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Machtkampf Eine wacklige Koalition will Netanjahu verdrängen – und die israelische Wirtschaft umkrempeln

Die neue Allianz in Israel will sich vorrangig um die Erholung der Konjunktur kümmern. Es fehlt jedoch das Geld. Der Haushaltsplan hat große Lücken.
03.06.2021 - 13:07 Uhr Kommentieren
Israels Ministerpräsident steht wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck. Quelle: dpa
Benjamin Netanjahu

Israels Ministerpräsident steht wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck.

(Foto: dpa)

Tel Aviv In Israel bahnt sich ein Machtwechsel an. Nach zwölf Jahren an der Regierung droht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das politische Aus, nachdem sich seine Gegner jetzt auf ein Bündnis geeinigt haben, um ihn aus dem Amt zu verdrängen.

Die Allianz, die aus acht Parteien besteht, soll spätestens Mitte Juni vereidigt werden. Weil sich die neue Koalition nur auf eine hauchdünne Mehrheit stützt, wird Netanjahu vor der Vereidigung versuchen, die Allianz zu Fall zu bringen. Gelingen kann ihm das nur, wenn er mindestens einen Parlamentarier der künftigen Koalition auf seine Seite zieht. Von den 120 Knessetmandaten kontrolliert die nächste Koalition lediglich 61.

Zwei Parteien wollen sich das Amt des Regierungschefs teilen und haben sich auf eine Rotation geeinigt. Zunächst soll Naftali Bennett von der national-religiösen Partei ins Büro des Premiers einziehen, nach zwei Jahren würde er vom derzeitigen Oppositionsführer Yair Lapid abgelöst.

Die neue Regierung besteht aus einer selbst für Israel außerordentlich bunten Mischung ideologischer Strömungen. In ihr vertreten sind eine islamistische Partei und eine Feministin, Siedlerinteressen und rechte Hardliner sowie linke Parteien und säkulare Zentristen.

Zusammengehalten wird die heterogene Mischung ausschließlich durch den gemeinsamen Willen, Netanjahu aus dem Amt zu verdrängen. Sollte sich „Bibi“ nach der Niederlage ganz aus der Politik zurückziehen, käme der neuen Regierung ihr Feindbild abhanden. Dann bestünde das Risiko neuer Machtkämpfe, die die Stabilität der Koalition gefährden könnten.

Möglich wurde der Schulterschluss durch die Bereitschaft von Yair Lapid von der Zukunftspartei, erst in zwei Jahren ins Büro des Premierministers einzuziehen, obwohl er in der Knesset über die zweitgrößte Fraktion verfügt. Um die Ära Netanjahu zu beenden, lässt er der Konkurrenzpartei Yamina („nach rechts“) den Vortritt.

Damit hat er verhindert, dass Yamina sich Netanjahu anschließt. Lapid wird für zwei Jahre ins Außenministerium einziehen, danach will er Yamina-Chef Bennett an der Regierungsspitze ablösen. Bennett soll dann oberster Diplomat werden.

Hohe Defizite schränken Spielraum für Steuersenkungen und Investitionen ein

Der Chef der Rechts-Partei ist ehemaliger Cheflobbyist der Siedlerbewegung, ein ehemaliger Verbündeter und ideologischer Zwilling von Netanjahu. Er träumt zwar davon, die Westbank ganz oder zumindest teilweise zu annektieren. Doch Bennett gibt sich pragmatisch. Niemand werde in der Koalition seine Ideologie verraten müssen, sagte er, aber jeder werde die Verwirklichung eines Teils der Träume auf später zu verschieben haben.

„Wir werden uns auf das Machbare konzentrieren,“ so Bennett, „statt uns darüber zu streiten, was unmöglich ist.“ Die Zusammensetzung der Koalition zwingt alle zu Kompromissen. Bennett ist auf die Unterstützung der Linken, des Zentrums und der arabischen Partei angewiesen, um das Bündnis zusammenzuhalten. Will er einen fünften Wahlkampf verhindern, muss die Geschlossenheit der Allianz seine Top-Priorität sein.

Jair Lapid (rechts im Bild), Vorsitzender der Zukunftspartei, und Naftali Bennett, Vorsitzender der Yamina-Partei, während eines gemeinsamen Treffens. Quelle: dpa
Regierungskoalition in Israel

Jair Lapid (rechts im Bild), Vorsitzender der Zukunftspartei, und Naftali Bennett, Vorsitzender der Yamina-Partei, während eines gemeinsamen Treffens.

(Foto: dpa)

Der designierte Premier und sein Team werden sich in erster Linie um die Erholung der Wirtschaft kümmern, die während der Coronakrise unter mehreren Lockdowns gelitten hat. Vorrangig wird es sein, erstmals nach über zwei Jahren ein Budget zu verabschieden.

Die neue Wirtschaftspolitik wird von den drei künftigen Ministern Lapid, Bennett und Avigdor Lieberman geprägt. Lieberman übernimmt das Finanzministerium und damit ein gewaltiges Budgetdefizit, das mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Seit der Gründung des Staates vor 73 Jahren ist das ein Rekordwert.

Eine Ausdehnung des Defizits wäre „verrückt“, ließ sich Lieberman kürzlich zitieren. Wie er seine Ziele „Steuersenkung“ und „Investitionen in die Infrastruktur“ erreichen will, ohne den Fehlbetrag zu erhöhen, ist offen. Er strebt an, die Bürokratie zu entschlacken, die derzeit niedrige Arbeitsproduktivität zu steigern und die leicht ansteigende Teuerung zu bekämpfen.

Einerseits will sich die nächste Regierung in erster Linie auf die Marktkräfte verlassen. Andererseits empfahl Lapid während des Wahlkampfs den „New Deal" des früheren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zur Lektüre.

Längster amtierender Ministerpräsident Israels

Lapids liberale Partei Zukunftspartei Yesch Atid war bei der Parlamentswahl am 23. März – dem vierten Urnengang binnen zwei Jahren – zweitstärkste Kraft hinter dem nationalkonservativen Likud von Netanjahu geworden. Diesem war es erneut nicht gelungen, innerhalb der gesetzten Frist eine Regierung zu bilden.

Der 71-jährige Netanjahu regiert seit 2009 und ist damit der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels. Er steht wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck. Er weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer einer Hexenjagd. Anfang April musste er wegen Korruptionsverdachts vor Gericht erscheinen. Laut israelischem Gesetz müssen nach einer Anklage nur Minister, nicht aber Regierungschefs zurücktreten.

Mehr: Netanjahu-Gegner in Israel bilden Koalition aus acht Parteien.

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