Kanadische Umweltministerin McKenna „Einzelne Regierung kann Fortschritt in Klimapolitik nicht stoppen“

„Wir wissen, dass wir letztendlich alle zu sauberen Energien wechseln müssen.“
Ottawa Catherine McKenna, die 46-jährige Juristin aus Ottawa, wurde nach dem Wahlsieg der Liberalen Partei im Herbst 2015 von Kanadas Premierminister Justin Trudeau zur „Ministerin für Umwelt und Klimawandel“ berufen. Neun Jahre lang spielte Klimapolitik in der konservativen Regierung von Stephen Harper eine Nebenrolle, Kanada trat aus dem Kyoto-Protokoll aus und schädigte damit sein internationales Ansehen. McKenna obliegt die Aufgabe, Kanadas Aufholjagd bei der CO2-Reduzierung zu gestalten. An der Ausarbeitung des Pariser Klimaabkommens von Dezember 2015 war sie aktiv beteiligt und findet für Klimapolitik des US-amerikanischen Präsidenten deutliche Worte.
Frau McKenna, nach dem Wahlsieg der Liberalen vor zwei Jahren wurden Sie als mögliche Ministerin genannt, aber nicht für Umwelt, sondern für ein Ressort im Bereich der internationalen Beziehungen. Waren Sie überrascht, als Justin Trudeau Ihnen das Umweltressort anbot?
Ich war überrascht und es war eine große Ehre. Als der Premierminister mir das Amt anbot und ich es annahm, sagte er: „Großartig, in zwei Tagen sitzt du im Flugzeug.“ Ich musste nach Paris zur Klimakonferenz fliegen. Ich war etwas besorgt. Ich war Anwalt für Menschenrechte, ich hatte zwar mit Umweltthemen zu tun, aber das war nicht mein Hintergrund. Ich musste mich in die Fachsprache einarbeiten, hatte aber Erfahrung mit internationalen Verhandlungen und den Uno, denn ich arbeitete in einer Uno-Friedensmission. Ziel war es zu zeigen, dass Kanada beim Klimaschutz zurück war, dass wir uns dem Handeln für Klimaschutz verpflichtet sahen und das Ziel unterstützten, ein ambitiöses Abkommen zu erreichen.
Ihr Ministerium heißt nicht nur „Umweltministerium“, sondern Ministerium „für Umwelt und Klimawandel“.
Erstmals in Kanada. Der Premierminister wollte ein klares Signal setzen. Die frühere Regierung hatte das nicht angepackt. Sie sprach nicht über Klimawandel. Der Premierminister wollte deutlich machen, dass dies für uns eine Priorität ist.
Sie nehmen nun in Bonn an der dritten UN-Klimakonferenz teil. Welche Bedeutung hat diese Konferenz?
Es ist wichtig zu zeigen, dass die Welt beim Klimaschutz vorankommt. Die Entscheidung der US-Administration (zum geplanten Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, Anm. d. Red.) rief Sorgen hervor. Ich habe aber gesehen, dass die USA auf der Ebene der Bundesstaaten, der Städte und der Wirtschaft ihre Bemühungen intensivieren. Es ist die ganze Welt, es ist die Wirtschaft, die mit verschiedenen Ebenen der Regierungen zusammenarbeitet, mit Umweltschützern. Das hat einen großen Einfluss auf die Märkte. Wir sehen, dass die Kosten für saubere Energie sinken.
Wie sehen Sie die Folgen der Veränderungen in den USA für die Klimapolitik?
Als US-Präsident Donald Trump ankündigte, dass er aus dem Pariser Abkommen aussteigen will, war es für einige Persönlichkeiten das erste Mal, dass sie sich zu Wort meldeten. Der CEO von Goldman-Sachs äußerte in seinem ersten Tweet Enttäuschung über den Rückzug der USA. Wir sehen quer durch die USA Unternehmen, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren Energien verpflichtet haben. Ich arbeite mit Gouverneur Brown in Kalifornien, Gouverneur Inslee von Washington State und Michael Bloomberg zusammen. Man sieht bei den Amerikanern das Bewusstsein, dass sie nun antreten müssen und auch das Bewusstsein, dass eine einzelne Regierung den Fortschritt nicht stoppen kann. Wir arbeiten in den USA mit jedwedem zusammen, der dem Pariser Abkommen und Klimaaktionen verpflichtet ist.
Welche Ziele verfolgt Kanada in Bonn?
Wir wollen zeigen, dass wir eine Führungsrolle haben und dass wir zuhause einen robusten Klimaplan haben. Eine der Veranstaltungen mit Großbritannien wird zum Kohleausstieg sein. Wir arbeiten daran, die Welt beim Ausstieg aus der Kohle zusammen zu bringen, dem am stärksten umweltbelastenden fossilen Brennstoff, wenn man die Treibhausgase betrachtet, der aber auch schlecht für unsere Gesundheit ist. Wir wissen, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens nur erreichen, wenn wir letztendlich aus der Kohle aussteigen.
Das ist auch eine Botschaft an den Co-Gastgeber Deutschland, wo Kohle weiter zur Verstromung genutzt wird?
Wir haben alle unsere Politik. Aber wir wissen, dass wir letztendlich alle zu sauberer Energie wechseln müssen. Die Staaten sind hier auf unterschiedlichen Stufen, aber wir ermuntern die Länder rund um den Erdball darauf zu schauen, wie sie aus Kohle aussteigen und zu sauberer Energie wechseln können, und wie wir andere Länder unterstützen können, dies zu tun, vor allem Entwicklungsländer.
Sie sprachen jüngst in einer Rede den „feministischen“ Aspekt der Klimapolitik an.
Für Kanadier ist es wichtig – unser Premierminister ist ein feministischer Premierminister – mit einem „Gender Action Plan“ voranzukommen. Wir hoffen, ihn in Bonn verabschieden zu können. Frauen sind vom Klimawandel oft überproportional stark betroffen, vor allem in Entwicklungsländern, wo sie längere Wege gehen müssen, um zu Wasser zu gelangen. Es geht auch darum, Frauen an den Verhandlungstisch zu bekommen. Wir bilden Frauen in Verhandlungsführung aus. Und wir setzen uns für die indigenen Völker und Anerkennung ihrer Rechte ein. Wir haben wieder Vertreter unserer indigener Völker in unserer Delegation.
Welche Schritte haben Sie in den vergangenen zwei Jahren unternommen?
Vor einem Jahr verkündeten wir unseren Klimaplan, den wir mit Provinzen und Territorien ausgehandelt haben. Er enthält Maßnahmen vom Kohlenstoffpreis für Emissionen für das ganze Land, über Kohleausstieg und Nullenergiehäuser bis zu einer Strategie für Elektromobile und die Reduzierung von Methanemissionen durch Öl und Gas. Wir machen historische Investitionen in öffentlichen Verkehr und saubere Technologien. Umwelt und Wirtschaft gehen Hand in Hand. Wir müssen Klimawandel bekämpfen. Ich habe drei Kinder und fühle mich dem sehr verpflichtet. Es ist aber auch eine ökonomische Chance im Wert von 30 Billionen Dollar. Diesen Betrag gibt Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, an.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es für Klimapolitik in Kanada?
Wir sind eine Föderation und jede Provinz ist anders. Man kann nicht einfach Pläne verfügen. Man muss zusammenarbeiten. Wir sind in einer Übergangsphase. Wir werden es nicht über Nacht schaffen. Man muss die Auswirkungen der Politik auf Menschen und Gemeinden beachten. Jeder muss fühlen, dass er in dieser Übergangsphase einen Platz hat.
Kanada stößt etwa 722 Megatonnen CO2 aus, ist nach dem Bericht Ihrer Umweltbeauftragten der neuntgrößte Emittent von Treibhausgasen und rangiert beim Pro-Kopf-Ausstoß mit mehr als 20 Tonnen noch weiter oben. Jetzt will Kanada bis 2030 auf 523 Megatonnen kommen. Kanada hat bisher nie seine Ziele erreicht. Warum sind Sie jetzt optimistisch?
Weil wir jetzt einen Plan haben. Frühere Regierungen haben Ziele gesetzt, hatten aber keine Pläne. Wir haben viel Zeit aufgewendet um festzustellen, welche Politik sinnvoll ist und wie wir mit den Provinzen zusammenarbeiten können. Ich habe die Hoffnung, dass wir lange an der Regierung sind, aber es kann zu einem Regierungswechsel kommen. Wir möchten sicherstellen, dass unsere Politik dann Bestand hat, weil das ein richtiger Weg ist. Wir sehen in den USA, dass auf Bundesebene wichtige Teile der Gesetzgebung zurückgezogen werden. Das möchte ich nicht in Kanada sehen.
Sie haben einen ehrgeizigen Plan im Klimaschutz. Ihre Energiepolitik aber hat Enttäuschung bei Umweltschützern ausgelöst. Sie scheint sich nicht sehr vom Ansatz der Konservativen unter Stephen Harper zu unterscheiden, ob es sich um die Ölsandindustrie handelt, um Pipelinebau oder den Bau eines Terminals für Flüssiggas.
Wir sind in einem Übergang. Man kann nicht über Nacht die Wirtschaft stilllegen, selbst wenn man es wollte. Vor allem aber ist, mit Blick auf Alberta, zu sagen, dass die (sozialdemokratische, d. Red.) Regierung von Alberta, die kurz vor uns an die Macht kam, erstmals eine Obergrenze für Emissionen der Ölsandindustrie setzte, dass sie erstmals einen CO2-Preis festsetzte und den Kohleausstieg ankündigte. Dies ist nicht leicht. Natürlich muss jeder mehr tun. Aber man muss auch die Menschen zusammenbringen. Es ist leicht zu sagen, man muss etwas stilllegen, aber die Menschen fahren weiter Autos, die mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden. Viele Produkte werden weiter aus fossilen Brennstoffen gemacht. Wir müssen das alles wohl bedenken. Wir sind in einem Übergang, aber wichtige Schritte wurden gemacht. Ein anderes Beispiel ist die Reduzierung von Methanemissionen des Öl- und Gassektors um 40 Prozent. Das sind Herausforderungen. Ich muss Politik machen, die ehrgeizig ist, die aber auch funktioniert.
Glauben Sie, dass es möglich ist, die Balance zwischen der Rohstoffindustrie und sauberem Wachstum, wie Sie es verkünden, zu erreichen?
Beides geht zusammen. Wenn man die Umwelt schädigt, kann die Volkswirtschaft nicht wachsen. Wir sehen die großen Folgen von Klimawandel auf die Wirtschaft Kanadas. Fluten, Waldbrände, die auftauende Arktis, Dürren. Dies sind schwere ökonomische Folgen. Die ökonomischen Möglichkeiten, die sauberes Wachstum bietet, sind groß.
Was sagen Sie Umweltschützern, die Ihnen sagen, Sie müssen mehr tun?
Es ist gut, dass sie Druck machen. Sie haben uns geholfen, den Klimaplan zu entwickeln. Sie unterstützen Teile davon sehr, aber natürlich werden sie immer mehr verlangen. Auf der anderen Seite gibt es einige, die sagen, wir sollten nichts machen. Meine Rolle ist es, überlegt zu handeln, mit den Provinzen und Territorien zu arbeiten, um konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die uns zu diesem Übergang führen und sicherstellen, dass Ökologie und Ökonomie zusammengehen.
Herzlichen Dank Ministerin, für dieses Gespräch.
McKenna studierte „Internationale Beziehungen“ an der London School of Economics. Die Spezialistin in Menschenrecht und Internationalem Recht beriet die UN-Friedenstruppen bei den Verhandlungen in Osttimor. Wir sprachen mit der Ministerin im Parlament in Ottawa. In Bonn nimmt sie jetzt als Kanadas Delegationsleiterin am UN-Klimagipfel teil.
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