Mitte-Rechts-Regierung Dänemark will kriminelle Flüchtlinge auf Insel abschieben

Die bisherigen Gebäude sollen abgerissen werden.
Stockholm Eine kleine dänische Insel in der Ostsee, nur drei Kilometer vom Festland entfernt, sorgt seit Tagen für Aufregung: Dänemark will Flüchtlinge, die kriminell geworden sind und deren Antrag auf Asyl abgelehnt worden ist, auf der Insel Lindholm bis zu ihrer Abschiebung unterbringen.
Sieben Hektar klein, drei ständige Bewohner und ein paar trostlose Betonbauten – das soll das neue „Ausreisecenter“ nach dem Willen der dänischen Mitte-Rechts-Regierung werden. Das Inselchen in der Stege-Bucht mit eigenem Fähranleger dient bislang dem staatlichen Veterinäramt als Forschungslabor. Tierversuche und Experimente mit Viren werden hier durchgeführt.
Um die Bevölkerung vor eventuellen Pannen mit Keimen der Maul- und Klauenseuche, der Schweinepest und anderen gefährlichen Krankheiten zu schützen, wurde das Forschungslabor bewusst auf die Insel gelegt. Jetzt aber zieht das Labor um und übergibt Lindholm am 1. Januar 2019 dem Staat.
Der will die Gebäude abreißen, eventuelle Sanierungsarbeiten durchführen und bis 2021 das Ausreisecenter für straffällig gewordene Flüchtlinge fertigstellen.
Die immer wieder durch ihre drastischen Vorschläge in der Einwanderungspolitik aufgefallene Ausländer- und Integrationsministerin Inger Støberg verteidigt die Wahl der „øde ø“, der einsamen Insel, für abgeschobene Asylbewerber. „Ich habe die Kritik wahrgenommen, bleibe aber dabei, dass Lindholm nahezu perfekt für die Platzierung dieser Gruppe Menschen ist“, erklärte die umstrittene Ministerin.
Ein Gefängnis, wie von Menschenrechtsexperten kritisiert, sei Lindholm keinesfalls. „Es gibt doch eine Fähre“, konterte die Ministerin. Tatsächlich verkehrt ein kleines Boot zwischen Lindholm und Kalvehave auf Süd-Sjælland. Der Name der Fähre: „Virus“.
Støberg hatte sich in der Regierung mit ihrem Vorschlag durchsetzen und Finanzminister Kristian Jensen die notwendigen Mittel für die Sanierung und den Bau des Ausreisecenters abringen können. Vermutlich musste sie bei ihren Kabinettskollegen gar nicht sonderlich hart argumentieren.
Denn die Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen hat im Stortinget, im Parlament in Kopenhagen, keine eigene Mehrheit und ist auf die Unterstützung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei angewiesen. Die treibt seit Jahren die Regierung mit ihren Vorschlägen zu einer äußerst restriktiven Einwanderungspolitik immer wieder vor sich her.
Und so zeigte sich die Dänische Volkspartei höchst erfreut über die Entscheidung. In einem auf Twitter veröffentlichten, animierten Video, wird ein eindeutig als Ausländer zu identifizierender Mann mit langem Gewand, Kappe und Bart gezeigt, wie er mit einem kleinen Bötchen auf eine Insel gebracht wird. „Teile gerne die gute Nachricht“, ist das Filmchen überschrieben.
„Rassistisch“ finden den Film nicht zu Unrecht viele Dänen. In den Zeitungen hagelte es Proteste, wie so oft, wenn die rechtspopulistische Partei mit Vorschlägen vorprescht.
Dennoch feiert die Partei den Plan des Ausreisecenters auf Lindholm als ihren Erfolg. „Wenn Asylbewerber nachts auf der Insel sind, laufen sie nicht in den Orten herum“, lautet die einfache Analyse von René Christensen von der Dänischen Volkspartei. Weniger erfreut sind die Bewohner auf dem Festland.
Rund 800 von ihnen haben direkt nach Bekanntwerden der Pläne die Protestgruppe „Stoppt Camp Lindholm“ gebildet. „Werden die Pläne umgesetzt, würde das für große Unsicherheit in unserer Region sorgen“, erklärte ein Sprecher der Gruppe. Man wolle jetzt die Diskussion mit Regierungsvertretern suchen, um das Vorhaben doch noch zu stoppen.
Auch von den Vereinten Nationen gab es Kritik. „Ich bin ernsthaft über die Pläne beunruhigt“, erklärte die Hohe Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet. „Wir werden ein Auge auf die weitere Entwicklung halten und mit der dänischen Regierung diskutieren“.
Ob es tatsächlich zu dem Ausreisezentrum kommt, ist noch nicht klar. Denn in Dänemark finden im kommenden Jahr Parlamentswahlen statt und ob eine eventuell neue Regierungskonstellation an den Plänen festhält, ist noch nicht ausgemacht.
Die Dänische Volkspartei hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit radikalen Forderungen für Schlagzeilen gesorgt. 2011 trat sie einen Sturm der Entrüstung los, als sie als Zünglein an der Waage die damalige Regierung zwang, kurzfristig wieder Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze einzuführen, um die angeblich illegale Einwanderung zu stoppen.
Im letzten Wahlkampf punktete die Partei vor allem mit der Forderung, Kindergeld für Zuwanderer erst nach zwei Jahren zu zahlen. Dass die EU-Kommission das als diskriminierend ansah und ein entsprechendes Gesetz ablehnte, störte die Dänische Volkspartei nicht.
Die Partei fordert zwar nicht den Austritt aus der EU, will aber den Einfluss Brüssels auf die dänische Politik stark begrenzen. Ihre Forderungen nach einer deutlich restriktiveren Einwanderungs- und Asylpolitik fanden in den vergangenen Jahren bei den unterschiedlichen dänischen Regierungen als Mehrheitsbeschafferin im Folketing stets Gehör.
Die Idee, Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, auf eine Insel zu verbannen, ist übrigens nicht neu. Schon im Jahr 2000 machte die damalige Innenministerin Karen Jespersen diesen Vorschlag. Er wurde abgelehnt. Jespersen war Sozialdemokratin.
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