Ländervergleich Neue Corona-Welle: Wie Europa den Druck auf Ungeimpfte erhöht

Der Druck wächst, dass die Gastronomie Impfungen und Tests streng kontrolliert.
Düsseldorf, Athen, Brüssel, Paris, Madrid, Zürich In Hamburg können Veranstalter von diesem Samstag an entscheiden: Entweder sie nutzen das 2G-Modell, öffnen ihre Türen also nur noch Geimpfte und Genesene, die dann weitgehend von allen Corona-Einschränkungen befreit sind. Oder sie nutzen weiterhin das 3G-Modell, das Getestete und damit Ungeimpfte einbezieht, weiterhin aber den bisherigen Corona-Einschränkungen unterliegt.
Die Tendenz ist klar: Für Ungeimpfte sollen die Bewegungsspielräume im öffentlichen Raum kleiner werden, zugleich soll der Druck auf Impfverweigerer wachsen, sich doch noch immunisieren zu lassen.
Nicht nur in Deutschland sind die Regierenden zur Einsicht gelangt: Nur dynamische Impfkampagnen können die Delta-Welle brechen. Unsere Korrespondenten geben einen Überblick darüber, welche Restriktionen für Ungeimpfte in anderen Ländern der EU gelten, beschreiben, wie die Regierungen in Europa versuchen, ein Ausufern der Pandemie zu verhindern.
Griechenland: Apotheker ohne Impfung werden freigestellt
Was in Hamburg derzeit für Diskussionen sorgt, gilt in Griechenland in zwei Wochen landesweit für alle Restaurants verpflichtend: In der Innengastronomie – Restaurants, Cafés, Bars und Nachtklubs – greift vom 13. September an die 2G-Regel. Zutritt hat dann nur noch, wer eine abgeschlossene Impfung gegen Covid-19 nachweisen kann oder von der Infektion genesen ist.
Auch Stadien und Sporthallen sind dann für Nichtgeimpfte tabu. Die Beschränkungen gelten auch für ausländische Touristen. Fitnessstudios können selbst entscheiden, ob sie nur noch Geimpfte und Genesene einlassen oder auch Getestete akzeptieren.
Zudem greift ab dem 1. September eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen und in Apotheken. Wer zum Stichtag nicht mindestens eine Impfung nachweisen kann, wird ohne Bezahlung freigestellt. Im Gespräch ist zudem eine Impfpflicht für die Beschäftigten bei Streitkräften, Polizei und Feuerwehr sowie für weitere Staatsbedienstete. Griechenland hat damit in Europa die wohl weitreichendsten Beschränkungen für Menschen erlassen, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind.
Frankreich: In den Fernzug nur noch mit Test oder Impfung
In Frankreich sind seit dem 21. Juli Konzerte und Kultureinrichtungen nur noch für Geimpfte, Genesene oder Getesteste zugänglich. Seit dem 1. August gilt das auch für Fernzüge und Flüge. Ab Herbst werden die Tests kostenpflichtig. Auch große Einkaufszentren und Restaurants verlangen den Sanitätspass mit den entsprechenden Nachweisen. Das hat die Zahl der Impfungen in den vergangenen Wochen stark steigen lassen. Die Maßnahmen führten zwar auch zu Straßenprotesten, doch die Mehrheit der Franzosen befürwortet sie.
Jetzt wächst der Druck, dass Restaurants Impfungen und Tests auch streng kontrollieren. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, dass Restaurantbesitzer oder andere Unternehmen keine Hilfsleistungen des Staates mehr bekämen, wenn sie nicht kontrollierten. Italien hat als erstes Land eine De-facto-Impfpflicht im Gesundheitssektor eingeführt. Nichtgeimpfte sind freigestellt.
In Frankreich müssen sich Angestellte in Krankenhäusern und Pflegeheimen bis Mitte September impfen lassen, sonst werden sie freigestellt und möglicherweise nicht mehr bezahlt. Präsident Emmanuel Macron hat weitere Einschränkungen für Nichtgeimpfte in Aussicht gestellt.
Eine wichtige Einschränkung gilt für Schüler ab der sechsten Klasse: Sind sie nicht geimpft, sollen sie eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen werden, wenn ein positiver Corona-Fall in der Klasse auftritt und sie Kontaktperson sind.
Belgien: Sperrstunde in Regionen mit Impfmuffeln
Belgien gehört mit einer Impfquote von 68,4 Prozent zu den europäischen Spitzenreitern, doch die regionalen Unterschiede sind groß. Flandern und Wallonien haben hohe Impfquoten, in der Hauptstadtregion Brüssel liegt der Anteil der voll Geimpften jedoch nur bei 54 Prozent.
Deshalb gelten die Lockerungen ab dem 1. September nicht in Brüssel, sodass unter anderem die Sperrstunde für Cafés und Restaurants bestehen bleibt. So soll die Impfbereitschaft weiter erhöht werden.
Über die Frage, Nichtgeimpften den Zutritt zu Restaurants gänzlich zu verwehren, wird derzeit noch äußerst verhalten diskutiert – die Idee ist aber da.
Schweiz: Corona-Tests von Oktober an kostenpflichtig
Auch in der Schweiz, wo die Corona-Inzidenz auf 205 gestiegen ist, wächst der Aufwand für Ungeimpfte in vielen Teilen des öffentlichen Lebens. Besucher von Restaurants, Bars, Fitnessstudios, Museen und Zoos sowie Konzerten, Theatern und Kinos müssen von Ende August an nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Außenbereiche sind davon ausgenommen. Bislang gilt diese sogenannte 3G-Regel lediglich für Diskotheken und Tanzlokale.
Gleichzeitig schränkt die eidgenössische Regierung das Angebot kostenloser Corona-Tests ein. Wer sich theoretisch impfen lassen könnte, muss ab Oktober die Tests selbst zahlen. Urs Karrer, Vizepräsident der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce, sprach von einer „Pandemie der Ungeimpften“. Als erste Fluggesellschaft Europas hat die Swiss gerade eine Impfpflicht für Piloten und Kabinenpersonal erlassen.

Dutzende Jugendliche stehen Schlange, um die erste Dosis des Corona-Vakzins von Moderna zu erhalten. Spanien gehört zu den Ländern mit der höchsten Impfquote in der EU.
Spanien und Portugal: Impfvorbilder
Spanien gehört mit 67 Prozent voll Geimpften zu den Ländern mit der höchsten Impfquote in der EU. Experten führen dies unter anderem auf das weitverbreitete Zusammenleben mehrerer Generationen zurück. Viele junge Spanier können sich aufgrund der niedrigen Löhne und der hohen Arbeitslosigkeit keine eigene Wohnung leisten. „Viele junge Spanier haben deshalb Angst, sie könnten Risikogruppen wie ihre Großeltern gefährden, wenn sie sich nicht impfen lassen“, sagt Pablo Simón, Politologe an der Universität Carlos III in Madrid.
Auch in Portugal sind 67 Prozent voll geimpft. Der Soziologe Nuno Augusto von der Universität Beira Interior macht dafür unter anderem die verheerenden Todes- und Infektionszahlen des Landes zu Beginn des Jahres verantwortlich. Portugal hat strikt nach Alter geimpft und ist jetzt bereits bei den zwölf- bis 15-Jährigen angelangt.
In Portugal ist ein Impfausweis in Regionen mit einer hohen Inzidenz für Innenräume von Restaurants und einige andere öffentliche Räume nötig. „Das wird auch kontrolliert“, so Augusto. Dazu gehört unter anderem die Hauptstadt Lissabon.
Mehr: Zugangsverbote für Ungeimpfte: Was für die 2G-Regel spricht – und was dagegen
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