Kampf gegen die Pandemie Österreich erhöht mit Lockdown den Druck auf Ungeimpfte – und nimmt Radikalisierung in Kauf

Österreichs Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, Kanzler Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer (v.l.n.r.) erhöhen mit den neuen Maßnahmen den Druck auf Ungeimpfte.
Wien Ab Montag gilt in ganz Österreich eine weitgehende Ausgangssperre für Ungeimpfte. Das hat Bundeskanzler Alexander Schallenberg am Sonntagmittag endgültig bestätigt, nachdem dieser Plan bereits seit Freitag bestanden hatte.
Wer sich bisher nicht mit einem Vakzin gegen Covid-19 impfen ließ, darf das Haus nur noch verlassen, um zur Arbeit zu gehen, sich die Beine zu vertreten oder notwendige Einkäufe zu erledigen. Dazu zählt etwa der Gang in den Supermarkt oder in die Apotheke; Kleiderläden oder Sportgeschäfte dürfen Ungeimpfte aber nicht mehr aufsuchen.
Die neueste Maßnahme läuft zwar auf eine Kontaktbeschränkung hinaus, welche die Zahl der Ansteckungen reduzieren soll. Allerdings wird sie kaum eine rasche Wirkung entfalten, zumal seit dem 8. November bereits die 2G-Regel gilt, die Ungeimpfte weitgehend vom öffentlichen Leben ausschließt.
Der Regierung geht es auch um etwas anderes: Sie will unbedingt, dass sich mehr Bewohner des Landes impfen lassen. Im westeuropäischen Vergleich ist die Impfquote mit rund 65 Prozent verhältnismäßig niedrig, und mit der FPÖ gibt es eine bedeutende Partei, deren Wortführer zumindest teilweise hart gesottene Impfgegner sind.
Österreich habe eine „beschämend niedrige Impfquote“, sagte Schallenberg. Die Appelle der Regierung klingen mittlerweile beinahe verzweifelt. „Bitte, geben Sie sich einen Ruck“, rief der Bundeskanzler am Sonntag den Impfunwilligen zu. „Machen Sie gleich heute einen Termin.“ Damit verbunden war auch ein Appell an das Gewissen der Bevölkerung: Nur schon die Solidarität mit dem Gesundheitspersonal gebiete es, so sagte er, sich impfen zu lassen.
Hohe Bußgelder drohen
Österreich verzeichnet seit rund einem Monat einen starken Anstieg der täglich gemeldeten Coronainfektionen. Jüngst stieg deren Zahl auf 13.500, womit sie den Höchstwert vom vergangenem Herbst von ungefähr 9500 übertraf.
Derzeit sind rund 420 Intensivbetten belegt, vor einem Jahr waren es auf dem Höchststand 714. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 815, wobei die regionalen Unterschiede groß sind. In Oberösterreich gibt es Gegenden mit einem Wert von über 2000. Konkret heißt das: In den vergangenen sieben Tage haben sich dort mindestens zwei Prozent der Bevölkerung mit Covid-19 angesteckt.
Wie schwierig ein Lockdown für Ungeimpfte zu kontrollieren ist, weiß die Regierung. Entsprechend hat sie am Sonntag eine Drohkulisse aufgebaut. Man werde Kontrollen in einem noch nie da gewesenen Ausmaß durchführen, sagte Innenminister Karl Nehammer. Wer sich einer Kontrolle der Polizei widersetzt, muss mit einem Bußgeld von 1450 Euro rechnen.
Schallenberg will keinen Lockdown für Geimpfte
Der neue Lockdown wird das innenpolitische Klima in Österreich weiter verschärfen und die Impfgegner zumindest teilweise noch mehr radikalisieren. Die Regierung nimmt das in Kauf. Offenbar ist sie zur Überzeugung gelangt, dass sich ohne eine höhere Impfquote das Leben im Land auf absehbare Zeit nicht normalisieren wird; auch will es die Regierung nicht mehr hinnehmen, dass das Krankenhauspersonal infolge der hohen Arbeitsbelastung immer wieder an den Anschlag gerät.
Gleichzeitig machte Schallenberg den Eindruck, als wolle er unter allen Umständen einen Lockdown für Geimpfte vermeiden. Dies hat der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober zumindest für die von der Epidemie besonders betroffenen Bundesländer Salzburg und Oberösterreich vorgeschlagen.
Der Bundeskanzler will aber nicht diejenigen bestrafen, die zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen haben – eben indem sie sich impfen ließen. Trotzdem drohte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein mit weiteren Maßnahmen, falls sich die Dynamik bei den Ansteckungen beschleunigt.
Ausfall des Wintertourismus könnte Hotels in den Ruin treiben
Eine solche Entwicklung würde vor allem die Anbieter im Tourismussektor stark beunruhigen. In keinem Land der nördlichen Erdhalbkugel hat der Wintertourismus ein so starkes Gewicht wie in Österreich. In der letzten vollständigen Wintersaison vor der Pandemie lag die Zahl der Übernachtungen bei 73 Millionen. Im Vergleich damit wies die Schweiz, die ebenfalls als Wintersportnation gilt, mit 17 Millionen Übernachtungen eine bescheidene Zahl auf.
Im vergangenen Winter mussten in Österreich alle Hotels schließen. In den Heimatländern der Reisenden herrschten teilweise strenge Quarantäneregeln. Skitouristen, etwa aus Deutschland, hatten somit keine Möglichkeit, ihren Sport in Österreich auszuüben. Deutsche Wintersportler haben im Nachbarland aber ein großes Gewicht. Ihr Anteil an den Gästen liegt im Tirol beispielsweise bei 50 Prozent.

Die Wintersportindustrie ist sehr wichtig für die Wirtschaft in Österreich
Ein zweiter Ausfall der Wintersaison käme das Land teuer zu stehen: Entweder müsste die Regierung die Branche erneut mit hohen Summen unterstützen, oder sie nähme es in Kauf, dass viele Hotels in Konkurs gingen.
Ihre finanzielle Lage ist teilweise angespannt. „In einer Krise ist Widerstandskraft gefragt“, sagt Oliver Fritz, Ökonom am Wirtschaftsinstitut Wifo. „Doch diese fehlt vielen Hotels in Österreich.“ Fritz spricht damit die teilweise niedrigen Eigenkapitalquoten der Betriebe an, die in der Pandemie weiter geschrumpft sind.
Söder fordert Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte
Auch in Deutschland werden Forderungen nach weiteren Einschränkungen für Ungeimpfte lauter: Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Zahlen hält Bayers Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte für notwendig. „Wir brauchen die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte“, sagte Söder am Sonntag vor einer Klausur seines Kabinetts in München. Es brauche dies als Zusatzinstrument – sonst werde man der steigenden Corona-Infektionszahlen nicht Herr. Zugleich forderte er zahlenmäßige Personen-Obergrenzen für Veranstaltungen.
In einem eindringlichen Appell forderte Söder einen Schulterschluss von Bund und Ländern - und rief die Ampel-Verhandlungspartner zu einem deutlichen Nachschärfen des Infektionsschutzgesetz-Entwurfs auf. „Die Lage droht im gesamten Land zu entgleiten. Wegducken allein reicht nicht. Wir müssen jetzt alle – Bund, Länder – zusammen entschlossen handeln. Wir brauchen einen Schulterschluss und kein Hin- und Herschieben“, verlangte er und betonte: „Das Ausrufen des Endes der epidemischen Lage ist in jeder Beziehung der falsche Weg.“
Konkret forderte Söder eine Impfpflicht für bestimmte Berufe, 2G – das heißt Zutritt nur für Geimpfte und Genesene – in ganz Deutschland, 2G plus – geimpft oder genesen plus Test – für alle Diskotheken und Clubs und eine bundesweite FFP2-Maskenpflicht im Fernverkehr. Und er werde sich sehr dafür einsetzen, dass es Obergrenzen für Veranstaltungen gebe, insbesondere beim Fußball, aber auch anderswo. „Wir brauchen Obergrenzen, das muss man aber einheitlich machen.“ Sollte der Bund nicht aktiv werden, werde Bayern dies sonst selbstständig machen.
Mit Agenturmaterial
Mehr: „Normalbetrieb in Krankenhäusern nicht mehr möglich“: Oberösterreich im Lockdown
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Wenn du überredet, ermahnt, unter Druck gesetzt, belogen, durch Anreize gelockt, gezwungen, gemobbt, bloßgestellt, beschuldigt, bedroht, bestraft und kriminalisiert werden musst…. Wenn all dies als notwendig erachtet wird, um deine Zustimmung zu erlangen, kannst du absolut sicher sein, dass das, was angepriesen wird, nicht zu deinem Besten ist." (I.Watson)
Meines Erachtens geht es der Politik in Österreich und Deutschland nur noch darum, vom eigenen Versagen abzulenken. Dafür muss ein Sündenbock her: die Ungeimpften. Dass viele der Ungeimpften genesene Menschen sind, denen aber ihre Immunität vom Staat nach 6 Monaten einfach aberkannt wird, (was wissenschaftlich unhaltbar ist), spielt keine Rolle. Die Spaltung und der Hass auf Ungeimpfte muss weiter geschürt werden. Fakten spielen von Anfang an keine Rolle.
Der deutsche Michel schaut in die Röhre und macht alles mit. Es ist wirklich traurig.
Sehr geehrte Handelsblatt Redaktion,
in meiner vorangegangenen Stellungnahme ist leider zu Beginn ein Satz unvollständig geblieben, denn tatsächlich sollte dort stehen: " Dass VERTRAUEN mehr erreicht als jede Kontrolle mit vermeintlich erforderlichen Auflagen hat sich bildhaft u.a. bei unseren nördlichen Nachbarn in Dänemark, wenn auch nur zeitlich bedingt, gezeigt, obwohl leicht zu erkennen war, dass vergleichsweise das Vertrauen zwischen Staat und Bürger dort noch festzustellen war."
Übrigens in diesem täglichen Inferno an weichkochenden Meldungen aus der Politik und von angeblichen Fachleuten, die auf ihren Expertenstatus hinweisen, muss es verwundern, dass die Unabhängigkeit des RKI bis heute nicht infrage gestellt wird. Sollte es nicht bekannt sein, dass zwischen 1933 und 1945 das Robert Koch-Institut als staatliche Forschungseinrichtung des öffentlichen Gesundheitswesens eng in die nationalsozialistische Gewaltpolitik eingebunden war?
Es fehlt nur noch, dass die Ungeimpften zum Wohle der Geimpften sich zukünftig durch das Tragen einer gelben Armbinde zur Erkennung geben müssen, damit u.a. die Abstandsregeln geändert werden können.
Sehr geehrte Handelsblattredaktion,
nichts ist gerade heute wichtiger als Vertrauen zwischen dem Staat und seinen Bürgern.- Ohne dieses Vertrauen ist kein Bürger zu begeistern und vor allen Dingen kein Staat zukunftsfähig. Dass VERTRAUEN u.a. bei unseren nördlichen Nachbarn in Dänemark partiell gezeigt.
Bei uns in der BRD fehlt es m.W. bisher an einer ernsthaften und glaubwürdigen Bestandsaufnahme, weil die Sichtweiten und Sichtweisen in Verbindung mit einer überbordenden Bürokratie und einem inzwischen unglaubwürdigen Leistungs- und Aufklärungswillen erkennbar verstellt sind in Verbindung mit persönlichen oder parteipolitischen Interessenlagen.
Der Staat und die Politiker verkennen überdies, dass VERTRAUEN keine keine Einbahnstraße ist, was schon die Väter des Grundgesetzes erkannt haben. Ignorierst Du heute in gewiss turbulenten Zeiten als ansonsten braver Bürger eine der vermeintlich wohlwollenden Regelungen/Auflagen, so wirst Du leichtfertig zum Querdenker abgestempelt, weil Du nicht mit dem Strom schwimmst, sondern eine andere Sichtweise
begründet vertrittst.
Wie ansteckend trotz Impfschutz Geimpfte wirklich sind, wird - aus welchen Gründen auch immer- unter den Tisch gekehrt bzw. bagatellisiert. Wenn allein vor diesem Hintergrund ein Herr Frank Ulrich Montgomery den Ungeimpften TYRANNEY vorwirft und vermutet, dass zwei Drittel der Bevölkerung unter den Ungeimpften leiden würden, so ist dies schlichtweg unzutreffend und zu rügen, denn er sollte wissen, dass die Angaben des RKI
in beurteilungsrelevanten Punkten nicht nur unvollständig, sondern auch irreführend sind, was die Relevanz angeht, zumal schlicht ignoriert wird, dass viele offensichtlich nicht ausreichend aufgeklärte Geimpfte irrtümlich glauben, dass sie durch die akzeptierte Impfung total abgesichert wären und auf Vorsichtsmaßnahmen verzichten könnten, wie es tagtäglich realiter leicht festgestellt werden kann. Die Rolle des RKI bedarf übrigens noch einer gesonderten Betrachtung.