Mariano Rajoy zu Katalonien: „Es ist ein Angriff auf Europa“
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Mariano Rajoy zu Katalonien„Es ist ein Angriff auf Europa“
Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy verteidigt im Handelsblatt-Interview sein hartes Vorgehen gegen die Separatisten im Katalonien-Konflikt. Zugleich warnt er vor einem drohenden Zerfall Europas und fordert Euro-Bonds.
„Europa stabilisiert sich, politisch wie ökonomisch“
(Foto: Getty Images)
MadridSelten hat Mariano Rajoy turbulentere Zeiten erlebt als diese. Die eskalierende Katalonienkrise hält das ganze Land in Atem. Rajoy empfängt die Handelsblattredakteure in seinem Regierungssitz Moncloa. Obwohl eine Kabinettssitzung ansteht und seine Minister bereits warten, nimmt der 62-Jährige sich Zeit. Er führt durch sein Büro, zeigt die Bilder des berühmten spanischen Malers Miró – ein Katalane übrigens. Auf seinem Schreibtisch steht ein Foto, auf das er besonders stolz scheint: Es zeigt ihn mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Herr Premierminister, Spanien war eines der Länder, die schon während der Finanzkrise die Existenz des Euros gefährdeten. Heute schaut Europa erneut fassungslos Richtung Spanien und seine konstitutionelle Krise. Was läuft schief in Ihrem Land? In der Tat hat Spanien eine schwere Finanzkrise erlitten und stand im Jahr 2011 kurz vor einem Rettungsprogramm. Aber diese Phase haben wir längst überstanden. Unsere Wirtschaft wächst seit drei Jahren mit über drei Prozent. Auch in der aktuellen Krise, die ich gar nicht leugnen will, sind wir auf gutem Wege, Lösungen zu finden. Ich bin sicher, dass nach den Wahlen in Katalonien am 21. Dezember Ruhe einkehren wird und wir eine Ära des guten Zusammenlebens erleben.
Woher nehmen Sie diese Gewissheit? Was ist, wenn die Separatisten erneut eine Mehrheit im Parlament erzielen? Ich bin sicher, dass die Separatisten an Rückhalt verlieren. Die Menschen in Katalonien haben gesehen, dass die Separatisten ihre Versprechen nicht einlösen können. Sie versprachen, Europa würde sie unterstützen – aber kein Land hat das getan. Sie versprachen, eine Trennung von Spanien würde keine wirtschaftlichen Folgen haben – aber bereits jetzt haben über 2.000 Unternehmen Katalonien verlassen. Ich bin überzeugt, dass die Katalanen daraus ihre Schlüsse bei den Wahlen ziehen.
Vita Mariano Rajoy
Seit Dezember 2011 steht der Jurist Mariano Rajoy an der Spitze der spanischen Regierung.
Rajoys konservative Partido Popular (PP) hat bei den Neuwahlen im Sommer 2016 die absolute Mehrheit eingebüßt und kam nur noch auf 33 Prozent der Stimmen.
Der 62-jährige Galizier ist bereits seit 2004 Parteivorsitzender. Begonnen hat der Jurist seine Laufbahn in einem Liegenschaftsamt.
Aber laut aktuellen Umfragen halten sich die Separatisten auf dem Niveau der letzten Wahl. Sie könnten also wieder die Mehrheit im Parlament stellen. Umfragen in turbulenten Zeiten sind nicht besonders zuverlässig. Einige Monate vor den Wahlen in Deutschland lagen die CDU und die SPD noch gleichauf – und wir wissen alle, dass die Wahl anders geendet hat.
Haben Sie einen Plan B, falls es doch anders kommt? Nein. Der einzige Plan, den wir haben, ist, dafür zu sorgen, dass die künftige katalanische Regierung sich an die Gesetze hält. Spanien und Europa haben sich auf der Basis von Werten und Prinzipien gegründet, die uns stark machen – Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die katalanische Regierung hat gegen geltendes Recht verstoßen. Jeder kann seine eigene politische Überzeugung vertreten, wie auch immer sie aussehen mag. Aber alle müssen die Gesetze respektieren, sonst leben wir wie im Wilden Westen.
Heißt das, Sie würden in dem Fall erneut Zwangsmaßnahmen nach Artikel 155 der spanischen Verfassung verabschieden? Lassen Sie uns nicht vom schlimmsten Fall ausgehen. Den Artikel 155 haben wir in 40 Jahren spanischer Demokratie zum ersten Mal angewandt, nur weil die katalanische Regierung es darauf angelegt hatte.
Derzeit sitzen acht ehemalige Kabinettsmitglieder in Untersuchungshaft. Ihre Kritiker und Hunderttausende Demonstranten, die jetzt in Barcelona protestierten, bezeichnen diese als „politische Häftlinge“. Fürchten Sie nicht, dass die Verhaftungen ein Motivationsprogramm für die Separatisten sind? In Spanien gibt es keine politischen Häftlinge. Niemand sitzt wegen seiner Ideen im Gefängnis, sondern man sitzt wegen eines Verhaltens, das gegen die Gesetze verstoßen hat. Wir sind eine Demokratie mit einer Verfassung, die vor 40 Jahren verabschiedet worden ist. Ich weise diesen Vorwurf entschieden zurück. Vergessen Sie nicht, dass kürzlich ebenfalls Hunderttausende Demonstranten in Barcelona für die Einheit Spaniens auf die Straße gegangen sind.
Es sieht immer schlecht aus, wenn eine gewählte Regierung im Gefängnis sitzt. Bereuen Sie die Verhaftungen?
Spanien ist ein Rechtsstaat, und ich bin der Chef der Exekutive. Ich muss die Entscheidung der Gerichte akzeptieren – wie auch immer sie sind.
Bereuen Sie denn den gewaltsamen Einsatz der Polizei während des Referendums am 1. Oktober? Solche Bilder gefallen niemandem. Aber leider funktioniert in Demokratien nicht immer alles perfekt. Mir haben auch nicht die Bilder der Demonstranten gefallen, die im September während der Durchsuchungen von katalanischen Ministerien die spanische Polizei daran hinderten, das Gebäude zu verlassen. Auch die Gewaltbilder beim G20-Gipfel in Hamburg haben mir nicht gefallen. Wir alle wünschen uns, dass die Polizei nie einschreiten muss, aber die Dinge sind eben, wie sie sind.
Wieso haben Sie so früh Neuwahlen angesetzt? Weil der Artikel 155 etwas Außergewöhnliches ist. Und ich will, dass solche Extremsituationen nicht lange andauern. Wir wollten den Katalanen damit zeigen, dass es uns nicht darum geht, die Macht zu übernehmen und die Autonomie der Region zu unterdrücken. Es geht darum, dass die Vernunft zurückkehrt.
Wäre es nicht besser gewesen, einen politischen Kompromiss zu suchen – etwa durch Zugeständnisse beim Finanzausgleich –, als die Situation derart eskalieren zu lassen? Natürlich ist eine Einigung immer besser als außergewöhnliche Entscheidungen. Aber das müssen beide Parteien wollen. Die Regierung von Katalonien hatte aber nur ein Ziel – das Unabhängigkeitsreferendum. Das konnten wir nicht zulassen, jedes Land verteidigt seine territoriale Integrität.
Aber der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat bereits bei seinem Amtsantritt Anfang 2016 angekündigt, innerhalb von 18 Monaten die Unabhängigkeit auszurufen. Warum haben Sie ihn so lange gewähren lassen? Ich habe ihn nicht gewähren lassen. Ich habe alle katalanischen Gesetze für die Unabhängigkeit vor das Verfassungsgericht gebracht. Es hat uns immer recht gegeben. Ich habe eine breite politische Unterstützung anderer Parteien in Spanien gesichert, um auf die Krise zu reagieren.
Bislang haben Sie lediglich versucht, das Katalonienproblem von der Justiz lösen zu lassen. Ist es nicht Ihre Aufgabe, politische Lösungen anzubieten? Natürlich ist es das. Aber das war nicht möglich mit Herrn Puigdemont. Deshalb blieb uns nichts anderes übrig, als Artikel 155 anzuwenden. Viele werfen mir vor, ich hätte keine politische Lösung gesucht. Aber ich bin schon lange in der Politik, und Sie können mir glauben: Es gab keine Alternative.
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