Jelena Issinbajewa Wie eine Weltmeisterin zu Putins Verfassungsexpertin wurde

Als Stabhochspringerin legte die Russin eine beeindruckende Karriere hin.
Moskau Olympiasiegerin 2004 in Athen und 2008 in Peking, mehrfache Weltmeisterin und Weltrekordhalterin im Stabhochsprung: Jelena Issinbajewa hat eine beeindruckende Sportlerkarriere hingelegt.
Auch nach dem Ende ihrer Laufbahn blieb die heute 37-Jährige aus Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, ein Siegertyp. Schließlich gehörte sie schon 2012 und später dann auch 2018 zum Wahlkampfteam von Wladimir Putin.
Die Nähe zum Kremlchef öffnete ihr viele Türen. So ergatterte die Sportlerin nicht nur den begehrten Job der Leichtathletik-Trainerin im Armeesportklub ZSKA, wurde nicht nur zum Major befördert. Nein, sie konnte auch eine Funktionärskarriere beim Olympischen Komitee beginnen – und nun eine politische Laufbahn. Anfang des Jahres wurde sie in eine 75-köpfige Arbeitsgruppe für die Ausarbeitung von Putins Verfassungsreform berufen, mit der der russische Präsident seine Macht langfristig sichern möchte.
Issinbajewa ist beileibe nicht die Einzige, die so über Nacht in die Rolle der Verfassungsexpertin schlüpfte. Schauspieler Wladimir Maschkow, der paramilitärische Schriftsteller Sachar Prilepin, der Kosakenataman Nikolai Doluda – sie alle gehören der illustren Runde an und geraten nun mit teils skurrilen Vorschlägen ins Gerede.
Der Status als Atommacht gehöre in die Verfassung, heißt es da etwa. Auch die Tatsache, dass Russland Siegermacht im Zweiten Weltkrieg war, müsse dort ein für allemal festgeschrieben werden.
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Doch kaum jemand hat in den sozialen Netzwerken mehr Spott ausgelöst als Issinbajewa jüngst mit ihrem Dank an Putin für die Aufnahme in die Arbeitsgruppe. Treuherzig bekannte die Sportlerin, die Verfassung bis dahin überhaupt noch nicht gelesen zu haben
„Ich verstehe jetzt, dass das ein wichtiges Buch ist, das jeder lesen sollte. Ich habe viel Neues erfahren“, gab sie unter dem Gelächter ihrer Kollegen zu Protokoll. Der Kremlchef ergänzte augenzwinkernd, es habe für sie ja bisher auch noch keine Notwendigkeit bestanden, sich der Lektüre des trockenen Schriftstücks zu widmen.
Im Internet rief die Unbedarftheit Issinbajewas Häme hervor, viele Kommentatoren disqualifizierten die Sportlerin als ungeeignet für die verantwortungsvolle Aufgabe. So zeige sich, dass die geplante Verfassungsänderung schon im Kreml vorgeschrieben und der Wirbel um eine angeblich breite Beteiligung nur eine Farce sei.
Doch der Kreml eilte seinem Schützling zu Hilfe: Putins Pressesprecher Dmitri Peskow argumentierte, die Unkenntnis der Verfassung sei keineswegs hinderlich für deren Bearbeitung; sie ermögliche im Gegenteil ein großes Spektrum an Meinungen.
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