Migrationspolitik Flüchtlinge als „Touristen“ nach Deutschland: Wie Griechenland Druck auf die Asylpolitik der EU macht

Wer als Flüchtling nach Griechenland kommt, hat es schwer. Die Zustände in den Lagern sind meist menschenunwürdig.
Athen Flughafen Athen, Ende März: Neun junge Männer in Trainingsanzügen warten auf den Abflug nach Wien. Ihre Trikots weisen sie als Spieler einer rumänischen Volleyballmannschaft aus. Doch am Gate ist die Reise schon zu Ende. Bei einer Ausweiskontrolle stellen sich die Papiere als gefälscht heraus. Die Sportler sind in Wirklichkeit Flüchtlinge aus Syrien.
Schleuser bringen fast täglich Migranten mit gefälschten Reisedokumenten aus Griechenland nach Westeuropa. Mal per Flugzeug, mal über den Balkan oder über die Adria.
Aber viele können sich das Geld für die Menschenschmuggler sparen. Sie kaufen sich ein Flugticket und reisen ganz legal mit einer Linienmaschine in das EU-Land ihrer Wahl. Für die meisten ist das Deutschland.
Die deutschen Behörden sind weitgehend machtlos. Sie können die Menschen nicht an der Einreise hindern.
Es handelt sich um Geflüchtete, denen die griechischen Behörden bereits Asyl oder subsidiären Schutz zugesprochen haben. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung, die auch zu Reisen in andere EU-Länder berechtigt.
Diese Besuche dürfen zwar höchstens 90 Tage in einem halben Jahr dauern. Aber die Praxis sieht anders aus. Die meisten als „Touristen“ nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge beantragen gleich nach ihrer Ankunft hier erneut Asyl.
Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab es seit Ende Dezember 2019 mehr als 11.000 solche Fälle. Fast 3000 waren es in den ersten drei Monaten 2021. Nach den Regeln des europäischen Asylsystems müssten diese Menschen eigentlich nach Griechenland zurückgeschickt werden.
Das geschieht aber nicht. Im Januar entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass Flüchtlinge nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürfen, weil ihnen dort „extreme materielle Not“ und Obdachlosigkeit drohen. Das BAMF hat deshalb einen „Entscheidungsstopp“ verhängt.
In Deutschland hoffen die Asylanten auf bessere Sozialleistungen
Tatsächlich beginnt für viele Migranten in Griechenland die schwerste Zeit ihrer Flucht, wenn sie Asyl erhalten. Sie müssen dann selbst für Unterkunft und Lebensunterhalt sorgen. Das von der EU geförderte Programm „Helios“ übernimmt zwar einen Teil der Miete, aber erst einmal muss man eine Wohnung und einen Job finden.
„Helios“ hilft bei der Arbeitssuche, aber die ist extrem schwierig in einem Land mit 16 Prozent Arbeitslosigkeit. Eine Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht, weder für die eigenen Bürger noch für Migranten. Viele Flüchtlinge wollen deshalb Griechenland verlassen. Bevorzugtes Ziel ist Deutschland, wo anerkannte Asylanten den vollen Hartz-IV-Satz beziehen können.
Kritiker halten die Zustände in Griechenland für Absicht. Man versuche, möglichst viele Flüchtlinge durch schlechte Behandlung zur Weiterreise in andere EU-Staaten zu bewegen, so der Verdacht. Die Organisation Pro Asyl kritisiert, die griechische Politik ziele explizit darauf ab, anerkannte Flüchtlinge verelenden zu lassen.
Politische Beobachter glauben, dass Athen mit der Ausstellung von Reisedokumenten für anerkannte Flüchtlinge in den Verhandlungen um die Reform des EU-Asylsystems Druck machen will. Seit Jahren bemüht sich Griechenland um eine gerechte Verteilung der Migranten auf alle EU-Staaten, bisher ohne Erfolg. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis sagt, es gehe nicht, „dass die Erstaufnahmeländer eine unverhältnismäßige Last tragen“.
Eine Einigung bei der Asylreform ist nicht in Sicht. Der Migrationsdruck aus Griechenland dürfte weiter wachsen, wenn erst einmal die Corona-Reisebeschränkungen fallen.
Mehr: Besuch von griechischem Außenminister in Türkei endet in Eklat.
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Da sollte sich die EU Kommission mal drum kümmern! Klar muß man diesen Menschen in irgend einer Form helfen. - Dies kann aber nicht nur unsere Aufgabe sein - oder: die Kosten müssen allgemein getragen werden! Aber da kommt von PiS - Orban usw. nichts. Wir sollten wirklich mal Zahlungen stoppen - dass wirkt immer!