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Massentests und Impfungen Die Schweiz lässt Deutschland im Kampf gegen die Pandemie hinter sich

Ab März lockert die Schweiz ihre Corona-Maßnahmen. Das Land steht inzwischen deutlich besser da als Deutschland – trotz eines weniger strengen Lockdowns.
26.02.2021 - 16:44 Uhr 1 Kommentar
Bei der Impfstrategie geht die Schweiz ungewöhnliche Wege. Auch Schiffe werden als Impfzentren genutzt. Quelle: dpa
Impfschiff am Bodensee

Bei der Impfstrategie geht die Schweiz ungewöhnliche Wege. Auch Schiffe werden als Impfzentren genutzt.

(Foto: dpa)

Zürich Wer sich in diesen Tagen in der Schweizer Bodensee-Region gegen Corona impfen lassen will, muss in Arbon an Bord gehen. In dem Ort unweit von St. Gallen hat derzeit der Ausflugsdampfer „MS Thurgau“ festgemacht.

Der gleichnamige Kanton hat das Boot zum schwimmenden Impfzentrum umgebaut, das mehrere Bodenseeorte ansteuert. „Das Impfschiff hat sich sehr bewährt“, sagt ein Kantonssprecher. Es reduziere die Hürden für die Anreise in den entlang des Seeufers gelegen Regionen, so der Sprecher: „Wir haben mehr Anmeldungen erhalten, als wir anbieten können.“
Das Impfschiff ist nur ein Beispiel für die mitunter ungewöhnliche Schweizer Strategie gegen Corona – die jedoch immer mehr Erfolg zeigt.

Bei der Impfquote hat die Schweiz Deutschland inzwischen deutlich abgehängt. Der Sieben-Tages-Durchschnitt der täglich verabreichten Impfdosen liegt, gemessen an der Bevölkerungszahl, um rund 30 Prozent über dem deutschen Wert, wie Daten der Forschungsplattform Our World in Data (OWiD) der Universität Oxford zeigen.

Die Fallzahlen sind zwar noch immer etwas höher: Die Sieben-Tages-Inzidenz in der Schweiz liegt bei knapp 82, in Deutschland bei 64. Doch die Daten aus dem Schweizer Gesundheitssystem – etwa Hospitalisierungen oder Todeszahlen – signalisieren leichte Entspannung. Der Sieben-Tages-Durchschnitt der Corona-Toten pro eine Millionen Einwohner lag in der Schweiz zuletzt bei 1,29 – in Deutschland ist dieser Wert mit 3,75 fast drei Mal so hoch.

Dabei hat die Schweiz trotz großer Kritik aus den Nachbarländern etwa Skigebiete und Schulen offen gelassen. Zudem ist die Schweizer Wirtschaft deutlich besser als die deutsche durch die Pandemie gekommen. Im Coronajahr 2020 schrumpfte die Wirtschaftsleistung der Schweiz gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,9 Prozent. In Deutschland lag der Rückgang 2020 bei 4,9 Prozent.

Zudem habe die Schweiz „mehr Boden gutgemacht, als viele andere Staaten in Europa“, heißt es in einer Studie der Credit Suisse. Im vierten Quartal lag die Wirtschaftsleistung des Landes noch 1,6 Prozent unterhalb des gleichen Zeitraums 2019. Das BIP in Deutschland war dagegen 3,6 Prozent schwächer als im vierten Quartal 2019.

Der für Inneres und Gesundheit zuständige Bundesrat Alain Berset kann der Bevölkerung inzwischen eine klare Perspektive aufzeigen: Ab Montag können etwa der Einzelhandel, Freizeitbetriebe im Freien sowie Museen und Bibliotheken wieder öffnen. Ab April könnten weitere Lockerungen folgen, etwa die Außengastronomie.

Knapp vorbei an der Katastrophe

Zwar ist Deutschland wesentlich größer und damit nur schwer vergleichbar mit der Schweiz: Doch beide Länder sind stark föderal organisiert. Wie also hat die Schweiz Deutschland bei der Pandemie-Bekämpfung überholt, obwohl auch bei den Eidgenossen der Bund nur schwer den Kantonen seinen Willen aufdrücken kann? Die Antwort lautet: durch Massentests und schnelle Impfung.

Ende vergangenen Jahres erschien es utopisch, dass die Schweiz als eines der ersten Länder in Kontinentaleuropa die Corona-Auflagen lockern könnte. Die Fallzahlen gingen durch die Decke, wie die OWiD-Daten zeigen. Zeitweise erreichte die Schweiz im Dezember 2020 950 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner – das Achtfache des Wertes, der zu dieser Zeit in Deutschland herrschte.

Daten des Schweizer Bundesamts für Gesundheit, die die Github-Seite „Covidschweiz“ aufbereitet hat, zeigen, wie knapp das Land an einer Katastrophe vorbeigeschrammt ist. Die Auslastung der Intensivbetten stieg im Dezember auf knapp 80 Prozent. Im Sommer 2020, als nur wenige Covid-Patienten auf der Intensivstation lagen, betrug die Auslastung etwa 60 Prozent.

Noch alarmierender: Der Anteil der Covid-Patienten erreichte fast 50 Prozent, in Hotspots wie Genf lag der Anteil sogar darüber. Das legt nahe: Eine Entlastung der Intensivstationen konnte nur erreicht werden, indem weniger reguläre Intensivpatienten aufgenommen wurden. Ein Kollaps des Gesundheitssystems erschien als reale Gefahr – und das in einem der reichsten Länder der Welt.

Trotzdem hielt die Schweiz lange an einem relativ lockeren Kurs fest: Erst kurz vor Weihnachten mussten etwa der Einzelhandel, Freizeiteinrichtungen sowie Kneipen und Restaurants auf Anordnung des Bundes schließen. Hotels und Skigebiete blieben in einigen Kantonen durchweg offen – das sorgte besonders bei den Nachbarländern für Empörung.

Dass der große Covid-Schock ausblieb, führen Experten wie Martin Ackermann, Mikrobiologe und Chef der Schweizer Covid-Taskforce, auf die Corona-Maßnahmen zum Jahresbeginn sowie die deutlich gestiegenen Testkapazitäten zurück. „Die Maßnahmen haben die Ansteckungen verringert.“ Interessant sei auch, dass sie aktuell die Infektionen in Regionen in Schach halten, in denen die ansteckendere Corona-Variante B.1.1.7 grassiert.

Seit Oktober führte die Schweiz, gemessen an der Bevölkerungszahl, meist mehr Tests durch als die Nachbarländer. Eine wichtige Rolle spielen bei der Teststrategie die Apotheken: Viele führen sowohl PCR-Tests als auch Antigen-Schnelltests durch. Terminvereinbarungen sind online möglich. Dadurch bleibt vielen Schweizern die längere Anfahrt zu Testzentren erspart. Die Kosten übernimmt der Bund für Patienten mit Symptomen oder Menschen, die einer Risikobegegnung ausgesetzt waren.

Tempo bei der Impfkampagne

In Deutschland können sich Menschen erst seit Ende Dezember auch in Apotheken testen lassen – und nur wenige bieten diese Möglichkeit überhaupt an. Die Daten scheinen zumindest dem Schweizer Weg recht zu geben: Der Anteil der positiven Tests liegt mittlerweile unterhalb der Marke von fünf Prozent, ab der Epidemiologen eine hohe Zahl unentdeckter Fälle befürchten.

Deutlich wird diese Teststrategie auch im besonders auf den Skitourismus angewiesenen Kanton Graubünden, in dem etwa die Nobelskiorte St. Moritz und Davos liegen. Der Kanton hatte lange Zeit etwa bei der Hüttengastronomie die laxesten Regeln – und verstieß sogar gegen die Anordnungen des Bundesamtes für Gesundheit.

Doch Infektionsherden wie einem Ausbruch unter Angestellten zweier Luxushotels begegneten die Verantwortlichen mit Massentests. Bei den Neuinfektionen und der Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten liegt Graubünden inzwischen unter dem schweizweiten Durchschnitt.

Und auch bei den Impfungen macht die Schweiz Tempo. Bisher liegt die Zahl der verimpften Dosen deutlich hinter Musterländern wie Israel. Doch schon jetzt läuft die Impfkampagne wesentlich besser als in allen Nachbarstaaten, wie Daten von OWiD zeigen – und das, obwohl der Astra-Zeneca-Impfstoff nach wie vor nicht in der Schweiz zugelassen ist.

Ab März soll die Impfquote nochmals deutlich steigen. Genügend Impfstoff vorausgesetzt, könnte die Schweiz bis zu 110.000 Menschen am Tag impfen, meldete der Schweizer Rundfunk (SRF) am Freitag. In dem Tempo wäre das Ziel von Bundesrat Berset erreichbar, bis Mai oder Juni jedem Erwachsenen in der Schweiz ein Impfangebot zu machen.

Doch ein Risiko bleibt: Die ansteckende Corona-Variante B.1.1.7 macht im Hotspot Genf inzwischen über 80 Prozent der Neuinfektionen aus und verbreitet sich von dort auf den Rest des Landes. Zuletzt stagnierte die Zahl der Neuinfektionen, statt weiter zurückzugehen. Die neuen Lockerungen in der Schweiz kommen daher zu einem kritischen Zeitpunkt. Covid-Taskforce-Chef Ackermann warnte daher vor einer zu schnellen Lockerung: Er appellierte: „Lassen Sie uns diesen Erfolg nicht gefährden.“

Mehr: Spanien drängt, Frankreich zögert, Dänemark will Pionier sein: Corona-Impfpass entzweit Europa.

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1 Kommentar zu "Massentests und Impfungen: Die Schweiz lässt Deutschland im Kampf gegen die Pandemie hinter sich"

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  • Ja, die Zahlen stimmen. Sie lassen in der Berichterstattung aber einen - finde ich - ganz entscheidenden Punkt aus: Erst Anfang Januar drehten die Daten der zusätzlich gestorbenen in der Schweiz ins Bessere. Bis zum 6.1.2021 musste die Schweiz bei den Neuverstorbenen immer höhere Zahlen ausweisen, als Deutschland. Folgerichtig hat die Schweiz während der gesamten Pandemie bisher 116 Tote pro 100.000 Einwohner zu beklagen, in Deutschland sind es "nur" 84.
    Insofern kann man auch kein Loblied auf die Schweiz singen, sondern kann umgekehrt nur feststellen, dass es Deutschland noch schlechter gelungen ist gerade die Alten vor dieser Krankheit zu schützen!

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