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Italiens Tourismusminister im Interview Massimo Garavaglia: „Im Sommer brauchen wir keine Angst vor neuen Wellen zu haben“

Italien öffnet am Montag wieder für Touristen. Minister Garavaglia erklärt, warum der Urlaub in seinem Land sicher ist – und wie wichtig die deutschen Gäste sind.
15.05.2021 - 13:53 Uhr Kommentieren
Seit März 2021 ist der 53-Jährige Tourismusminister von Italien. Quelle: Maria Laura Antonelli/AGF/Shutte
Massimo Garavaglia

Seit März 2021 ist der 53-Jährige Tourismusminister von Italien.

(Foto: Maria Laura Antonelli/AGF/Shutte)

Rom Der italienische Tourismusminister Massimo Garavaglia empfängt seine Gäste in der Nationalbibliothek. Sein neues Ministerium ist hier nur provisorisch eingezogen, das Namensschild zum Amtszimmer ist mit einem handgeschriebenen Zettel überklebt. Bald steht der Umzug in einen Palazzo im Norden Roms an. Vorher will der Politiker der rechtspopulistischen Partei Lega aber über die Öffnung seines Landes für Touristen am kommenden Montag reden.

„Italien ist offen“, kündigt Garavaglia im Handelsblatt-Interview an. Er glaubt nicht, dass er so eine vierte Welle riskiert: „Nicht im Sommer, nein. [...] Wir haben die Erfahrung vom vergangenen Jahr: Ab Anfang Juni war ein ganz normaler Sommer ohne größere Einschränkungen möglich.“ Für den Herbst sieht er das Land auch wegen der Impfstoffe „gerüstet“.

Eine touristische Einreise sei jedoch „nur mit einer Impfung, einer überstandenen Corona-Erkrankung oder einem negativen Test“ möglich, sagt der Minister. Um den Tourismus weiter anzukurbeln, will Italien außerdem bilaterale Abkommen abschließen: „Wir gehen auf Nationen zu, die eine sehr hohe Impfrate haben. Also etwa Großbritannien, Israel, die USA.“

Dabei prescht das Land auch beim sogenannten „Grünen Pass“ vor. Eigentlich plant die EU den Nachweis, der die Reisefreiheit innerhalb der EU wieder herstellen soll, gemeinsam einzuführen. Auf einen digitalen Impfnachweis besteht Garavaglia nicht: „Wer Papier hat, zeigt das Papier, wer es digital hat, nimmt das Mobiltelefon“, so der Tourismusminister.

Lesen Sie hier das komplette interview:

Herr Minister, ab Montag will Italien sich wieder für Touristen öffnen. Ist das nicht viel zu früh?
Nein, für mich ist es eher zu spät. Wir wollen jetzt eine klare Botschaft senden: Italien ist offen.

Italien ist zwar aus der dritten Welle raus. Aber riskieren Sie mit der Öffnung nicht eine vierte?
Nicht im Sommer, nein. Da brauchen wir keine Angst vor neuen Wellen zu haben. Wir haben die Erfahrung vom vergangenen Jahr: Ab Anfang Juni war ein ganz normaler Sommer ohne größere Einschränkungen möglich. Leider kam dann der Herbst und die Probleme kehrten zurück. Zum Glück gibt es jetzt aber die Impfstoffe, sodass wir auch für den Herbst gerüstet sind.

Warum preschen Sie mit einem nationalen „grünen Pass“ für Touristen vor und warten nicht auf die EU-weite Regelung?
Die Vorwegnahme der neuen europäischen Regeln ist existenziell für die Inseln und all die anderen Orte, die sehr abhängig vom Tourismus sind. Es wäre verrückt, wenn sie die Saison verpassen würden.

Da ist schon Mitte Mai so wichtig für den Tourismus?
Die Öffnung ist wichtig für alle, nicht nur für den Tourismus. Zunächst einmal haben wir Regeln, die für eine sichere Einreise sorgen: Nur mit einer Impfung, einer überstandenen Corona-Erkrankung oder einem negativen Test darf man ins Land. Parallel dazu geht die Impfung sehr schnell voran. Wir haben also doppelte Sicherheit – von innen und von außen. Da wäre es dumm, wenn wir zulassen würden, dass Konkurrenten uns potenzielle Kunden wegnehmen.

Wie Griechenland?
Wie Griechenland, wie Spanien. Auch wir sind bereit, wir sind ein sicheres Land, und wir sind glücklich, Gastgeber für unsere ausländischen Freunde zu sein.

Italiens Tourismus ist ein großer Wirtschaftsfaktor

Warum dauert es mit dem EU-Pass so lange, ist Europa mal wieder zu langsam?
Europa ist eine komplexe Maschinerie mit eigenen Zeiten und Verfahren. Entscheidend ist aber, dass die Prinzipien geteilt werden. Und die wenden wir einfach im Voraus an.

Wird dieser italienische Pass auch digital sein?
Wir sind für die einfachsten Dinge. Wer Papier hat, zeigt das Papier, wer es digital hat, nimmt das Mobiltelefon. Ich denke, dass irgendwann eine gemeinsame digitale Version kommen wird. Noch gibt es aber Probleme bei der globalen Implementierung.

Ihre Partei fordert seit Wochen, die Sperrstunde abzuschaffen. Warum sind ein bis zwei Stunden Abendessen mehr so wichtig?
Sie können den ausländischen Gästen nicht sagen: Kommt zu uns, aber geht um 22 Uhr schlafen. Wer in den Urlaub fährt, will sich doch nicht an Zubettgehzeiten halten.

Wie wichtig sind die deutschen Touristen für Italien?
Sie sind fundamental, nicht nur für den Gardasee, sondern für ganz Italien. 59 Millionen Nächte entfielen vor Corona auf die Deutschen. 7,6 Milliarden Euro gaben sie aus, das entsprach 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Amerikaner stehen auf Platz zwei der Übernachtungen – geben aber doppelt so viel aus.

Auch die Italiener haben im vergangenen Jahr ihr eigenes Land für sich entdeckt …
Ja, aber wir öffnen uns trotzdem gerne für Ausländer. Und wir sind froh, wenn auch Italiener wieder in andere Länder reisen können. Ich kann es kaum erwarten, wieder nach Deutschland zu fahren.

Wann waren Sie das letzte Mal dort?
Vor drei Jahren in Berlin, mit meinen Töchtern.

Jahrzehntelang hatte Italien kein Tourismusministerium. Der Industriezweig hat in der Regierung stark an Bedeutung gewonnen. Quelle: action press
Premier Mario Draghi (l.) und Minister Massimo Garavaglia nach der G20-Sitzung zum Tourismus

Jahrzehntelang hatte Italien kein Tourismusministerium. Der Industriezweig hat in der Regierung stark an Bedeutung gewonnen.

(Foto: action press)

Wann können Touristen aus Nicht-EU-Ländern wieder einreisen?
Wir gehen auf Nationen zu, die eine sehr hohe Impfrate haben. Also etwa Großbritannien, Israel, die USA. Wir gehen von Botschaft zu Botschaft, um bilaterale Abkommen zu schließen und schnell zu gemeinsamen Regeln zu kommen. Mit den USA haben wir bereits Covid-freie Flüge für Geschäftsleute. Das könnten wir auch sehr einfach auf den Tourismus ausweiten.

Was ist mit Russen und Chinesen?
Da müssen wir weiter vorsichtig sein, solange die Impfstoffe noch nicht anerkannt sind und das Ergebnis der Ema-Untersuchung abwarten. Sobald sie Sputnik zulässt, können auch die Russen wieder einreisen.

Europas Inseln und Impfstoffe

Es gab sehr viele Diskussionen darüber, die kleinen Inseln wie Ischia und Capri bei den Impfungen vorzuziehen, um dort schneller die Herdenimmunität zu erreichen …
Auf den Inseln ist es einfacher, weil die Zahl der Bevölkerung klein ist. Es geht vor allem darum, die Inselbewohner zu schützen, die vom Tourismus abhängig sind. Daher war es richtig, mit den kleinen Inseln zu beginnen. Unsere Absicht ist, sobald der verletzliche Teil der Bevölkerung durchgeimpft ist, die Gegenden Italiens zu schützen, in denen der Tourismussektor am aktivsten ist.

Vom Festland gibt es daran viel Kritik. Dass 30-jährige Insulaner geimpft wurden, während ältere Menschen auf dem Festland noch nicht immunisiert waren …
Das ist Kritik, die vor einem Monat vielleicht noch Sinn gemacht hat. Heute, wo wir mehr als eine halbe Million Impfungen am Tag haben, ist das nicht mehr sinnvoll. Ich bin 53 Jahre alt und werde nächste Woche geimpft. Ich sehe da kein Problem.

Auch die großen Inseln Sardinien und Sizilien, die eigene Regionen sind, haben darum gebeten, mehr Impfstoffe zu bekommen.
Wir folgen den Regeln, die sehr einfach sind: Erst werden die Alten und Vorerkrankten geimpft, diejenigen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Danach ist es wichtig, der touristischen Lieferkette Vorrang einzuräumen – und das wird geschehen.

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Gerade arbeiten Sie in der Regierung auch an Milliardenentlastungen für die Wirtschaft. Was genau planen Sie?
Der beste Weg, um Unternehmen zu helfen, sind weniger Steuern. Das beschleunigt die Beschäftigung, die im Tourismus überwiegend aus Jugendlichen und Frauen besteht, und entspricht damit genau den Vorgaben Europas.

Werden dafür auch Ressourcen aus dem EU-Wiederaufbaufonds verwendet?
Nein, das sind nationale Ressourcen.

Was werden die Hilfen kosten?
Es ist schwierig, eine Prognose abzugeben – wir sprechen hier von einigen Milliarden Euro. Aber allein die Projekte, die sich im Wiederaufbaufonds auf den Tourismus beziehen, werden große Effekte haben, besonders auf die Beschäftigung im Süden. Von den Maßnahmen erhoffen wir uns 0,8 Prozent mehr Konsum, ein Prozentpunkt mehr Wirtschaftsleistung, 1,7 Prozent mehr an Investitionen.

Gibt es schon konkrete Projekte?
Der Schlüsselpunkt für Italien ist die Digitalisierung. Sie kann eine sehr schnelle Entwicklung von bisher nicht traditionellen Tourismuszielen ermöglichen. Für Italien ist es von grundlegender Bedeutung, den Strom der Touristen besser im Land zu verteilen, aber auch besser auf die verschiedenen Jahreszeiten. Der zweite Punkt sind Investitionen in die Qualität der Infrastruktur: Das hilft sowohl der ökologischen Nachhaltigkeit als auch der Energieeffizienz. Und es hebt den Standard unserer Hotels und Strukturen weiter an.

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Vor Kurzem haben Sie sich mit Ihren G20-Kollegen ausgetauscht. Was sind für Sie globale Trends im Tourismus?
Die sieben Leitlinien, die aus der G20-Sitzung hervorgegangen sind, sind sehr konkret und passen aus meiner Sicht perfekt zum italienischen System. Unser Tourismus ist nachhaltig, bietet viel unter freiem Himmel, ist weit übers Land verstreut und auch unter sozialen Gesichtspunkten nachhaltig. Für Italien wird das eine sehr wichtige Entwicklung ergeben, mit der wir hoffentlich ein paar Stufen auf der Weltrangliste zurückzugewinnen.

Sie sind Italiens erster Tourismusminister seit Jahrzehnten. Wie hat das neu geschaffene Amt den Stellenwert des Wirtschaftszweigs in der Regierung verankert?
Die Tatsache, dass wir jetzt ein Ministerium für eine Industrie haben, die mindestens 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, hat uns eine viel bessere Planung ermöglicht. Ohne dieses Ministerium hätten wir die baldigen Öffnungstermine nicht. Ohne hätten wir mit Sicherheit eine weitere Urlaubssaison verloren.

Herr Minister, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Report aus Malta: Wie das kleine Land sich mit cleveren Impfstoffkäufen an die EU-Spitze gespritzt hat – und nun als Covid-freie Insel für sich wirbt.

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