Italien Matteo Salvini probiert es mit neuer Strategie
Immunität aufgehoben: Lega-Chef Salvini drohen bis zu 15 Jahre Haft
Rom Matteo Salvinis Selbstbewusstsein ist ungebrochen. Trotz der verlorenen Regionalwahl und trotz des Näherrückens eines Prozesses, bei dem er eine langjährige Haftstrafe riskiert, denkt der Lega-Chef an die nächsten Wahlen: „Die Lega regiert in 13 Regionen, in denen mehr als die Hälfte der Italiener leben, wir liegen in den Umfragen bei 30 Prozent, jetzt sind wir dran“, sagte er am Donnerstag vor Auslandskorrespondenten in Rom. Die italienische Regierung würde dieses Jahr nicht überstehen.
Zur Entscheidung des Senats, ihm die Immunität zu entziehen, sagte er bloß, er habe als Innenminister seine Pflicht getan und das Vaterland verteidigt. Jetzt droht ihm ein Prozess, weil er im vergangenen Juli ein italienisches Militärschiff voller Flüchtlinge tagelang nicht in einen Hafen auf Sizilien einlaufen ließ. Die Anklage lautet auf Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch.
Seit im August die Populisten-Regierung aus Lega und Fünf-Sterne zerbrach, ist der ehemalige Vizepremier und Innenminister in der Opposition. Seine Partei ist allerdings noch immer die größte in Italien, „einer von drei Italienern wählt Lega“, erklärte er. Käme es zu Neuwahlen, hätte eine Rechts-Koalition der Lega mit Berlusconis Forza Italia und der Rechtsaußenpartei Fratelli d’Italia rechnerisch eine Mehrheit.
Doch bei der Wahl in der Emilia-Romagna Ende Januar hat seine Kandidatin gegen den Vertreter der Regierungspartei PD verloren, das war eine bittere Niederlage für ihn. Zuwächse kann die Lega in den Umfragen seit einigen Monaten nicht mehr verzeichnen, die anderen Parteien holen langsam auf. Und auch er selbst hat an Popularität eingebüßt, seit er nicht mehr täglich wie früher als Vizepremier die Nachrichten beherrscht.
Deshalb ändert der 46-Jährige seine Strategie. War er bisher pausenlos im Wahlkampf unterwegs in der Provinz – was er auch weiterhin tut, da im Mai die nächsten Regionalwahlen anstehen –, so versucht die Lega jetzt, jenseits der Grenzen Italiens an einem seriösen Image zu arbeiten.
„Der EU-Haushalt ist unausgeglichen und ungerecht“
In Planung sind Reisen Salvinis in die USA, nach Israel und nach Österreich. Bessere und engere Beziehungen der Lega zu Deutschland seien eine Priorität, sagte er am Donnerstag. Dort gebe es auch schon elf Lega-Ortsverbände.
Seine Aussagen zum Euro und zu Europa sind allerdings nach wie vor mit Vorsicht zu genießen. Wenn er an die Regierung käme, werde Italien weder aus der EU austreten, noch den Euro abschaffen, sagte er.
Aber alles müsse sich ändern. „Der EU-Haushalt ist unausgeglichen und ungerecht“, schimpft er. Alle Verträge wie auch alle Handelsabkommen müssten auf den Prüfstand, das Dublin-Abkommen zur Flüchtlingspolitik richte Schäden an und das EU-Parlament sei der Vasall der Kommission. Längst seien die Lega-Politiker nicht mehr die einzigen Europa-Kritiker.
Offen bekundet er seine Sympathie für den Brexit, der habe ihm sogar durch die Neuverteilung der Sitze mehr Abgeordnete eingebracht. Auf die Frage, ob er versucht, seine Abgeordneten in Brüssel in die Gruppe der Konservativen zu bringen, antwortet er ausweichend.
Die ausländischen Investoren, die mit Argusaugen auf Italien schauen, muss er noch überzeugen. Die Risikoaufschläge auf italienische Staatspapiere im Vergleich zu Bundesanleihen sind seit langem ein Gradmesser der italienischen Berechenbarkeit. Während der Populisten-Regierung war der so genannte Spread auf mehr als 300 Basispunkte (drei Prozent) angestiegen. Seit die Koalition von PD und Fünf Sternen regiert, sank er deutlich.
Die Konkurrenz am rechten Flügel wächst
Ganz in populistischer Manier antwortet er mit einer Attacke auf die Regierung und verknüpft zwei unterschiedliche Kriterien: „Der Spread ist runtergegangen, gleichzeitig aber auch die Industrieproduktion.“ Also sei der Spread eine subjektive Größe, die nichts mit der Realwirtschaft zu tun habe, denn „die neuen Wirtschaftsdaten sind die schlechtesten seit 2013“. In der Tat steht Italien vor einer neuen Rezession.
Als Italiener fände er es gut, dass der Spread niedrig sei, so Salvini. Aber wenn die Glaubwürdigkeit Italiens und das Vertrauen der Investoren verbunden sei mit der Produktivität und dem Wachstum, „oje, dann müssten die Daten andere sein“. Die Regierung mache gar nichts, außer zu streiten.
Ganz freiwillig kommt die Charmeoffensive Salvinis nicht. Denn am rechten Flügel wächst eine neue Konkurrenz heran. Giorgia Meloni, die Anführerin der Fratelli d’Italia, hat es geschafft, ihre Rechtsaußenpartei von 4,3 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen 2018 auf elf Prozent zu bringen. Der dritte Verbündete, Berlusconis Forza Italia, verliert immer mehr an Zustimmung.
Gerade ist Meloni aus Washington zurück, wo sie an einem Treffen der Konservativen teilgenommen hat. Die Zeitungen geben ihr immer mehr Raum. Nein, sie sei keine Konkurrenz, sagt Salvini dazu. Seine Kontakte ins Ausland beschränken sich jedoch bisher auf die europaskeptischen Visegrad-Staaten. Deshalb strebt Salvini den Kurswechsel an und plant die Reise in die USA.
Mehr: Salvinis Pläne für Neuwahlen sind gestoppt – Fünf Sterne stehen vor dem Aus
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.