Medien Protest gegen Reklamesteuer – Polens private Medien treten in einen 24-stündigen Streik

Der PiS-Vorsitzende möchte, dass die Medien des Landes „polnischer" werden.
Düsseldorf Private Medienanstalten in Polen sind in einen 24-stündigen Protest eingetreten. Wer an diesem Mittwoch Nachrichtenportale wie wyborcza.pl, onet.pl oder tvn.pl besucht, der sieht nur eine schwarze Seite mit weißer Schrift. Der Text, der dort steht, ist an die polnische Regierung gerichtet: „Wir möchten auf die angekündigte neue Belastung der auf dem polnischen Markt tätigen Medien eingehen“, heißt es in dem offenen Brief.
„Heute können wir uns davon überzeugen, wie Polen ohne freie Medien aussehen würde“, schreibt das zum Axel-Springer-Verlag gehörende Nachrichtenportal Onet auf seiner Internetseite. Auch private Fernsehsender senden an diesem Mittwoch nicht. Der Bildschirm bleibt schwarz. Nur die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten berichten.
Ausgelöst wurde die Protestaktion „Medien ohne Wahl“ durch eine angekündigte „Reklamesteuer“ der PiS-Regierung. Diese sieht eine Abgabe auf Werbeeinahmen von TV-Sendern und Nachrichtenportalen vor. Digitale Netzwerke wie Facebook und Instagram wären ebenfalls betroffen.
Den größten Teil der Steuerlast müssten allerdings die privaten Medienanstalten tragen. Nach ersten Schätzungen läge diese jährlich bei rund 800 Millionen Zloty, das sind umgerechnet knapp 180 Millionen Euro. Die Internetkonzerne hingegen kämen mit 50 bis 100 Millionen Zloty (elf bis 22 Millionen Euro) recht glimpflich davon.
Zwar würde die geplante Steuer auch die von der PiS stark beeinflusste öffentlich-rechtliche TV-Sender-Gruppe TVP und den Hörfunk treffen. Doch die Reklamesteuer soll nach den Plänen der Regierung in einen „Fonds zur Förderung der Kultur und des nationalen Erbes in den Medien“ fließen.
Kritiker sprechen von einer weiteren „Polonisierung“ der Medien. Denn die Fondsgelder dürften letztlich zu einem großen Teil den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugutekommen, die eine regierungsfreundliche Agenda verfolgen.
In ihrem öffentlichen Brief bezeichnen die privaten Medien die geplante „Reklamesteuer“ daher als „Schutzgeld“. Die Unterzeichner des offenen Briefes befürchten, dass die Steuer für einige private Nachrichtenportale in Polen das Aus bedeuten könnte.
Polen geht ähnlichen Weg wie Ungarn
Vor allem dem PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski sind die privaten Medien ein Dorn im Auge. Durch den Einfluss ausländischer, „hauptsächlich deutscher“ Verlage habe Polen als Staat und Volk „große Einbußen an Souveränität“ erlitten, erklärte Kaczynski zuletzt. Diese Medien hätten zudem angeblich einen großen Anteil daran, dass die Jugend heute „vulgär und primitiv demoralisiert“ sei, sagte der PiS-Vorsitzende Ende Januar in einem Interview.
Seit Jahren fordert Kaczynski daher, dass die Medien „polnischer“ werden müssten. Als großen Erfolg wertet er die Übernahme der Regionalzeitungsgruppe „Polska Press“ durch den staatlich kontrollierten Ölkonzern Orlen. Abgekauft hatte das Unternehmen die Zeitungen der Verlagsgruppe Passau.

So sehen heute die Nachrichtenportale aller privaten Medien in Polen aus.
Polens Regierung sieht allerdings nicht nur in freien Medien eine Bedrohung. Nach der Erstürmung des Kapitols in den USA und der darauffolgenden Sperrung des Twitter- und Facebook-Kontos des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump Anfang Januar sah die nationalkonservative Regierung offenbar auch ihre eigenen Nutzerkonten auf den Portalen der Tech-Giganten in Gefahr.
Seit Ende Januar ist nun das polnische Facebook-Pendant „Albicla“ aktiv, auf dem sich Polens Präsident Andrzej Duda direkt zum Start ein Konto einrichtete. Dort ist laut Albicla-Mitinitiator Tomasz Sakiewicz, zugleich Chefredakteur der PiS-freundlichen „Gazeta Polska Codzienna“, der „zensurfreie Austausch von Gedanken, Ideen und Meinungen möglich“.
Die Medienmaßnahmen von Polens Regierung ähneln den Anstrengungen der ungarischen Regierung, private, nicht regierungstreue Medien verstummen zu lassen. Die Regierung um Viktor Orban hatte 2014 ebenfalls eine Mediensteuer eingeführt.
Anfang der Woche musste „Klubradio“, Ungarns letzter unabhängiger Radiosender, den Sendebetrieb einstellen. Der staatliche Medienrat hatte eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung verweigert. Der Sender klagte dagegen, verlor jedoch vor dem Budapester Stadtgericht.
Beide Länder sind über die vergangenen Jahre in der Rangliste für Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ stark abgerutscht. Ungarn belegt den 89. Platz, Polen den 62. Bevor die PiS-Regierung an die Macht kam, hatte Polen noch auf dem 18. Rang gelegen.
Das Nachrichtenportal Onet richtet in der Protestaktion daher einen eindringlichen Appell an die Regierung und verweist dabei auf Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA. Dieser habe schon vor 234 Jahren verstanden, wie wichtig freie Medien für die Demokratie seien, schreibt das Portal. „Wenn ich entscheiden müsste, ob wir eine Regierung ohne Zeitungen haben sollten oder Zeitungen ohne eine Regierung; ich würde nicht zögern und Letzteres wählen“, wird Jefferson auf der Homepage von Onet zitiert.
Mehr: Durch Steuermissbrauch entgehen den Staaten weltweit Hunderte Milliarden Dollar im Jahr. Einen globalen Kreuzzug gegen Steuerhinterziehung fordert daher Mateusz Morawiecki.
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