Nach langem Zögern hat Interimspräsident Alexander Turtschinow einen „Anti-Terror-Einsatz“ zum Schutz der Bevölkerung angeordnet. Schwer bewaffnete Einheiten sollen auf die von Separatisten kontrollierte Stadt Slawjansk vorrücken. Dort halten martialisch gekleidete und mit Sturmgewehren ausgerüstete Aktivisten strategisch wichtige Punkte besetzt. Die Behörden berichten von mindestens acht Verletzten bei Schusswechseln. Auch in anderen Großstädten im Gebiet nahe der Grenze zu Russland sind prorussische Kräfte im Einsatz. Von einer sehr angespannten Lage sprechen Experten der Vereinten Nationen.
Viele Menschen in der Ostukraine lehnen die prowestliche Regierung in Kiew eindeutig ab. Sie fürchten, dass die Führung um Ministerpräsident Arseni Jazenjuk unter dem Einfluss nationalistischer Gruppen ihre Interessen absichtlich missachtet. Auch viele Berichte Moskauer Staatssender schüren Ängste, dass Rechtsradikale aus dem Westen Jagd auf die russischstämmige Mehrheit machen wollten. Unklar ist, wie groß der tatsächliche Rückhalt der Aktivisten ist. In einigen Orten sollen Separatisten mangels Unterstützung wieder abgezogen sein.
Für die jüngste Eskalation werden russische Geheimdienstler und Freischärler von der Krim verantwortlich gemacht. Experten verweisen auf die professionelle Ausrüstung und das planmäßige Vorgehen der „grünen Männchen“. Auch ein UN-Bericht weist darauf hin, dass russische Agenten hinter der Eskalation stecken könnten. Das sollen auch Gesprächsmitschnitte belegen, die der Geheimdienst in Kiew veröffentlichte. Eindeutige Beweise gibt es jedoch nicht, Russland dementiert die Vorwürfe strikt. Ebenso unbewiesen sind Vorwürfe, dass der reichste Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, und Alexander Janukowitsch, Sohn des geflüchteten Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, die Proteste lenken.
In erster Linie ein Referendum. Allein: Die Fragestellung eines solchen Volksentscheids ist völlig offen. Mal soll es um eine weitreichende Föderalisierung der Ukraine gehen, mal um die Unabhängigkeit von Kiew. Teils wird auch der Anschluss an Russland gefordert. Einig sind sich die Aktivisten in der Ablehnung der Regierung in Kiew und der Präsidentenwahl am 25. Mai.
Wochenlang ließ sich kaum ein Mitglied der Führung im Osten blicken. Nun kann es mit Vorschlägen nicht schnell genug gehen. Interimspräsident Alexander Turtschinow und Regierungschef Arseni Jazenjuk stellen Verfassungsänderungen in Aussicht mit einer Dezentralisierung der Machtbefugnisse. Damit erhielten die russisch geprägten Gebiete mehr Freiheiten in der Steuer- und Wirtschaftspolitik. Es fehlt jedoch an konkreten Angeboten. Turtschinow sprach auch von der Möglichkeit eines landesweiten Referendums zeitgleich mit der Präsidentenwahl am 25. Mai. Auch hier fehlt es an einer konkreten Fragestellung.
Ja. Viele Menschen in der Ostukraine lehnen die Wahl als illegal ab - und folgen damit der Linie Russlands und des gestürzten Präsidenten Janukowitsch. Kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen oder ruft die Regierung den Ausnahmezustand aus, könnte wohl kaum von einer freien und fairen Wahl die Rede sein. Zudem wäre die Legitimität des neuen Präsidenten sofort infrage gestellt, vor allem von russischer Seite.
Moskau habe kein Interesse an einer Eingliederung der Süd- und Ostukraine, betont Außenminister Sergej Lawrow. Mit den Maskierten und Bewaffneten habe Russland nichts zu tun, es handele sich um „friedliche Demonstranten“. Doch der Kreml fordert weitreichende Verfassungsänderungen und eine Föderation. Russisch müsse zweite Amtssprache werden. Zugleich hält Russland eine Drohkulisse mit angeblich Zehntausenden Soldaten an der ukrainischen Grenze aufrecht. Kremlsprecher Dmitri Peskow betont, Präsident Putin habe bereits unzählige Briefe mit Bitten um Hilfe erhalten.
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