Michael Pettis „Die chinesischen Verbraucher werden sehr viel weniger kaufen“

Peking Der Professor an der Peking University beobachtet die chinesische Wirtschaft seit Jahren. Im Gespräch erklärt er, zu welchen tief greifenden Änderungen die Coronakrise führt.
Herr Pettis, wie kommt die Erholung der chinesischen Wirtschaft voran?
Die chinesische Wirtschaft wird im ersten Quartal wahrscheinlich erheblich schrumpfen, und dann stellt sich die Frage, wie stark die Erholung im zweiten Quartal ausfallen wird.
Sehen Sie bereits eine Belebung der Binnennachfrage in China?
Es gibt mehrere Komponenten der Nachfrage in China: Es gibt eine gesunde Nachfrage und eine ungesunde. Die gesunde Nachfrage besteht aus Konsum, Investitionen des privaten Sektors und Exporten. Und die ungesunde Nachfrage sind Investitionen des öffentlichen Sektors – und ich sage, dass dies ungesunde Investitionen sind, weil China bei Weitem zu viel in die Infrastruktur investiert hat, sodass der größte Teil der zusätzlichen Investitionen verschwendet wird – und die Entwicklung des Immobilienmarktes. China produziert eine Menge leer stehender Apartmenthäuser, die keinen Wert für die Wirtschaft haben.
Wie wird sich der Konsum in diesem Jahr entwickeln?
Er wird aus zwei Gründen stark beeinträchtigt werden: Zum einen haben viele Chinesen ihren Arbeitsplatz verloren, und selbst wenn sie ihren Arbeitsplatz zurückgewinnen, wird dies eine Verringerung ihres Einkommens für das ganze Jahr bedeuten. Hinzu kommt, dass eine der Reaktionen der chinesischen Haushalte auf den unerwarteten Schock von Covid-19 darin besteht, dass sie wahrscheinlich ihre Sparquote erhöhen und ihre Ausgaben kürzen werden. In China wird also das Haushaltseinkommen in diesem Jahr niedriger und die Sparquote der Haushalte höher sein – und diese Kombination bedeutet, dass der Konsum schwächer sein wird.
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China lockert langsam die Restriktionen im Zuge der Coronakrise.
Sie erwarten keine Normalisierung im Jahresverlauf?
Nein. Der Konsum wird sich nicht wieder normalisieren, weil das Haushaltseinkommen dauerhaft geschrumpft ist und die Sparquote der Haushalte mit ziemlicher Sicherheit steigen wird. Die einfache Arithmetik sagt uns also, dass diese Haushalte zwangsläufig weniger konsumieren werden. Das wirkt sich auch auf den privaten Sektor in China aus. Viele chinesische Unternehmen kaufen zum Beispiel Investitionsgüter aus Deutschland, um ihre Kapazitäten für den Verkauf an chinesische Verbraucher zu erhöhen. Sie werden sehr viel weniger kaufen, weil die chinesischen Verbraucher sehr viel weniger kaufen werden. Das wird dieses Jahr dauerhaft sein.
Was kann Europa von China lernen, wenn es um die Erholung der Wirtschaft geht?
Wir sollten dem chinesischen Beispiel folgen und in die Infrastruktur investieren. Was schlecht für China ist, wäre gut für den Westen. Europa und die USA sind auf eine seltsame Art und Weise in einer viel besseren Position als China, weil sie in der Vergangenheit so schlechte Arbeit bei ihrer Infrastruktur geleistet haben, sodass es viel Raum für Ausgaben gibt. Der Unterschied zwischen Deutschland und China besteht also darin, dass Deutschland in die Infrastruktur investieren kann und diese Investitionen produktiv sein werden.
Herr Pettis, vielen Dank für das Interview.
Mehr: Warum China die Weltwirtschaft in dieser Krise nicht retten kann.
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