Klimaschutz Türkei will als letztes G20-Mitglied Pariser Klimaabkommen beitreten
Istanbul Das türkische Parlament soll in den kommenden Monaten über das Pariser Klimaabkommen abstimmen, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor der UN-Vollversammlung am Dienstag. Damit beendet der türkische Präsident seine vier Jahre währende Blockade.
Die nun angekündigte Ratifizierung hat aber nicht nur eine umweltpolitische Dimension. Die türkische Regierungspartei AKP ist eher dafür bekannt, wirtschaftliche Entwicklung vor Klimaschutz zu stellen und Umweltaktivisten als verkappte Oppositionelle zu brandmarken.
Der Beitritt zum Abkommen könnte daher, knapp zwei Jahre vor den nächsten Präsidentschaftswahlen, eine politische Trendwende einläuten. Es ist ein wahlkampfpolitischer Schachzug des türkischen Präsidenten. Erdogan will das Zukunftsthema Klimaschutz selbst besetzen und feiert sich noch vor der Abstimmung im Parlament als Klimaschützer. Der Opposition könnte damit die Deutungshoheit über eines der wichtigsten Themen im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf abhandenkommen.
Vor allem junge Wählerinnen und Wähler dürften darauf achten, welche politische Partei sich dem Klimaschutz verschreibt. Umfragen zufolge betrachten 95 Prozent der türkischen Jugend den Klimawandel als eine der größten Gefahren für das Land. Die Oppositionsparteien, die grundsätzlich fast alles blockieren, was die Regierung vorschlägt, stehen damit unter Zugzwang. Verwehren sie sich der Zustimmung, stehen sie als Klimasünder da. Wenn sie zustimmen, dann geben sie das wahlkampfpolitisch wichtige Thema damit zumindest zum Teil an Erdogan ab.
Die Türkei ist eines der wenigen Länder, die das Abkommen noch nicht ratifiziert haben. Beim Pariser Klimaabkommen 2015 hatte sich die internationale Staatengemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Erdogan wollte Geld erhalten, statt selbst zu bezahlen
Auf dem G20-Gipfel in Hamburg im Jahr 2017 erklärte Erdogan, das Abkommen nicht im Parlament ratifizieren zu lassen, solange „die der Türkei gegebenen Versprechungen nicht erfüllt“ werden. Damit bezog sich der türkische Staatschef nach eigenen Angaben auf Zusagen des damaligen französischen Präsidenten François Hollande im Jahr 2015, dass die Türkei trotz ihrer Einstufung als entwickelter Staat nicht die gleichen finanziellen Lasten der Klimavereinbarung tragen muss wie etablierte Industriestaaten. Ob das Land nun die Zusage von den G20-Staaten erhalten hat, selbst Gelder aus dem Topf zu erhalten, ist unklar.
Im Rahmen des Pariser Abkommens sollen die Industriestaaten ärmeren Ländern ab dem Jahr 2020 jährlich hundert Milliarden Dollar für Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen zur Verfügung stellen. Bis 2025 soll ein neuer, höherer Betrag vereinbart werden. Die Türkei will nicht in den Fonds einzahlen müssen, sondern vielmehr selbst Gelder erhalten.
Im Sommer hatte die Türkei gleich mit mehreren Naturkatastrophen zu kämpfen, die Umweltexperten und Aktivisten dem Klimawandel zuschreiben. So zerstörten mehrere Brände insgesamt 175.000 Hektar Wald im Land. Kurze Zeit später starben mindestens 82 Menschen im Norden des Landes, als mehrere Bäche und Flüsse nach heftigen Regenfällen über die Ufer traten.
Im Marmarameer zwischen Istanbul und der Industriestadt Bursa sorgte Seeschleim für schmutzige Ufer. Opposition und Umweltschützer warfen daraufhin der Regierung nicht nur vor, schlechtes Krisenmanagement zu betreiben, sondern auch, nicht genug auf die Folgen des Klimawandels eingegangen zu sein.

In der Vergangenheit hatte die türkische Regierung eher Schlagzeilen damit gemacht, dem Klimaschutz keinen großen Stellenwert einzuräumen.
Seit den Gezi-Protesten im Jahr 2013, bei denen Aktivisten gegen die Abholzung eines Stadtparks in Istanbul demonstriert hatten, behandelt die Regierung Umweltaktivismus als Protest gegen die Regierung.
Kohle- und Atomkraftwerke statt Wald
Grundsätzlich räumt die konservative und wirtschaftsliberale Regierung unter Staatschef Erdogan wirtschaftlicher Entwicklung einen höheren Stellenwert ein als dem Klimaschutz. In der ersten Dekade seiner Amtszeit hatte das gefruchtet: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg von 3600 US-Dollar im Jahr 2002 auf 12.600 im Jahr 2013.
In der Vergangenheit hatte die türkische Regierung somit eher Schlagzeilen damit gemacht, dem Klimaschutz keinen großen Stellenwert einzuräumen. Neben einer von Ankara entfachten schieren Bauwut gesellen sich Projekte wie die geplante Abholzung eines Waldes für eine Goldmine oder der Bau neuer Kohlekraftwerke.
Im Südosten hat die Regierung ein historisches Dorf für einen Staudamm geflutet. In Istanbul will Erdogan einen Kanal parallel zum Bosporus bauen und dafür Bäume fällen lassen. Auch der Bau eines Atomkraftwerks – das zwar kein Kohlendioxid ausstößt, aber andere Umweltrisiken mit sich bringt – hat viele Türkinnen und Türken zornig gemacht.
Das Magazin „Foreign Policy“ argumentierte noch Anfang September, die türkische Regierungspartei AKP sehe Klimaschutz als Bedrohung. Als im Hochsommer Dutzende Wälder im Land brannten, denunzierte die AKP erst die Terrorgruppe PKK der Brandstiftung. Anschließend geißelten die Regierungspolitiker eine Social-Media-Kampagne, mit der Bürger Spenden einsammeln wollten.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
"Im Rahmen des Pariser Abkommens sollen die Industriestaaten ärmeren Ländern ab dem Jahr 2020 jährlich hundert Milliarden Dollar für Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen zur Verfügung stellen. Bis 2025 soll ein neuer, höherer Betrag vereinbart werden. Die Türkei will nicht in den Fonds einzahlen müssen, sondern vielmehr selbst Gelder erhalten."
Es ist doch offensichtlich, warum es hier Lippenbekenntnisse gibt. Die Türkei will an die großzügigen Fördergelder!
Wo findet sich eine Aufstellung, welche Staaten wieviel in den Fördertopf von 100 Milliarden Euro JÄHRLICH einzahlen?