Konflikt OSZE: Waffenruhe zwischen Russland und Ukraine – Dennoch Vorbereitung für ein russisches Manöver

Offenbar haben die Konfliktparteien in der Ost-Ukraine einem Waffenstillstand zugestimmt.
Kiew Inmitten der Spannungen im Ukraine-Konflikt plant Russland einem Medienbericht zufolge ein Militärmanöver, das für neuen Zündstoff sorgen dürfte. Hunderte Fallschirmjäger sollen noch in dieser Woche Übungen in der Nähe der ukrainischen Grenze abhalten, meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstag unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium.
Das Manöver solle an der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim und der benachbarten Provinz Krasnodar stattfinden. Rund 1200 Soldaten mit mehr als 250 Militärfahrzeugen und Flugzeugen sollen daran teilnehmen. Geübt werden soll demnach die Einnahme eines Gebiets im Rahmen eines Offensiv-Einsatzes.
Die Meldung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu einer Ankündigung der Organisation für Sicherzeit und Zusammenarbeit in Europa vom Mittwochabend. Da teilte die Organisation mit, einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine vermittelt zu haben. Dies sei das Ergebnis der Gespräche zwischen der OSZE, der Ukraine und Russland.
Die Teilnehmer zeigten sich entschlossen, in allen Punkten das Abkommen vom 22. Juli 2020 umzusetzen. In der Ost-Ukraine stehen sich ukrainische Regierungstruppen und Separatisten gegenüber, die von Russland unterstützt werden. Die Regierungen in Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für die jüngsten Verletzungen des Waffenstillstandes von 2020 verantwortlich.
Die Regierung in Moskau übermittelte den USA inzwischen Terminvorschläge für Gespräche über die geforderten Sicherheitsgarantien, wie die Nachrichtenagentur RIA am Donnerstag unter Berufung auf das Außenministerium meldete. Einen Zeitplan nannte sie nicht. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow wurde allerdings mit den Worten zitiert, dass man keine Vorbedingungen für die Gespräche akzeptieren werde.
Russlands EU-Botschafter beschwichtigt
Der Konflikt selbst dauert seit 2014 an. Unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich endeten die schwersten Gefechte zwischen ukrainischen Soldaten und den von Russland unterstützten Gruppen 2015.
Russlands Botschafter für die Europäische Union (EU) wies Vorwürfe zurück, der Kreml bereite einen militärischen Angriff auf die Ukraine vor. „Russland plant gegen kein Land einen Angriff. Ich kann versichern, dass keine russischen Truppen mit den Vorbereitungen für eine Invasion in die Ukraine beschäftigt sind“, sagte Russlands EU-Botschafter, Wladimir Tschischow, am Mittwoch der Zeitung „Welt“.
Mit Blick auf den Aufmarsch russischer Truppen an der 2000 Kilometer langen Grenze zwischen Russland und der Ukraine sagte Tschischow: „Warum ist Europa so besorgt über Pläne, die nicht existieren und über russische Truppenbewegungen, die sich auf Russlands eigenem Territorium abspielen? Nicht ein einziger russischer Soldat hat sich jenseits der russischen Grenze bewegt.“
Russland verfolge eine Politik, die russisch-sprachige Bevölkerungsgruppen und Landsleute, die in anderen Ländern leben, unterstütze. „Aber Russland hat niemals gesagt, dass wir beabsichtigen, dazu militärische Mittel einzusetzen.“
Deutsche Botschafterin hält Angriff für unwahrscheinlich
Auch die deutsche Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen, hält einen großangelegten Angriff Russlands auf das Land für wenig wahrscheinlich. Deutliche Worte europäischer Politiker und eine frühzeitige Koordinierung hätten die richtigen Signale Richtung Moskau gesendet, schrieb Feldhusen in einer Mail an Bundesbürger, die in der Ukraine leben. „In den vergangenen Wochen konnten wir zudem keinen signifikanten Truppenaufwuchs nahe der russischen Grenze mit der Ukraine feststellen. Insofern halte ich die Wahrscheinlichkeit eines breiten Angriffs Russlands weiter für niedrig.“
Die Diplomatin betonte aber auch: „Wie alle unsere Partner nehmen auch wir und nehme ich das russische Vorgehen sehr ernst.“ In dieser Situation müssten „Ruhe und Besonnenheit, aber auch Achtsamkeit“ an den Tag gelegt werden, so wie es die neue Bundesregierung zeige. Seit Wochen sorgen Berichte über angebliche russische Vorbereitungen auf einen Einmarsch in die Ukraine international für Beunruhigung. Russland wies solche Vorwürfe mehrfach zurück.
Auch die Nato hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgerufen, die bevorstehenden Feiertage für einen Rückzug seiner Streitkräfte von der ukrainischen Grenze zu nutzen. Russland habe die Möglichkeit, ein friedliches und erholsames Weihnachtsfest für alle zu gewährleisten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Dazu müsse das Land Spannungen abbauen und seine Truppen zurückziehen.
Nato-Generalsekretär: „Bedeutender militärischer Aufbau“
Nach Angaben des Nato-Generalsekretärs geht es mittlerweile um Zehntausende Soldaten, die Russland in der Nähe der Ukraine zusammengezogen hat. „Es ist ein bedeutender militärischer Aufbau, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Aufmarsch stoppt oder sich verlangsamt“, sagte er.
Offen ließ der Norweger, ob er hinter den Truppenbewegungen vornehmlich den Versuch Russlands vermutet, Zugeständnisse der Nato in Sicherheitsfragen zu erpressen. „Es gibt Unsicherheit über die russischen Absichten“, sagte er. Stoltenberg verwies darauf, dass Russland bereits im Zuge der Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim Gewalt gegen die Ukraine eingesetzt habe.
Mit Blick auf die russischen Forderungen nach zusätzlichen Sicherheitsgarantien der Nato zeigte er sich gesprächsbereit - erteilte allerdings Vorstellungen eine Absage, dass die Nato zum Beispiel den Verzicht auf eine Aufnahme der Ukraine erklären könnte.
„Wir sind bereit, uns mit Russland im Nato-Russland-Rat zusammenzusetzen und zu reden. Allerdings werden wir keine Kompromisse bei Grundprinzipien eingehen“, sagte er der dpa. „Wir können das Recht der Nato, alle Verbündeten zu schützen und zu verteidigen, nicht in Frage stellen und auch nicht das Grundprinzip, dass jede Nation das Recht hat, ihren eigenen Weg zu wählen.“
Dabei gehe es auch um die Achtung der Souveränität kleinerer Nationen. „Diese Idee, dass eine große Macht wie Russland entscheiden kann, was kleinere Nachbarn tun können oder nicht tun können, bedeutet, diese Vorstellung von Einflusssphären wieder einzuführen. Das verstößt absolut gegen alles, was seit dem Ende des Kalten Kriegs Frieden und Stabilität in Europa gewährleistet hat.“
Auf die Frage, ob die Nato mit einer erweiterten Truppenpräsenz im östlichen Bündnisgebiet auf die angespannte Sicherheitslage reagieren könnte, reagierte Stoltenberg ausweichend. „Wir werden fortlaufend prüfen, ob wir unsere Truppenpräsenz weiter anpassen müssen“, sagte er. Mit Spekulationen wolle er vorsichtig sein, da dies zu weiteren Spannungen führen könne.
Unerwähnt ließ der Norweger dabei, dass von den Militärs bereits Maßnahmen getroffen wurden, um besser auf mögliche Bedrohungen gegen östliche Bündnisstaaten vorbereitet zu sein. So reduzierte Nato-Oberbefehlshaber Tod D. Wolters jüngst die so genannte „Notice-to-Move“-Frist für die schnelle Eingreiftruppe VJTF. Dies bedeutet, dass die Soldaten derzeit innerhalb von fünf Tagen bereit für eine Verlegung in ein Krisengebiet sein müssen. Bisher hatte die Frist sieben Tage betragen.
Stoltenberg betonte mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage: „Wir sehen keine unmittelbare Bedrohung gegen die Nato-Verbündeten.“
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