Klagewelle in den USA Die Stunde der Anwälte: Amerikaner klagen wegen Corona

Eric Schmitt wirft Peking vor, die Welt über Covid-19 belogen und nicht genug gegen die Verbreitung unternommen zu haben.
New York, Tel Aviv Wenn es etwas zu klagen gibt, dann sind US-Anwälte sofort zur Stelle. Das ist auch in der Corona-Pandemie nicht anders. In den USA laufen bereits Tausende Klagen vonseiten vermeintlicher Corona-Opfer. Laut dem Covid-Beschwerden-Tracker der Kanzlei Hunton Andrews Kurths gab es seit Beginn der Pandemie knapp 10.000 Klagen mit Corona-Bezug.
Die meisten Kläger sind Angestellte, die gegen ihre Arbeitgeber vorgehen. Gleich dahinter folgen Klagen gegen Versicherer. Das sind meist Restaurants, Bars und andere Geschäfte, die schließen mussten und wollen, dass die Versicherer die Einbußen abdecken.
Dass gerade jetzt ein Boom entstanden ist, liegt daran, dass in den USA dank der erfolgreichen Impfkampagne langsam ein Ende der Pandemie in Sicht ist. Bis ein Jahr nach dem Schaden haben die meisten Geschädigten Zeit zu klagen. Damit ist jetzt Hochsaison für die US-Kanzleien.
Unter den vielen Klagen sind auch mehrere Hundert gegen Kreuzfahrtgesellschaften und Altenheime. Dort hatte es gerade zu Beginn der Pandemie die meisten Infektionen und Toten gegeben. Bei den Kreuzfahrtgesellschaften haben die meisten Gerichte die Klagen allerdings zurückgewiesen. Im Fall der Diamond Princess Cruise etwa, wo sich zu Beginn der Pandemie 700 Menschen angesteckt hatten, argumentierten die Richter, dass es schwer sei, die Corona-Fälle auf die Fahrlässigkeit des Anbieters zurückzuführen.
Eine klare Linie, wie Gerichte bei Versicherungsfällen entscheiden, gibt es bisher nicht. Urteile zugunsten der Kläger und Beklagten halten sich in etwa die Waage. „Es gibt noch keine klare Rechtsprechung, ob es sich bei der Pandemie um höhere Gewalt handelt oder nicht“, erklärt Jura-Professor Steven Tapia von der Seattle University. „Theoretisch hätten sich schließlich die Restaurants und Bars dagegen versichern können.“
Die großen Unternehmen werden noch verschont
Für amerikanische Verhältnisse halten sich die Klagen von Arbeitnehmern gegen große Unternehmen wie Amazon, Tyson Foods oder McDonald’s in Grenzen. Beobachter hatten mit deutlich mehr als den rund 2000 Klagen gerechnet, die bisher eingereicht wurden.
Doch dafür gibt es einen guten Grund: „In fast allen Staaten gibt es eigenständige Arbeitsgerichte, bei denen die Aussichten auf Schadensersatz bei einem Bruchteil dessen liegen, was sonst bei US-Gerichten möglich ist“, erklärt der Jurist Tapia. Bei den Arbeitsgerichten könnten die Opfer höchstens auf die Übernahme der Arztkosten und eine kleine Entschädigung hoffen.
Gefährlich dagegen könnte zumindest Amazon eine Klage im Bundesstaat New York werden: Dort hat die Generalstaatsanwältin Letitia James gegen den Onlinehändler geklagt. Sie wirft Amazon vor, seine Mitarbeiter in zwei Lagern in Queens und Staten Island nicht ausreichend geschützt zu haben. Zudem soll der Konzern jene bestraft haben, die sich über fehlende Schutzmaßnahmen beschwerten.
Amazon weist die Vorwürfe zurück und hat im Vorfeld versucht, die Klage mit der Begründung zu verhindern, dass die Sicherheit am Arbeitsplatz nicht unter die Zuständigkeit des Bundesstaates falle – allerdings ohne Erfolg.
Dass viele Corona-Opfer wie in Ischgl gegen einzelne Behörden oder Bundesstaaten klagen, glaubt Tapia nicht. „Die meisten Staaten haben sehr schnell alles zugemacht. Wenn überhaupt werden wir solche Klagen in Texas, Florida, Georgia oder Arizona sehen“, sagt er. Dort haben die Regierungen sehr schnell Geschäftsschließungen aufgehoben und keine Masken vorgeschrieben.
Amerikaner klagen auch gegen China
In den USA klagt zwar kaum jemand gegen die eigene Regierung. Dafür gibt es allerdings mehrere Sammelklagen gegen China. Dank eines Gesetzes aus dem Jahr 1976 ist es in den USA möglich, fremde Staaten und Regierungen vor einem Bundesgericht zu verklagen. Der Foreign Sovereign Immunities Act war vor allem zur Terrorismusbekämpfung erlassen worden und sieht bestimmte Ausnahmen vor, unter denen die normalerweise geltende Immunität der Staaten wegfällt.
Daher haben bereits im vergangenen Frühjahr mehrere Kanzleien Sammelklagen eingereicht, an denen sich außer Covid-Opfern auch Krankenpfleger beteiligen können und Menschen, die ihren Job verloren haben.
Die erste Kanzlei, die gegen China geklagt hat, war die Berman Law Group. Ihre Argumentation lautet: Weil China die Gefahr von Covid-19 heruntergespielt und Ärzte zum Schweigen gebracht habe, konnte sich das Virus in der Welt ausbreiten – so die Argumentation. Deshalb hat die Kanzlei sowohl gegen das Land als auch gegen die Kommunistische Partei und das Labor geklagt, aus dem das Coronavirus eventuell stammt.
China will davon jedoch nichts wissen. Das chinesische Justizministerium hat die Kläger wissen lassen, dass es die Klage als Verstoß gegen die eigene Souveränität ansieht und dass China nicht unter die Rechtsprechung der US-Gerichte falle. „Wir fordern weiterhin, dass China zur Verantwortung gezogen wird und dafür zahlt, was sie getan haben, und China kann es sich leisten zu zahlen“, sagt Matthew Moore von der Berman Law Group. „Sie haben Milliarden an Vermögen hier in den USA, die der US-Rechtsprechung unterliegen.“
Außerdem ergänzt er: „Wir stehen zu unseren Vorwürfen, dass jeder der in der Klage genannten Angeklagten verantwortlich dafür ist, diese Pandemie auf die USA und den Rest der Welt losgelassen zu haben“, sagt Moore.
Erfolgsaussichten eher gering
Die Erfolgsaussichten werden allerdings mittlerweile als eher gering eingeschätzt. Auch die bekannte israelische Anwältin und Leiterin des Shurat Hadin – Israel Law Center Nitsana Darshan-Leitner, die im Sommer noch amerikanische Kanzleien beraten hat, die ebenfalls gegen China vorgehen wollen, gibt sich jetzt pessimistisch.
China für den Corona-Schaden vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen sei schwierig, sagte die Menschenrechtlerin, die in der Vergangenheit bereits terroristische Organisationen, aber auch Staaten wie den Iran und Nordkorea im Namen von Terrorismusopfern verklagt hat.
Dazu müsste zunächst die staatliche Immunität Chinas aufgehoben werden. Damit eine Klage gegen China vor einem US-Gericht zugelassen wird, müsse nachgewiesen werden, dass Chinas Vergehen so gravierend war, dass der Staat seine Immunität verliert. Da sei nicht nur juristisch eine harte Nuss zu knacken. Gegen eine Anklage der Volksrepublik sprechen sich Außenpolitiker aus, weil sie sich mit Peking nicht anlegen wollen.
Mehr: Verbraucherschützer registrieren mehr als 130.000 Beschwerden mit Corona-Bezug.
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