzestext nur ungenügend Rechnung.
„Insbesondere entscheidet die Regierung nach Belieben, ob und inwieweit sie die öffentlichen Sicherheitsinteressen zugunsten (ggf. kurzfristiger) wirtschaftlicher Interessen zurückstellt“, kritisiert Gärditz. So könne ein geplantes Wirtschaftsabkommen oder eine große Investition eines deutschen Unternehmens „willkürlich als Argument missbraucht werden, die innere und äußere Sicherheit zurückzustellen“.
Das ist eine klar erkennbare Anspielung auf die Position von Kanzlerin Angela Merkel, die darauf gedrungen hat, im Unterschied zu engen Verbündeten wie Großbritannien, Frankreich, Schweden und den USA keinen umfassenden Bann gegen Huawei auszusprechen. Merkel fürchtet, dass ein Ausschluss eines für Peking so bedeutsamen Unternehmens wie Huawei Nachteile für die deutsche Industrie mit sich ziehen könnte.
Tatsächlich hat Chinas Botschafter in Berlin schon mit Maßnahmen gegen deutsche Autokonzerne gedroht. Während der regierungsinternen Abstimmungen stellte das Kanzleramt immer wieder klar, dass Merkel keine „Lex Huawei“ mittragen werde.
Auch andere Experten kritisieren das geplante Prüfverfahren. Der vorgesehene 30-Tage-Zeitraum sei zu kurz, um sicherheitspolitische Fragen der Vertrauenswürdigkeit eines Herstellers wie die Abhängigkeit von ausländischen Regierungen oder die Mitwirkung an nachrichtendienstlichen Operationen zu prüfen, sagt Martin Schallbruch, Direktor des Digital Society Institute an der privaten Hochschule ESMT.
„Eine substantiierte Prüfung und anschließende ministerielle und politische Abstimmung innerhalb der Bundesregierung wird in der Regel nicht möglich sein“, schreibt der frühere IT-Direktor des Bundesinnenministeriums. Statt des von der Bundesregierung geplanten Verfahrens für einzelne Komponenten des 5G-Netzes empfiehlt er, das Innenministerium solle die Hersteller auf ihre sicherheitspolitische Zuverlässigkeit überprüfen und dann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, die für drei bis fünf Jahre gelte.
Röttgen verbündet sich mit Sozialdemokraten
Gemeinsam mit der SPD könnte es Röttgen und seinen Mitstreitern allerdings nun doch noch gelingen, den Huawei-Passus zu verschärfen – und der Kanzlerin eine empfindliche Niederlage zuzufügen. Die Sozialdemokraten sehen chinesische Netztechnologie genauso kritisch wie die CDU-Rebellen um Röttgen.
„Eine Verschärfung der Regelungen wird nicht an der SPD-Fraktion scheitern“, sagt der SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie. „Wenn sich die Union bewegt, sehe ich dafür gute Chancen.“
Bisher jedoch gibt es in der Fraktionsführung der Union wenig Appetit auf einen neuen Huawei-Streit. „Die Fraktion hat den Sachverhalt sehr intensiv diskutiert und bereits vor über einem Jahr ein entsprechendes Positionspapier wohlgemerkt einstimmig verabschiedet. Der Gesetzentwurf bildet die im Fraktionspapier gefundene Lösung sehr genau ab“, sagt Unionsfraktionsvize Thorsten Frei. „Insofern gibt es aus Sicht unserer Fraktion an dieser Stelle keinen Nachbesserungsbedarf.“
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