Izchak Herzog So will Israels Staatspräsident die Bevölkerung von der dritten Impfung überzeugen

Izchak Herzog will die Menschen in Israel von der Auffrischung überzeugen.
Tel Aviv Israels Staatspräsident Izchak Herzog hat am Freitag im Kampf gegen die Epidemie ein Zeichen gesetzt. Vor laufenden Kameras ließ er sich eine Auffrischungsimpfung verabreichen. Es war der geschickt inszenierte Auftakt der jüngsten Impfkampagne, die 60-Jährige und ältere Jahrgänge dazu bewegen soll, sich für eine dritte Dosis zu entscheiden, um die sich anbahnende vierte Welle unbeschadet zu überstehen.
Weil Israel mit einer Massen-Impfaktion im Kampf gegen Corona bis vor Kurzem erfolgreich war, achten Politiker und Wissenschaftler weltweit darauf, wie das Land gegen die Delta-Variante vorgeht, die auch in Israel auf dem Vormarsch ist.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert zwar diejenigen, die eine dritte Dosis verabreichen, solange in den armen Ländern noch Milliarden von Menschen ohne Impfstoff sind. Doch Herzog, der Sozialdemokrat, pries die dritte Spritze als Akt gesellschaftlicher Solidarität, um künftig auf Lockdowns verzichten zu können und ein normales Leben zu ermöglichen. Die Auffrischung sei ein wichtiger Schritt für die ganze Menschheit im Kampf gegen das Coronavirus und dessen aggressive Varianten, kommentierte Herzog.
Epidemiologe: Lieber Ungeimpfte überzeugen
Die Regierung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. In den nächsten acht Tagen soll die dritte Dosis des Coronavirus-Impfstoffs verteilt werden an 1,5 Millionen Israelis über 60 Jahren, die seit mehr als fünf Monaten vollständig geimpft sind. 88 Prozent der über 50-Jährigen haben bereits zwei Dosen erhalten, in der Gesamtbevölkerung sind es 58 Prozent.
Der Nimbus des einstigen Impfwunders Israel ist allerdings verblasst. Die Infektionszahlen steigen, derzeit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz knapp über 2000. 360 Menschen werden im Krankenhaus behandelt, mehr als 200 von ihnen sind schwer erkrankt. Auf dem Höhepunkt der Pandemie im Januar mit Inzidenzen über 8000 hatte die Zahl der Schwerkranken bei 1200 gelegen.
Die Regierung hat Restriktionen, die sie eben erst aufgehoben hatte, wieder in Kraft gesetzt. Nach vorläufigen Daten, die das israelische Gesundheitsministerium vergangene Woche veröffentlichte, ist das Infektionsrisiko wegen der Delta-Variante deutlich gestiegen. Die Gefahr, dass zweimal Geimpfte ins Krankenhaus müssen, bleibt zwar überschaubar. Aber Patienten müssen mit schwierigen und lange andauernden Symptomen rechnen.
Herzog kommt in Israel mit seinem werbespotähnlichen Einsatz für den dritten Shot gut an. Drei von vier Senioren sehen eine Auffrischungsimpfung laut Meinungsumfragen israelischer TV-Sender positiv. Skeptischer sind Experten.
Der Impfstoff sei zwar zugelassen, und es seien auch bei älteren Menschen keine besonderen Nebenwirkungen zu erwarten, meint der Epidemiologe Nadav Davidovitch von der Ben-Gurion-Universität. Es sei aber nicht klar genug, „worin der wirkliche Nutzen besteht“.
Zudem kritisiert er die Auffrischungsimpfung als Ablenkungsmanöver – das eigentliche Problem sei, dass zwölf Prozent der Bürger noch nicht geimpft sind. Er würde es vorziehen, wenn mehr Energie investiert würde, um die 1,1 Millionen Ungeimpften zu überzeugen.
Da der 49-jährige Premier Naftali Bennett zu jung ist, um Anrecht auf eine dritte Dosis zu haben, willigte der 61-jährige Herzog ein, sich als Impfpionier zur Verfügung zu stellen. Für eine dritte Verabreichung des in Israel verwendeten Biontech-Pfizer-Präparats liegt zwar noch keine Zulassung der US-Arzneimittelbehörde FDA vor. Aber eine Expertengruppe in Israel hat grünes Licht gegeben.
Zudem, versicherte Bennett zum Auftakt der Impfkampagne, sei das Risiko gering. Denn 2000 Israeli mit Immunschwäche hätten bereits eine dritte Dosis erhalten, ohne dass schwere Nebenwirkungen beobachtet worden seien.
Herzog ist ein politischer Überlebenskünstler
Herzog ist seit zwei Jahrzehnten in der Politik. In mehreren Regierungen hat er gedient, von Ariel Sharon über Ehud Barak und Ehud Olmert bis zu Benjamin Netanjahu, unter anderem als Minister für Wohnungsbau, für Tourismus und für Wohlfahrt. Doch er hat dabei wenig Spuren hinterlassen. Erfolglos war er als Vorsitzender der Arbeitspartei, die unter seiner Führung ihren Abwärtstrend rapid fortsetzte.
Sein Versuch, Premierminister zu werden, scheiterte vor sechs Jahren. Herzog wurde darauf von der Parteispitze abgewählt, zog sich aus der Politik zurück – und erwies sich als politischer Überlebenskünstler. Er wurde zum Chef der Jewish Agency ernannt – einer Organisation, die die Einwanderung von Juden nach Israel fördern und die Beziehungen zur Diaspora pflegen soll.
Im Juni erreichte er den Zenit seiner langen Politikkarriere: Mit großer Mehrheit wählten die Parlamentarier den ehemaligen Oppositionsführer zum Staatspräsidenten.
Das Haus des Präsidenten, in das er im vergangenen Monat nach seiner Wahl einzog, kennt er aus seiner Jugend bestens. Herzog ist der Sohn von Chaim Herzog, der von 1983 bis 1993 Staatspräsident war. Auch sein Großvater, der aus Irland stammende Rabbiner Yitzchak Herzog, hatte zur Elite des Landes gehört. Er war zunächst von 1936 bis 1959 der erste aschkenasische Oberrabbiner im Mandatsgebiet Palästina und nach der Ausrufung des Staates (1949) in Israel.
Dass Herzog jetzt den neuen Impfspurt eingeleitet hat, wird dem symbolischen Amt gerecht, das es bekleidet. Politisch relevant ist der Staatspräsident nur in zwei Fällen. Er konsultiert nach Parlamentswahlen die Parteispitzen und gibt demjenigen den Auftrag zur Regierungsbildung, dem er die höchsten Chancen einräumt, eine Koalition mit einer parlamentarischen Mehrheit um sich zu scharen.
Und er kann Verurteilte begnadigen. Sollte etwa Ex-Premier Netanjahu wegen Korruption und Bestechung verurteilt werden, könnte nur noch der Entscheid des studierten Juristen und Rechtsanwalts Herzog den ehemaligen Premierminister davor bewahren, seine Strafe im Gefängnis abzusitzen.
Mehr: So erhöhen Europas Regierungen und Unternehmen den Druck auf Impfverweigerer
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.